Die Witwe und der Wolf im Odenwald. Werner Kellner

Die Witwe und der Wolf im Odenwald - Werner Kellner


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ihn, dass ihm jemand aus der Organisation zuvorgekommen sein könnte. Dass jemand auf eigene Faust operierte, hielt er für extrem unwahrscheinlich, und der Boss hätte niemals eine Vergewaltigung seiner verräterischen Frau angeordnet, das hätte er sich höchstens selber vorbehalten. Auch die Summe der Gewalteinwirkung überrascht ihn, da hat sich jemand ausgetobt, denkt er, das war keine professionelle Tat, wie sie von einem Auftragskiller der ‚Bratwa‘ ausgeführt worden wäre.

      Er wartete noch eine Weile, bis er sicher war, dass es sich tatsächlich um die Frau handelte, die er hätte entführen sollen. Als er sicher war, verschwand er so, wie er gekommen war. Seit seiner Ankunft waren höchstens zwanzig Minuten vergangen.

      Um 19:15 Uhr rief er den Boss an und erstattete Bericht. Der Boss, der einen tief betroffenen Eindruck auf ihn machte und energisch verneinte, jemand anderes mit der Erledigung beauftragt zu haben, wies ihn schroff an, sofort nach S. Petersburg zurückzufliegen.

      Vorher sollte er aber noch beim Maulwurf vorbeischauen, und ihm Gelegenheit zu einer Beichte zu geben. Denn der war der Einzige, der außer ihrem Beschützer die Wohnung und den Aufenthaltsort kannte.

      Die Stimme vom Boss klang jetzt nicht mehr betroffen, sondern war kalt. Der ‚Wolf‘ war natürlich mit den Feinheiten moderner Foltermethoden vertraut, um selbst hartgesottene Typen zum Singen zu bringen. Er benötigte nur die Zugangsdaten zum Domizil des Oberstaatsanwaltes. Er bestätigte den Auftrag und würde mit einem kleinen Umweg über Frankfurt zum Flughafen zurückfahren.

      Er verließ die Tiefgarage und achtete bei der Rückfahrt darauf, nicht verfolgt zu werden. Er überlegte, dass für die Aktion die Polizeiuniform, die er trug, sogar hilfreich wäre, falls ihn jemand am Haus sah. Der Oberstaatsanwalt würde bei seinem Anblick verblüfft sein.

      Da er bis zu seinem Besuch in der Villa des Maulwurfes in Sachsenhausen noch einige Stunden Zeit hatte, steuerte er den Van auf einen Parkplatz am Henninger Turm und gönnte sich für fünf Stunden lang einen Entspannungsschlaf. Bis ihn sein Weckalarm in die Realität zurückholte.

      Er betrat kurz nach 02:00 Uhr nachts die Villa durch die Terrassentür, die er lautlos öffnete. Obwohl er das Haus nie betreten hatte, war er mit allen Details bestens vertraut. Er ging zielstrebig in das Schlafzimmer der Ehefrau, betäubte sie nicht nur mit Chloroform, sondern zusätzlich mit 3ml Midazolam intravenös. Die hatte er eigentlich für sein nicht mehr vorhandenes Entführungsopfer vorgesehen, aber hier konnte er das Mittel auch gut gebrauchen.

      Als er das Schlafzimmer des getrennt von seiner Frau schlafenden Maulwurfs betrat, fixierte er diesen und behandelte ihn mit den Nettigkeiten seiner Folterkammer, um ihn zum Reden zu bewegen. Als Erstes verlangte er die Herausgabe seiner Dienstwaffe, einer Sig-Sauer-225, wie sie die hessische Polizei standardmäßig verwendet. Die Waffe lag, noch nicht einmal eingeschlossen, griffbereit in der Nachttischschublade.

      Leider regte sich der Maulwurf so darüber auf, dass der ‚Wolf‘ begann sich Sorgen um die Gesundheit des Maulwurfs zu machen. Er stritt vehement ab, einen eigenen Auftragskiller mit der Beseitigung der Zeugin beauftragt zu haben. Er hätte mit der ganzen Sache nichts zu tun und er wusste auch nicht, dass und wohin das Opfer verschwunden war. Der ‚Wolf‘ stellte frustriert fest, dass er aus ihm nichts über den Aufenthaltsort seines Entführungsopfers herausbekommen würde. Er steckte ihm den Lauf seiner Dienstwaffe in den Mund und jagte ihm eine Kugel durch den Kopf. Dann ging er ins Schlafzimmer seiner Ehefrau und erschoss sie ebenfalls. Dann löste er die Fesselung des Maulwurfs und deponierte die Waffe auf dem Boden unter dem schlaff herabhängenden Arm des toten Oberstaatsanwaltes, nachdem er ihm die Waffe in die Hand gedrückt hatte.

      Er loggte sich mit dem Zeigefinger des Toten in dessen Handy ein und checkte die letzten Nachrichten.

