BonJour Liebes Leben. Rose Hardt

BonJour Liebes Leben - Rose Hardt


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endlich diesen Weiberheld!“ Fast drei Jahrzehnte war ich mit so einem Exemplar verheiratet, das braucht keine Frau ein zweites Mal. „Wer ist denn schon Henning!“, grummelte sie verärgert vor sich hin. Angetrieben von einer nie überwundenen Eifersucht schlug sie die Terrassentür zu, gleich so, als könne sie ihre Gedanken, ihre Gefühle draußen lassen.

      Doch kaum, dass sie im Bett lag, ihre Augen geschlossen waren, war Henning in seiner ganzen Pracht – so wie sie ihn damals kennen- und liebenlernte – wieder präsent. Sie sieht sein Gesicht, sieht den Glanz in seinen dunklen Augen, hört seine Worte und wird von seiner Stimme wohlig berührt, und nein, sie konnte einen längeren Ausflug in jene Zeit nicht unterdrücken. Spontan fiel ihr wieder Rilkes Liebes-Lied ein. Leise zitierte sie die erste Zeile ins Kopfkissen:

      „Wie soll ich meine Seele halten, dass sie nicht an deine rührt?“

      Am nächsten Morgen saß sie am Frühstückstisch und noch immer schwebten die Träume der Nacht, eingehüllt in den bittersüßen Duft der Erinnerung, über ihr. „Es ist schrecklich, fast ein wenig ungerecht, wie schnell die Zeit vergeht“, sagte sie zu Frida, die ihr gegenübersaß und routinemäßig in der Tageszeitung blätterte. Kurz lugte Frida hinter der Zeitung hervor, setzte zum Sprechen an, doch dann schienen ihr die Worte zu fehlen und es blieb nur bei einem verlegenen Lächeln. Beschämt vertiefte sie sich wieder in die Tagesthemen – augenscheinlich jedenfalls, denn Charlotte bemerkte, dass sie keine Brille trug. Doch bevor sie sich weiter mit Fridas Gesundheitszustand befassen konnte, läutete es an der Wohnungstür.

      Lilo öffnete die Tür und sagte mit übertriebener Höflichkeit: „Guten Morgen, Herr Grafenberg. Welch angenehmer Besuch und sooo früh!“

      „Guten Morgen, Lilo. Lilo, wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, dass sie nicht darüber zu urteilen haben, wann ich komme oder gehe … das steht Ihnen nicht zu!“

      „Jawohl, Herr Grafenberg“, hörte sie Lilo sagen, die sich im Grunde einen Deut darum scherte, was Ludger Grafenberg zu ihr sagte oder anordnete.

      „Einen wunderschönen guten Morgen meine Damen! Ach, ist das nicht ein herrlicher Morgen“, schwärmte er, klatschte dabei in die Hände und rieb sie genüsslich.

      „Guten Morgen“, sagte Frida, und ohne ihren Blick von der Zeitung abzuwenden, hielt sie ihm die Hand entgegen.

      Wahrscheinlich war ihr wieder entfallen, dass er ihr Sohn war.

      Ludger nahm ihre Hand, umschloss sie fürsorglich und sagte: „Guten Morgen, Mutter. Hattest du eine ruhige Nacht?“

      Frida verzog keine Miene, stattdessen entzog sie ihm abrupt ihre Hand.

      Er erwartete auch keine Antwort, sondern wandte sich sogleich Charlotte zu. Er küsste sie links und rechts auf die Wange, schenkte ihre einen langen und schmachtenden Blick und sagte: „Ganz bezaubernd siehst du heute wieder aus … ja, ganz bezaubernd.“

      „Danke, Ludger“, dabei fand sie seinen aufgesetzten Schmus heute besonders unangenehm, und gerade seit Gustavs Tod waren seine Bemühungen um sie weder zu überhören noch zu übersehen. „Was führt dich so früh am Morgen her?“, fragte sie sachlich, um ihm keinen Nährboden für weitere Avancen zu bieten.

      Was er natürlich bemerkte. Leicht pikiert über ihre Reserviertheit antwortete er: „Wir müssen reden! Außerdem benötige ich noch dringend einige Unterlagen für die Steuererklärung …“

      „Ja, ja! Nun setz dich erst einmal“, unterbrach sie ihn, „und trink in aller Ruhe einen Kaffee mit uns, danach können wir immer noch über das Geschäftliche reden.“

      „Meine liebe Charlotte“, sagte er wichtigtuerisch, „die Angelegenheit ist äußerst dringlich. Die Verlängerungsfrist endet nächste Woche“, echauffierte er sich, „und das Finanzamt, meine Liebe, versteht keinen Spaß ...“

      „… gleich nach dem Frühstück gehen wir in Gustavs Büro“, unterbrach sie ihn erneut, „da kannst du dir die entsprechenden Unterlagen raussuchen.“

      Lilo war zwischenzeitlich mit einem Kaffeegedeck gekommen. „Für Sie, Herr Grafenberg“, sagte sie und stellte das Gedeck so unsanft auf den Tisch, dass es kurz aufschepperte, woraufhin sie auch gleich einen strafenden Blick von ihm erntete. „Kaffee steht da“, fügte sie knapp an, wobei sie mit der Hand auf die Kaffeekanne verwies, dann warf sie den Kopf zur Seite und machte sich geschwind wieder in die Küche.

