Die Witwe und der Wolf im Odenwald. Werner Kellner
mit seiner Tochter bei ihr eingezogen ist“, ergänzte der Syndikus. Er hatte seine Spürhunde schon auf die drei angesetzt, um die Möglichkeiten für eine Einschüchterung auszuspähen. Das Ganze klang ausbaufähig, wie er schmunzelnd hinzufügte.
Zusammengefasst erklärte der Syndikus das Risiko für nicht unerheblich, dass umfassende behördliche Strafmaßnahmen gegen die Seniorenoase und deren Geschäftsverantwortliche sowie das Aufheben der Steuerbefreiung oder im härtesten Fall die Schließung der Heime verhängt werden könnten. Das würde naturgemäß auf die operativen Geschäftsfelder der ‚Gesellschaft‘ durchschlagen, wie den Vertrieb von Opium Derivaten genauso wie die Edel-Prostitution mit sehr jungen Damen. Und es beträfe den großflächigen Menschhandel ganz allgemein, mit dem sie Asylsucher und billige Saisonarbeiter aus den osteuropäischen Staaten für die Spargel- und Apfelernte oder das Baugewerbe ausbeuteten.
Vitali, der Boss der ‘Gesellschaft’, nahm den Bericht aufmerksam zur Kenntnis und richtete an die beiden hinter den hessischen Bildschirmen die Frage, „ich habe eure Bedenken verstanden, was schlagt ihr jetzt konkret vor, um das Risiko aus der Welt zu schaffen“.
Außerdem ließ er sich zu einem knappen Statement bezüglich seines Streits mit Oliver Wolff und über dessen ungenehmigte Nebentätigkeit hinreißen, „bis zu meinem nächsten Besuch im Stiftungsheim Jungbrunnen möchte ich ein Ende dieser dämlichen und plump inszenierten Einbruchserie sehen, die unser aller Existenz gefährdet“.
Der Syndikus versprach, sich mit Oliver kurzzuschließen, und sich umgehend zurückmelden. Vitali knurrte ein Okay und warnte davor, er würde höchstpersönlich seinen Sicherheitsdienst losschicken, um reinen Tisch zu machen.
Konkret gefragt, wie er die Gefährder der Stiftung ausschalten wollte, schlug der Syndikus vor, mit Entführungen und Gewaltandrohungen zu arbeiten. Die beiden Mädels, das heißt Georg Jährlings Tochter und Steffi Schwaiger, wären optimale Entführungsopfer, und es sollte ein Leichtes sein, die Hauptakteure mit einigen unfeinen Drohungen auf ihr familiäres Umfeld gefügig und mundtot zu machen.
Vitali waren Warnungen allein zu wirkungslos, „ihr wisst, ich bin ein Freund von effektiven Maßnahmen. Das setzt voraus, dass die Störenfriede entweder massive physische Schmerzen am eigenen Leib erlitten oder um Leib und Leben ihrer entführten Liebsten fürchten sollten. Diese Kerle werdet ihr nur durch hartes Vorgehen zum Schweigen bringen“.
Leonid, der bisher geschwiegen hatte, meldete sich zu Wort und seine Handbewegung unterstrich, dass er immer noch immer einen sauberen Auftragsmord als alternativlose Lösung ansah.
„Leonid, die Zeiten, den beiden eine Kugel in den Kopf zu jagen, sind vorbei und außerdem ist es dafür schon zu spät“, wandte sich der Syndikus an den Boss.
Der knurrte nur und sagte, dass die Drohungen schon extrem sein müssten, um das gewünschte Ergebnis sicherzustellen. „Wie wäre es, wenn ihr diesen Journalisten in einen gut gemachten Selbstmord treibt? Der wäre dann an den Spätfolgen seines Afghanistantraumas gestorben, wenn man es nur richtig anpackt. Den Übrigen auf eurer Gefährderliste könnte man ja gezielt Warnungen als Abschreckung zukommen lassen?“
Maxim widersprach, denn bei unklaren Todesfällen von Investigativ-Reportern wäre für die Polizei nichts naheliegender als deren letzte Ermittlungen oder Veröffentlichungen zu untersuchen und die notwendigen Schlüsse zu ziehen. Er wies darauf hin, dass Behörden hierzulande eher in geringem Umfang bestechlich und erpressbar wären. Deshalb wäre das keine so gute Idee, und die Heimleitung hätte in einem solchen Fall sofort die Kripo am Hals.
Hier vor Ort, verteidigte Maxim seine Linie, müsste man die beiden Letzteren sicherlich sehr hart einschüchtern, um eine Wirkung zu erzielen. Und mit dem richtigen Hebel könnte man die Einschüchterung beliebig lang aufrechterhalten. Die Opfer wären dann immer unter Kontrolle, das sollte also auch kein Problem sein.
