Abenteuer in Alex. Yennifer Woods
hältst du davon, wenn wir unsere Fahrräder holen und ein bisschen die Gegend auskundschaften«, antwortete ich. Ellen war natürlich mit meiner Idee einverstanden.
Wir wollten ins nächste Dorf, das Makri hieß, fahren und uns dort mal ein wenig umschauen. Nachdem wir uns umgezogen hatten, radelten wir los. Die Straße dahin war sehr eng und kurvig und wir waren froh, als wir endlich die ersten Häuser sahen. Strahlend weiß mit roten Dächern lagen sie an einem Hügel. Eigentlich kannten wir das Dorf ja schon dadurch, dass wir immer mit dem Auto durchfahren mussten, um nach Hause zu kommen. Aber so mit dem Rad war das etwas ganz anderes. Es war früher Nachmittag als wir auf den Dorfplatz fuhren. Die Cafés, die die Platia (den Dorfplatz) umrundeten waren nur spärlich gefüllt. Um diese Uhrzeit hielten die meistens Einheimischen wegen der großen Hitze ihren Mittagsschlaf. Die wenigen, die der Hitze trotzten und ihren Frappé (kalter Kaffee, das Kultgetränk schlechthin in Griechenland)oder ihren Ouzo genossen, starrten uns an. Neue Gesichter in unserem kleinen Dorf, schienen sie wohl zu denken. Ellen und ich sahen auch eher wie die Kinder von Touristen aus, so blond und blauäugig wie wir waren. Wir nahmen Kurs auf einen kleinen Kiosk am Rande des Dorfplatzes und holten uns erst einmal ein Eis. Damit setzten wir uns auf eine Bank unter einer großen Pappel.
»Welche Richtung wollen wir einschlagen«, fragte Ellen mich. Es gab drei Richtungen. Eine Straße führte in Richtung Alex, die andere zum Hafen und die dritte wieder zurück nach Hause.
»Wie wäre es wenn wir mal runter zum Hafen fahren«, schlug ich vor. Ellen war mit meinem Vorschlag einverstanden und so fuhren wir weiter, nachdem wir unser Eis gegessen hatten.
Die Straße zum Hafen ging steil bergab. Es machte richtig Spaß mit dem Fahrrad dort hinunter zu fahren. Nach etwa zehn Minuten hatten wir unser Ziel erreicht. Der kleine Hafen erstreckte sich malerisch vor uns. Er lag in einer kleinen Bucht, die umgeben von Felsen war. Die Kaimauer schützte die bunten Boote vor dem offenen Meer. Hier herrschte trotz der großen Hitze ein reges Treiben. Männer liefen geschäftig hin und her und ab und zu fuhr eins von diesen kleinen lustigen bunten Booten an der Kaimauer entlang aufs offene Meer hinaus. Die Sonne stand noch sehr hoch am Himmel und das Meer glänzte azurblau. Nachdem wir uns gründlich umgesehen hatten, entschlossen wir uns wieder heimzufahren. Wir wollten zu Hause sein, bevor Mami und Papi wieder kamen. Schließlich hatten wir ihnen versprochen, uns noch ein bisschen um unsere Zimmer zu kümmern.
Der Rückweg war nicht so toll, da wir den ganzen Weg vom Hafen bis zum Dorfplatz gegen die Steigung ankämpfen mussten. Wir waren blitzschnell nass geschwitzt. Zum Glück stand auf der Platia ein kleiner Brunnen. Dort hielten wir noch mal an um uns zu erfrischen. Dann ging es zurück nach Hause. Wir fuhren wieder an den unzähligen Olivenbäumen entlang, die links und rechts die Straße säumten. Kurz vor unserer Hofeinfahrt stutzte ich. Da lag eine große weiße Plastiktüte auf der Straße. Wer hatte denn hier wieder seinen Müll entsorgt, dachte ich verärgert. Wenn wir alle eines nicht leiden konnten, dann war das Umweltverschmutzung. Wir wurden schon von klein auf von unseren Eltern angehalten, die Umwelt sauber zu halten und unseren Müll richtig zu entsorgen. Ich beschloss, die Tüte in unsere Mülltonne zu befördern. Also stieg ich ab, stellte mein Fahrrad an einen Baum und ging auf die Tüte zu. Plötzlich hielt ich inne.
»Ellen, die Tüte hat sich bewegt«, rief ich meiner Schwester zu.
»Das hab` ich auch gesehen. Was könnte das nur sein«, erwiderte sie. Und wieder raschelte die Tüte.
»Vielleicht ist es eine Schlange«, sagte Ellen ängstlich.
»Ach quatsch, wer packt denn eine Schlange in eine Plastiktüte«, entgegnete ich ihr. Irgendwie musste ich die Tüte von der Straße bekommen, bevor das nächste Auto kam. Beherzt griff ich zu. Wieder dieses Rascheln. Vorsichtig legte ich die Tüte am Fahrbahnrand wieder ab und begann sie zu öffnen. Sie war ziemlich gut verknotet. Ich zog und zerrte an dem Plastik und endlich gab der Knoten nach. Was wir dann sahen, verschlug uns die Sprache. Drei kleine Katzenbabys sahen uns total verängstigt an. Sie waren noch ganz winzig. Wir waren einfach nur sprachlos.