      Charlotte konnte gerade noch einen Lacher unterdrücken, griff nach ihrem großen Kaffeebecher und schlürfte – wohlwissend ihre Häme gut dahinter versteckt – genüsslich an dem heißen Milchkaffee.

      Kopfschüttelnd kommentiere Ludger: „Also ich finde diese Lilo ist eine unverschämte Person. Wenn ich dir einen guten Rat geben darf, so solltest du dich von ihr trennen. Wenn es dir recht ist, ich meine … ich will mich ja nicht aufdrängen“, sagte er sich einschmeichelnd, „so kann ich gerne für einen adäquaten Ersatz sorgen.“

      „So, findest du!“ Wieder so ein gut gemeinter Ratschlag, dachte sie leicht genervt und setzte die Tasse, gemäß ihrem Empfinden laut auf der Untertasse ab.

      „Ja, meine Liebe, du bist jetzt“, kurz lachte er auf, „wie soll ich’s formulieren“, fürsorglich tätschelte er ihre Hand, „so ganz ohne männlichen Beistand und solche Individuen, wie diese, diese Lilo“, sagte er abwertend, „sind bekannt dafür, dass sie ihre Grenzen überschreiten. Gerade aus meinem Berufsalltag, na, da könnte ich dir so einige Geschichten erzählen – und die, die nahmen kein gutes Ende.“

      „Lieber Ludger, was würde ich nur tun, wenn ich dich nicht hätte“, spöttelte Charlotte.

      „… dann würde es uns richtig gutgehen“, ergänzte Frida laut und streckte dabei den Kopf hinter der Zeitung hervor, anschließend sah sie sich suchend um und rief: „Lilo, wo ist mein Sohn?“

      Lilo kam herbeigeilt, „Frau Frida, was ist denn geschehen?“

      „Haben Sie meinen Sohn gesehen? Wo ist er?“

      „Ihr Sohn? Aber da ist doch Ihr Sohn!“, erstaunte sich Lilo.

      Alle sahen zu Ludger.

      „Nein, das ist nicht mein Sohn, das ist nur der Besuch, und der, der möchte gehen!“ Mit Nachdruck legte sie die Tageszeitung auf den Tisch, warf Ludger einen mürrischen Blick zu und schüttelte dabei energisch den Kopf.

      „Aber Mutter, ich bin doch auch dein Sohn!“, echauffierte sich Ludger, „ich bin‘s doch … Ludger! Erkennst du mich denn nicht mehr?“, enttäuscht, dass seine eigene Mutter ihn nicht mehr erkannte, wurde er ganz blass um die Nase.

      Mittlerweile hatte sich Lilo der alten Dame angenommen, „alles ist gut, Frau Frida, wir werden gleich einen Spaziergang zum Friedhof machen und bei der Gelegenheit besuchen wir Ihren Sohn“, ergänzte sie hämisch grinsend, und während sie sich bei der alten Dame unterhakte, sagte sie schnippisch: „und der Besuch geht wann er will! Nicht wahr, Herr Grafenberg“, anschließend warf sie triumphierend den Kopf in den Nacken.

      „Eine äußerst impertinente Person“, knurrte Ludger in den Bart, „aber so was von …“ Die Blässe war aus seinem Gesicht entschwunden, stattdessen glühten jetzt seine Wangen vor Wut.

      Und obwohl auch Ludger ihr Sohn war, schien Frida ihn aus ihrem Gedächtnis verbannt zu haben. Vielleicht war es damit zu begründen, dass Gustav, als Erstgeborener, mit dem Vornamen seines Vaters ausstaffiert wurde, oder weil er das Ebenbild ihres verstorbenen Mannes war.

      Bei Ludgers Anblick musste Charlotte erneut an sich halten.

      „Wenn Gustav noch am Leben wäre“, fügte er zähneknirschend an“, so hätte er diese Lilo längst rausgeschmissen.“

      „Ah … Gustav … Gustav!“, empörte sie sich, „Gustav ist nicht mehr unter uns, und nur, dass du es weißt, ER gehört ab sofort der Vergangenheit an – Punkt!“

      Für diesen Ausspruch erntete sie einen strafenden Blick. „Also ich muss mich doch sehr wundern,


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