„Meine Freunde, es gibt da, was Frauen anbelangt, noch einen anderen Weg, der außerdem Spaß macht, um ein unbefriedigtes Weib als Bedrohung für unser Geschäft zu eliminieren. Ich brauche maximal vier Wochen und das Problem ist erledigt“, prahlte Frank Koch mit seiner Erfahrung als ausgebuffter Womanizer.
Der Vorschlag kam in der Tat weniger gut an. Franks Anspruch, nicht nur ein Frauenversteher, sondern darüber hinaus auch ein Frauenzähmer zu sein, disqualifizierte ihn in den Augen der Mitbrüder. Die schätzten vielmehr die Disziplin, Härte und Brutalität, anstelle weicher Verhandler, die auf emotionale Druckmittel setzten. Frank hingegen konnte es nicht sein lassen und war sogar stolz auf seine Referenzliste an Opfern, die er mit sanfter Gewalt gefügig machte.
Vitali war extrem unzufrieden und würde im Nachgang zur Videokonferenz mit seinem Syndikus ein ernstes Wort reden, um Frank Koch auf die Finger zu schauen.
Nach einer Denkpause und einer leisen Unterhaltung mit Leonid stimmte Vitali letztlich dem Entführungsvorschlag unter der Bedingung zu, dass sich das Problem innerhalb von ein paar Wochen lösen ließe. Ansonsten wäre ein härteres Vorgehen angezeigt. Leonid nickte bloß.
Damit wandten sie sich der finanziellen Situation des Heimes zu, sowie den übrigen Geschäften, und die Bilanz fiel ziemlich ernüchternd aus. Vitali forderte mit harschen Worten ein kurzfristiges Programm an, und er war der Meinung, gerade die allgemeine Unruhe im Zusammenhang mit Corona sollte ihnen auch die Gelegenheit geben, spezielle Geschäftsfelder expandieren zu lassen. Seine beiden Gesprächspartner bestätigten, dass sie dabei wären, neue Einnahmequellen zu erschließen, und sie würden bei seinem nächsten Besuch, sicherlich schon Erfolge vorweisen können.
Damit endete die Videokonferenz.
Kapitel 7
Der Herzbube, geboren 30.6.1975 in Groß-Umstadt, alias Frank Koch betreibt eine eigene Webseite. Er rühmte sich als diskreter Gentlemen-Begleiter für alle Wünsche von Damen mit Niveau und einem Bedürfnis nach einer starken Schulter und gehobener lusterfüllter Unterhaltung. Seine Rolle passte er einfühlsam der Persönlichkeit der Kundin, dem Anlass sowie ihren expliziten Wünschen an. Unter dem Motto: was auch immer ‚ihre‘ Fantasie beflügelt, ‚ihr‘ Selbstwertgefühl stärkt oder was „sie“ sich noch nie getraut haben auszusprechen, der „Herzbube“ versprach unvergessliche Momente.
Michelstadt, Samstag, 8.8.2020, 20:00 Uhr
Frank Koch war ein Bild von einem Mann, und man sah ihm wirklich nicht an, wie biestig er sein konnte. Körperlich imposant und beeindruckend war er nicht nur von seiner Manneskraft überzeugt, sondern auch von seiner mentalen Fähigkeit Macht und Kontrolle über Frauen auszuüben.
Seinem Profil aus einer gefährlichen Kombination von Charme, Machomanier und narzisstischer Brutalität lagen mehr Frauen zu Füßen, als er je abarbeiten konnte. Diese Einstellung und seine beachtliche Erfolgsquote und nicht zuletzt sein überbordendes Ego zwangen ihn geradezu im Nachgang zu der Videokonferenz mit seinem Boss und seinen Geschäftspartnern, seine Fähigkeiten als unbezwingbarer Beherrscher und Manipulator der weiblichen Seele zu beweisen.
Dieses Ego ließ nicht zu, dass sie über sein Angebot noch nicht einmal bereit waren zu diskutieren. Er würde ihnen zeigen, mit welch einfachen Mitteln er imstande war, die Bedrohung durch diese unbedeutende Steffi Schwaiger auszuschalten, ohne gleich eine gewalttätige Entführung oder gar die gezielte Tötung einer unliebsamen Person zu planen. Dass er Steffi Schwaiger ganz gut kannte, hatte er seinen Partnern nicht mitgeteilt, damit er seinen Triumph im Erfolgsfall besser verkaufen konnte.
Dabei war ihm die gezielte Gewaltanwendung gegen unliebsame Begegnungen, egal ob mit oder ohne persönlichen Grund, keineswegs fremd. Es war nur nicht seine bevorzugte Methode, um seinen Willen durchzusetzen. Er war zeitlebens, als er bei der ‚Bratwa‘ Karriere machte und sich vom einfachen Drogenkoch zum gefürchteten Kapitän hochgearbeitet hatte, der mittlerweile für das europäische Drogengeschäft in Reinform und von Derivaten im medizinischen Bereich zuständig war, ein Mann der Tat. Und normalerweise überlegte er auch nicht lange, wenn es um die Durchsetzung seiner Ziele ging. Aber die erste Wahl in seiner