      Er fand einige SMS, die der Oberstaatsanwalt mit einem Foto der lebenden Verräterin und ihren Koordinaten an zwei Adressaten verschickt hatte, von denen er nur den ersten kannte. Das war die Nummer vom Syndikus, der sie an den Boss weitergeleitet hatte. Die zweite mobile Nummer stammte von einem Provider für Prepaid-Karten und würde sich vermutlich nur schwer rückverfolgen lassen.

      Eine SMS von dieser Telefonnummer hatte der Oberstaatsanwalt erhalten mit einer sehr kurzen Textnachricht.

      „Alles erledigt.“ Der Zeitstempel der SMS lautete 15.10.2009, 18:17 Uhr.

      Der ‚Wolf‘ setzte seinerseits eine SMS ab und leitete alle SMSen auf dem Handy des Maulwurfs an seinen Auftraggeber weiter.

      Der Empfänger der SMS schäumte vor Wut. Er verfluchte alle, die er mit dem Verschwinden seiner Frau in Verbindung brachte. Angefangen von dem dämlichen Fahrer des Transporters, der wegen einer Pinkelpause seiner Geliebten den Halt an der Tankstelle eingelegt hatte, an der es zu dem Schusswechsel mit der Polizei kam. Er schwor, er würde keine Ruhe geben, bis er die Hauptschuldigen gefunden und alle bei lebendigem Leib begraben hätte.

      Der ‚Wolf‘, auf dessen erfolgreiche Umsetzung seiner Befehle der Anführer so gehofft hatte, war im Begriff das Objekt des Oberstaatsanwalts zu verlassen, nachdem er noch die übrigen Räume durchsucht hatte.

      Der Sohn des Maulwurfes war nicht in der Wohnung, und so fuhr er direkt zum Flughafen. Dort gab er den gemieteten Transporter zurück und druckte sich am Online-Ticket Counter das Flugticket und die Bordkarte für den Rückflug nach St. Petersburg aus, den der Buchhalter der ‘Gesellschaft’ für ihn gebucht hatte. Im Flieger machte sich der Überbringer der schlechten Nachricht Sorgen, ob er wohl trotzdem sein Honorar bekäme.

       Buch 2 Das Heilbrünnlein

      

       Odenwald Chronik …[Fußnote 4]

       Angeblich hatte eine Einsiedlerin um das Jahr 300 nach Christi die Heilbrünnlein entdeckt. Lange Zeit war die Quelle in Vergessenheit geraten, bis findige Heiler im Mittelalter das Wissen wiederentdeckten und die Quelle zu einem Ort ausbauten, zu dem viele Leute kamen, um sich die ewige Jugend und Lebensfreude zurückzuholen. Die Agilität der Senioren im Odenwald und ihr fröhliches Leben lassen den Schluss zu, dass von dem Wasser auch heutzutage noch reger Gebrauch gemacht wird. Und dass das Wasser tatsächlich über Kräfte verfügt, die heilen, zur Lebenslust anregen und jung erhalten.

      

       Die Seniorenoase Jungbrunnen, wird von einer Stiftung gleichen Namens betrieben und liegt mitten im Odenwald, am Marbachstausee, in landschaftlich wunderschöner Lage. Diese Einrichtung bietet vor allem Seniorinnen und Senioren, welche allein sind und sich Geselligkeit und gemeinsam erlebte Lebensfreude wünschen, die optimalen Bedingungen ein Wiedererwachen ihrer Lebenslust zu erleben. Sie fühlen sich jung und fit und gesund. Mit Heilwasser und unserem liebevollen Service erwecken wir ein nachhaltiges Frühlingserwachen auch für nicht mehr so fitte Personen des dritten Lebensabschnittes bis hin zu denen, welche auf eine umfangreiche Rund-um-die-Uhr-Pflege angewiesen sind. Ausschnitt aus der Web-Seite: Seniorenoase Jungbrunnen.

       Kapitel 6

       Vitali Klimachow, geboren 18.10.1947 in Podolsk, ledig, seit 1965 Mitglied der ‚Bratwa‘, Jura Studium in Moskau, Straflager in Wologodski Pjatak wegen Mordes, Spionagedienst der ‚Bratwa‘ in St. Petersburg. Seit 1990 Nummer 1 und Anführer der ‚Bratwa‘ mit dem Rufnamen ‚Boss‘ agiert seit 2000 von der Operationsbasis in Kaliningrad. Stifter der Stiftung Jungbrunnen, welche offiziell diverse Seniorenheime und Rehaeinrichtungen für Atemwegserkrankungen und inoffiziell Drogen- und Menschenhandel und Bordelle betreibt.

       Videokonferenz, Freitag, 7.8.2020

      Versteckt unter dem Mantel einer Stiftung, die als ‚Jungbrunnen‘ im Stiftungsregister am Standort Dieburg eingetragen ist, betreibt seit Jahren die ‚Gesellschaft’ ihre illegalen Aktivitäten. Diese ‚Gesellschaft‘, welche als Bruderschaft genannt ‚Bratwa‘


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