Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel. Michael Schenk

Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel - Michael Schenk


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      freikommen!«

      Der Mann am Steuer nickte und wollte den Befehl gerade ausführen, als

      ein Pfeil seinen Hals durchschlug und seinen sterbenden Leib auf die Planken

      warf. Ein anderer Mann sprang an seine Stelle, wurde aber ebenfalls gefällt.

      Ein mächtiger Stoß erschütterte die »Shanvaar«, als das Korsarenschiff gegen

      ihre Bordwand stieß. Leinen mit eisernen Haken flogen nun heran, krallten

      sich in das Holz der Reling und verbanden die Schiffe miteinander. Zwar

      versuchten alnoische Matrosen noch, die Leinen zu kappen und ihr Schiff zu

      befreien, aber es war zu spät. Wie eine Woge stürmten die Korsaren auf das

      Deck der »Shanvaar«.

      Die Männer des Königreiches Alnoa waren von vornherein in der

      Minderheit. Ein unendlicher Strom von Kämpfern schien aus dem Bauch des

      Korsarenschiffs hervorzuquellen und überrannte die Besatzung des

      Dampfkanonenschiffs.

      Halblar hatte noch zwei Brennsteinlaternen gepackt, um der nahen

      »Aivaar« zu signalisieren, sah dann aber schockiert, wie sich zwei weitere

      Korsarenschiffe neben das Schwesterschiff legten und es ebenfalls enterten.

      Mit bleichem Gesicht wandte er sich zu seinem Freund ta Mergon um und

      schrie dann peinerfüllt auf, als ein breites Schwert in seinen Leib drang. Der

      Erste Offizier ließ die beiden Laternen fallen und versuchte seine

      hervorquellenden Gedärme festzuhalten, während er den triumphierenden

      Korsaren mit brechenden Augen anstarrte. Dann kippte er haltlos mit dem

      Gesicht voran zu Boden.

      Ta Mergon parierte indes den Hieb eines Angreifers, tötete den Mann und

      schwang herum, um einem anderen zu begegnen. Dann schrie er auf in Zorn

      und Schmerz, als der tödliche Stoß seinen Körper traf. Um ihn herum war der

      Lärm des Kampfes zu hören. Das Klirren aufeinanderprallender Waffen, das

      Stöhnen und Schreien der Kämpfer und die verzweifelten Rufe verletzter

      Soldaten. Der Großkapitän sank auf die Knie und sah ein letztes Mal das

      seltsam entspannte Gesicht seines toten Freundes, bevor ihn die

      Unendlichkeit umfing.

      Allmählich erlosch der Kampflärm, und einige wenige Männer der

      alnoischen Marine lieferten sich der Gnade der Eroberer aus und warfen ihre

      Waffen aufs Deck. Korsaren in einem bunten Gemisch an Kleidung und

      Rüstungen schwärmten unterdessen durchs Schiff, um auch den letzten

      Widerstand zu brechen.

      »Verschont die Brennsteinmänner«, brüllte ein stämmiger Mann, dessen

      langes schwarzes Haar im Nacken von einem Band zusammengehalten

      wurde. »Wer Hand an die Brennsteinmänner legt, den werfe ich den

      Dornfischen vor!«

      Einige der Korsaren lachten bei der Doppeldeutigkeit der Worte. Die

      Dornfische waren berüchtigte Raubfische der Meere, mit starken,

      zahnbewehrten Kiefern und zwei lanzenartigen Dornen über dem riesigen

      Maul. Doch nach diesen Fischen benannte sich auch jener Korsarenschwarm,

      der die Schiffe Alnoas geentert und erobert hatte.

      Der stämmige Mann schritt mit kaltem Lächeln über die blutbefleckten

      Planken auf der Brücke des eroberten Dampfkanonenschiffes. Verächtlich

      stieß er mit dem Fuß gegen den toten Halblar. »Nehmt ihnen die Kleidung ab,

      dann werft sie über Bord«, befahl er kalt. Elek-Mar T’os, Führer des

      Korsarenschwarms der »Dornfische«, wischte seine blutbefleckte Klinge am

      Beinkleid der Leiche ab. »Und säubert ihre Kleidung. Wir brauchen sie

      noch.«

      Der Anführer trug eine Rüstung, die aus dem Brustpanzer eines alnoischen

      Kapitäns und einem Kettenhemd bestand. Der Vorderteil des Panzers war mit

      der schillernden Kehlhaut eines Dornfisches bezogen. Eine blutrote Narbe

      zog sich über die Wange des Mannes und verlief vom Ansatz des rechten

      Ohrs bis zum Kinn. Sie war allerdings nicht geradlinig, sondern gezackt, und

      schien nicht von der Klinge eines Schwertes herzurühren.

      Ein schlanker Mann mit blonden Haaren trat neben Elek-Mar T’os. Sein

      brauner Brustpanzer wies an einigen Stellen frische Blutflecke auf, andere

      Bereiche schimmerten hell, wo das Salzwasser dem Leder im Laufe der Zeit

      zugesetzt hatte. »Was ist mit den anderen Überlebenden?«

      Elek-Mar zuckte die Schultern. »Was schon? Nehmt ihre Kleidung und

      Rüstung, dann tötet sie. Wir brauchen nur die Brennsteinmänner lebend.«

      Segu-Mar T’os, stellvertretender Schwarmführer der Dornfische, legte die

      Hände vor den Mund. »Die Landmänner sollen sich ausziehen. Danach könnt

      ihr sie erschlagen.«

      Einige der Seeleute Alnoas versuchten nun doch noch, um ihr Leben zu

      kämpfen, nachdem sie begriffen hatten, dass es keine Gnade geben würde,

      aber sie hatten keine Chance. Während sich in der Mitte des Decks ein Stapel

      von Kleidung und Rüstungen bildete, ertönte immer wieder das Klatschen,

      mit dem die nackten Körper ermordeter Seeleute ins Meer schlugen.

      Elek-Mar stützte seine Hände auf die Einfassung der Brücke, an genau

      jener Stelle, an der Halblar dies vor einigen Zehnteltagen getan hatte. Doch

      nun war die Hitze des Tages der Kühle der Nacht gewichen, und ein

      angenehmer Wind strich über das Meer. Der Führer des Korsarenschwarms

      sog die leicht salzige Luft tief ein und hatte den Geschmack von Kupfer auf

      der Zunge, als Blutgeruch von der nahen »Aivaar« herübertrieb. Auch dort

      stürzten nackte Leiber ins Meer. Elek-Mar nickte zufrieden.

      »Diese Landmänner von Alnoa haben wirklich geglaubt, die ›Nar’akk‹ sei

      beschädigt. Ihre Gier, das Schiff zu versenken, hat sie blind gemacht.«

      »Und unsere weißen Segel haben sie getäuscht«, stimmte Segu-Mar zu.

      »Ein wirklicher Seemann hätte sich nicht täuschen lassen«, brummte Elek-

      Mar. »Aber diese alnoischen Landmänner sind schon lange keine Seefahrer

      mehr.


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