Anna Q und das Geheimnis des Haselbusches. Norbert Wibben

Anna Q und das Geheimnis des Haselbusches - Norbert Wibben


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erkennst du diesen Mann als Seid Greif. Warte!« Erschrocken unterbricht sich Anna und streckt eine Hand aus, als ein feines, bläuliches Flirren den Kolkraben umgibt. »Wechsele nicht sofort in eure Welt. Wenn du dich auf die Suche in den Norden begibst, möchte ich dich unbedingt begleiten. Ich würde mir ewig Vorwürfe machen, wenn dir beim Nachspüren dieses Ungeheuers etwas passiert. Zusammen sind wir vermutlich nicht unbesiegbar, aber auf jeden Fall ein eingespieltes Team, oder nicht?« Ein entschuldigendes Lächeln umspielt Annas Lippen, als sie forschend zu Ainoa schaut. Die gemeinsame und erfolgreich verlaufene Suche nach Saphira ist noch nicht allzu lange her.

      »Ich habe mich schon gewundert, ob du mich wirklich allein dorthin schicken willst.« Ein keckerndes Krächzen schallt laut durch das Zimmer. Das Mädchen hält sofort einen erhobenen Finger vor seine Lippen, woraufhin die Elfe etwas zerknirscht erwidert: »Ja, ja. Ich weiß, ich soll nicht so laut sein! – Ich werde jetzt zu Katherin wechseln. Falls ich den Auftrag zur Suche im Norden bekomme, hole ich dich ab. Versprochen!«

      »Danke!«

      Im nächsten Moment flirrt die Luft um den Kolkraben und hüllt ihn mit einem bläulichen Schimmer ein, dann ist Ainoa verschwunden. Die Lichtkugel unter der Zimmerdecke erlischt ebenfalls. Die Dunkelheit wirkt zuerst größer als bisher, dann erhellt die Morgendämmerung die Gegenstände in dem kleinen Raum.

      Anna überlegt, was sie jetzt machen soll. Zum Einschlafen ist sie zu aufgeregt. Irgendetwas von der Unterhaltung spukt ihr im Kopf herum. Es war ein Satz oder doch eher ein Detail, ein Begriff? Aber jedes Mal, wenn sie den Gedanken fast zu fassen bekommt, entschwindet er wieder. Anna fühlt sich unbehaglich, denn das, was sie nicht klar zu erkennen vermag, stellt einen wichtigen Hinweis dar, ist sie sicher. Wie sie es auch früher schon gemacht hat, versucht sie nicht, weiter nach diesem Gedanken zu forschen. Sie weiß, wenn sie sich mit etwas Anderem beschäftigt, wird sie urplötzlich wissen, worum es sich handelt.

      Also konzentriert sie sich auf Schach. Das Mädchen spielt in Gedanken eine Partie Zug um Zug durch, bei der sie es fast geschafft hätte, Alexander zu schlagen. Es will die Stelle finden, an der ein anderer Spielzug erfolgversprechender gewesen wäre.

      Noch vor dem Frühstück versucht Anna, Morwenna Mulham zu treffen, um von der Unterhaltung mit Ainoa zu berichten. Das gelingt ihr, als sie vor dem Speisesaal auf die Professorin wartet. Diese fragt erschrocken, was so früh am Morgen passiert sei und offenbar bei der Schülerin eine große Besorgnis hervorgerufen hat. Das vermutet Morwenna, weil Anna bei ihrem Zusammentreffen ihren Mund zwar öffnet, dann jedoch sprachlos verharrt. Auf dem Gesicht der Schülerin breitet sich ein zufriedenes Lächeln aus. Hellblaue Pünktchen in ihrer grauen Iris scheinen dabei zu leuchten. Das geschieht manchmal bei Aufregung, dann wirken sie wie kleine Sterne. Das Mädchen mit der jungenhaften Figur und einigen Sommersprossen auf und um die gerade, schmale Nase herum, streicht die schulterlangen, blonden Haare rechts und links hinter die Ohren.

      »Morwenna, mir ist gerade etwas Wichtiges eingefallen, worüber ich verzweifelt im Bett nachgedacht habe. Es geht um das Geheimnis des Haselbusches.« Die darauffolgende Reaktion verläuft anders, als von Anna erwartet. Es gibt keinen verständnislosen Blick, der ungläubig und fragend auf eine Erklärung wartet. Nein. Stattdessen wird das Kind an beiden Schultern gefasst.

      »Was? Woher weißt du?« Das Erstaunen im Gesicht der Professorin ist vollkommen. Ihre hellgrauen Augen, blicken weit aufgerissen durch die Brille mit den großen Gläsern. Die hagere Gestalt beugt sich zur kleineren der Schülerin hinab und flüstert: »Wir gehen besser zu Iain Raven ins Büro. Das ist nichts für die Ohren anderer.« Ohne eine Antwort abzuwarten, richtet sie sich wieder auf, dreht sich um und eilt mit Anna durch den Flur. Als ihnen Schüler begegnen, deren Blicke andeuten, dass sie eine anstehende Bestrafung des Mädchens zu erwarten meinen, lässt Morwenna die umfasste Schulter nicht los. Dass sie befürchtet, Anna würde nicht mitgehen, ist nicht der Grund. Der wird sofort klar, als die Professorin im Gehen erläutert: »Ich will dich nicht in Verlegenheit bringen. Manche Schüler könnten dich anfeinden oder gar mobben, wenn sie sehen, wie du fast freundschaftlich neben mir hergehst.« Ihr entschuldigendes Lächeln wirkt fast schüchtern.