»Los Ellen, fahr schnell vor und öffne das Tor. Ich nehme die Kätzchen«, bat ich Ellen. Sie flitzte los. Mein Fahrrad würde ich später holen. Erst mussten wir diese kleinen Kätzchen hier versorgen. Vorsichtig griff ich nach der Tüte. Die kleinen Geschöpfe fingen an zu fauchen. Doch das beeindruckte mich wenig. Schließlich waren sie total verängstigt.
Ellen kam mir schon mit einem kleinen Karton entgegen, in den sie ein altes Tuch gelegt hatte. Prima Idee, dachte ich und vorsichtig legte ich die Kätzchen dort hinein. Die armen kleinen drängten sich verängstigt aneinander und sahen uns mit großen hellblau schimmernden Augen an. Eins war ganz schwarz, das zweite schwarz- weiß und das dritte grau- weiß. Wie herzlos mussten diese Menschen nur sein, die so etwas tun konnten. Ich war einfach nur wütend.
»Du Tina, was geben wir den kleinen denn zu fressen?«
»Ich weiß auch nicht so genau. Es ist besser, wenn wir auf Mami und Papi warten«, entgegnete ich. Sie nickte.
Mami und Papi ließen auch nicht mehr lange auf sich warten. Wir empfingen sie schon an der Haustür. Aufgeregt erzählten wir ihnen von unserem Fund. Dann zogen wir sie zu den Karton. Auch unsere Eltern waren fassungslos. Nachdenklich sah sich Papi die kleinen Kätzchen an. Er sprach laut aus, was ich auch schon gedacht hatte.
»Hoffentlich bekommen wir sie durch. Sie scheinen noch sehr klein zu sein. Wenn sie nicht selbstständig fressen können, haben wir ein Problem. Habt ihr schon ausprobiert, sie zu füttern?«
»Nein, wir wussten nicht wie«, antwortete ich. Wir hatten schließlich noch nie Kätzchen gehabt. Zum Glück wusste Mami Rat.
»Wir probieren es erst mal mit Milch«, schlug sie vor. Dann lief sie in die Küche.
»Papi können wir sie behalten?«, flehten Ellen und ich fast gleichzeitig. Papi grinste nur.
»Wir wollten uns doch sowieso Katzen zulegen, schon allein wegen der Mäuse«, meinte er. Die Zuversicht die Papi ausstrahlte, ließ uns hoffen, dass es die Kätzchen doch schaffen würden. Und da kam auch Mami mit einem Schälchen Milch aus der Küche. Vorsichtig stellte sie es im Karton ab. Die Kätzchen fingen schon wieder an zu fauchen. Doch auch Mami ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie tunkte ihren Finger in die Milch und ließ die Kätzchen daran schnuppern. Und dann, ganz vorsichtig fing das erste an, Mami den Finger abzuschlecken. Auch bei den anderen beiden klappte es. Langsam setzte Mami das erste Kätzchen direkt vor das Schälchen mit der Milch. Und siehe da, es fing an zu trinken. »Na also«, freute sich Mami.
»Und morgen holen wir Katzenfutter«, fügte sie lachend hinzu- Die Erleichterung war ihr ins Gesicht geschrieben.
Kapitel 4
Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Schließlich gab es an allen Ecken und Enden etwas zutun und so packten wir alle mit an. Auch Oma war für ein paar Tage zu uns gekommen, um Mami zu helfen das große Haus gründlich zu putzen. Sie war uns wirklich eine große Hilfe. Langsam aber sicher wurde es richtig gemütlich in dem riesigen Haus. Gardinen umrahmten die vorher so trostlos wirkenden Fenster, die jetzt geputzt waren. Die schönen, alten Terrakottafliesen leuchteten rötlich und im großen Hausflur hatten wir tolle Läufer ausgelegt, die Oma selbst gewebt hatte. Das Wohnzimmer war auch nicht mehr wieder zu erkennen. Nachdem Papi dem Raum einen neuen Anstrich verpasst hatte und Oma zusammen mit Mami alles blitzblank geputzt hatten, wurden unsere Möbel aufgestellt. Den Ehrenplatz neben dem Kamin bekamen unsere drei Kätzchen in ihrem neuen Katzenkorb, den Mami noch in der Stadt ergattern konnte. Es waren zwei Katzen und ein Kater, wie wir festgestellt hatten. Der Kater war pechschwarz, den nannten wir Toni. Das schwarz- weiße Kätzchen bekam den Namen Mausi und das grau- weiße den Namen Morgana. Der Kamin stand direkt neben der Terrassentür und so konnten die kleinen Kätzchen tagsüber auf der Terrasse spielen, denn die Türen waren den ganzen Tag weit auf.
Der erste Schultag rückte immer näher und je näher er kam, desto mulmiger wurde mir. Bis jetzt hatte ich die Gedanken rund um das Thema Schule verdrängt, doch Papi erinnerte uns daran, dass wir uns noch bis zum Ende der Woche anmelden mussten. Ellen hatte es gut, denn