      »Das ist für mich kein Problem. Du bist unsere Leiterin im Schachclub. Wir verkehren in der Bibliothek für alle sichtbar freundschaftlich miteinander. Und außerdem sind wir nicht nur Freunde, sondern auch Verbündete. Und das ist der Grund, warum ich dich sprechen muss.«

      »Schsch. Bitte warte, bis wir nicht belauscht werden können! Sobald wir bei Iain Raven sitzen, unterhalten wir uns.« Im Weiterlaufen gibt die Professorin nun doch Annas Schulter frei. Die erstaunten Blicke entgegenkommender Schüler drücken widersprüchliche Gedanken aus, doch darauf achten weder Morwenna noch das Mädchen. Beim Büro des Schulleiters angekommen, treten beide durch die erste Tür. Die Professorin öffnet, ohne anzuklopfen, die zweite Eichentür in das Büro und beginnt bereits im Eintreten zu reden. »Iain, Anna weiß über das Geheimnis des … Iain? Wo steckst du?«

      Der Raum scheint leer zu sein, doch das ist er nicht. Ein heftiges Schnaufen ist hinter einem Sessel zu vernehmen, aus dem sich jetzt der Schulleiter erhebt.

      »W… was ist los? Ach, Morwenna und Anna! Hm. Sind wir hier verabredet? Ich meinte, wir hätten gestern Nacht alles Wesentliche erörtert.« Sein Blick ist fragend auf seine Besucher gerichtet. Er war offenbar im Sessel eingeschlafen, deshalb wiederholt die Bibliothekarin ihre ersten Worte.

      »Anna weiß Bescheid, sie kennt das Geheimnis des Haselbusches.« Sofort korrigiert das Mädchen diese Behauptung.

      »Das ist so nicht richtig. Ich sagte, dass mir etwas Wichtiges eingefallen sei, wonach ich verzweifelt suchte. Es geht um das Geheimnis des Haselbusches.«

      »Hm«, beginnt der Schulleiter, »das ist nicht das Gleiche«, und blickt seine Besucherinnen abwechselnd an.

      »Da war ich wohl etwas voreilig«, räumt die Professorin ein. »Das liegt vermutlich daran, dass ich gerade heute Morgen Wichtiges entdeckte, und das dreht sich um ein Buch.« Verlegen und leicht beschämt über ihre unbedachte Reaktion setzt sie sich in einen der vor dem Kamin stehenden Sessel. »Ich habe uns jetzt vermutlich völlig unnötig um das Frühstück gebracht. Kannst du mir verzeihen?« Ihr Blick sucht den von Anna.

      »Es gibt nichts zu verzeihen. Ich hatte einen fürchterlichen Traum und direkt danach besuchte mich Ainoa. Das war gegen Morgen. Die Elfe teilte mir Ereignisse mit, die im Zusammenhang mit der Suche nach Informationen wichtig sein könnten. Im Anschluss suchte ich nach etwas, was mir absolut nicht einfallen wollte. Es handelt sich um das Geheimnis des Haselbusches, nach dem der Cythraul offenbar forscht. Ich vermute, dass er Seid Greif ist, aber das wird Ainoa bei Katherin zu klären versuchen. Möglicherweise müssen wir zusammen in den Norden reisen, um das zu überprüfen.«

      »Nun, nun«, beginnt Iain Raven, »es ist vermutlich besser, wenn du uns zuerst berichtest, was ihr, Ainoa und du, besprochen habt. Bisher verstehe ich nicht, worum es geht.«

      »Aber, habe ich das nicht bereits …?« Anna blickt die Erwachsenen an und nickt. »Stimmt. Ich bin wohl etwas durcheinander.« Sie atmet bewusst ein und aus und versucht dann, das Gespräch in den wesentlichen Bestandteilen wiederzugeben. Anschließend fasst sie zusammen. »Ich wollte dich, Morwenna, fragen, ob dir etwas über ein Geheimnis des Haselbusches bekannt ist. Wenn der Cythraul sich derart auffällig verhält und seine Kenntnisse daher rühren, dass er aus unserer Welt stammt, muss darüber etwas in der Literatur zu finden sein. Wichtig scheint mir, herauszubekommen, weshalb die Steinkreise bedeutend sein können.«

      Der Schulleiter wirft einen Blick auf die große Uhr, die an einer Wand hängt.

      »Anna, hast du heute keinen Unterricht? Du kommst längst zu spät.«

      »Aber …«

      »Keine Widerrede. Du kommst heute Nachmittag gegen drei Uhr erneut hierher. Morwenna wird dann ebenfalls hier sein und uns berichten, was sie so früh am Tag entdeckt hat.« Als diese zustimmend nickt, springt das Mädchen widerstrebend auf.

      »Na


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