Abenteuer in Alex. Yennifer Woods
wurde ich schon wieder rot. Aber das war bei mir ja nicht Neues.
»Guten Morgen, darf ich dir meine Schwester Ellen vorstellen«, antwortete ich. Er legte den Hammer bei Seite und kam auf uns zu. Dann gab er Ellen die Hand.
»Freut mich dich kennen zu lernen. Ich bin Nico«. Ellen grinste ihn an.
»Meine Schwester habt ihr dann wohl schon kennen gelernt«, fügte er hinzu.
»Ja«, sagte Maria, »aber ich muss euch jetzt allein lassen. Ich habe noch viel im Stall zutun. Bis später«. Sie winkte uns noch mal kurz und machte sich dann auf den Weg zum Stall. Mary stand am Zaun und schnaubte. Langsam ging ich zu ihr und streichelte ihre weichen Nüstern. Ellen hatte nicht so viel Scheu vor Pferden wie ich und klopfte Mary sofort ganz mutig den Hals.
»Na, Mary freut sich aber über euren Besuch. Sie kann von Streicheleinheiten sowieso nicht genug bekommen. Ich bin hier sofort fertig und dann zeige ich euch den Hof«, meinte Nico lächelnd. Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Er hatte nur eine kurze Jeans an. Sein Shirt hing über dem Zaun. Der Schweiß tropfte von seiner Stirn, während er die letzte Querlatte befestigte. Nach einigen kräftigen Hammerschlägen war er fertig.
»So, in Ordnung. Kommt mit, wir fangen hinten bei der großen Koppel an«, rief er und zog sich sein Shirt über.
Die große Koppel lag direkt am Hang des kleinen Hügels. Hier und da standen einige knorrige Bäume, die ein wenig Schatten vor der sengenden Sonne spendeten. Zum Glück hatten die Pferde auch Unterstände, die für reichlich Schatten sorgten. Auf der Koppel standen etwa fünfzehn Pferde. Auf der rechten Seite, nahe beim Zaun verlief ein kleiner Bach, aus dem die Pferde nach Belieben ihren Durst löschen konnten. Zwei der Pferde verließen das kleine Grüppchen und kamen langsam zu uns herüber. Ich sah mir die Pferde etwas genauer an. Auf mich wirkten sie sehr alt und müde, nur konnte ich das nicht wirklich beurteilen. Die Flanken waren eingefallen und das Fell sah stumpf und ungepflegt aus.
»Das sind Zeus und Athena«, hörte ich Nico sagen. Ellen sprach aus, was mir auch mir auf der Zunge lag.
»Die sehen aber schlecht aus, so abgemagert und ungepflegt«.
»Die beiden sind erst seit einer Woche bei uns«, hörte ich Nico sagen. Verständnislos sah ich ihn an. Wie konnte man nur so abgemagerte, verwahrloste Pferde kaufen, dachte ich. Nico schien meine Gedanken zu erraten.
»Tina, hatte ich die nicht erzählt, dass unser Hof ein Gnadenhof ist?« fragte er mich. Langsam schüttelte ich den Kopf.
»Nein, das wusste ich nicht«, antwortete ich ihm. Plötzlich sah ich alles mit ganz anderen Augen. Die Pferde grasten friedlich nebeneinander auf der Weide. Sie schienen genau zu spüren, dass man ihnen helfen wollte und dass ihnen hier nichts mehr passieren würde.
Nico zog zwei Haferkekse aus seiner Hosentasche und reichte sie Zeus und Athena, die gierig ihre Hälse über den Zaun streckten. Dann streichelte er sie ausgiebig.
»Die Kekse backen wir extra für die Pferde. Das ist besser als Zucker«, erzählte er, während er die beiden streichelte. Dann gingen wir weiter zu einer kleineren Koppel, die ein wenig abseits lag. Hier standen vier Pferde unter einem großen Baum. Ein Schimmel, ein Rappe und zwei Braune.
»Der Schimmel heißt Apollo, er ist blind. Der Rappe heißt Billy und die beiden braunen Nicky und Lisa. Die vier sind am längsten bei uns und verstehen sich gut. Deshalb lassen wir sie auch immer gemeinsam auf die Koppel«, erzählte Nico. Die Besichtigungstour ging weiter. Neben den Stallungen gab es noch eine kleine Koppel, auf der drei Ponys grasten.
»Die sind aber süß«, rief Ellen. Ich musste ihr zustimmen. Die drei kamen sofort ans Gatter gelaufen und wollten ausgiebig gestreichelt werden. Wie zutraulich sie nur waren. »Wollt ihr die Ställe sehen?« fragte Nico uns. Wir nickten ihm zu. Also gingen zu den Ställen. Dort war Maria gerade dabei ein Pony zu striegeln.
»Oh, warum ist es denn nicht draußen bei den anderen?« fragte Ellen.
»Es hatte Vorgestern eine Kolik und deshalb behalten wir es für zwei bis drei Tage im Stall, um es beobachten zu können«, erwiderte Maria. Wir erfuhren, dass das Pony mit der Kolik Jenny hieß.
»Möchtet ihr etwas Kaltes trinken?« fragte Nico uns.
»Ja, das ist eine gute Idee. Kann ich dir helfen?« fragte ich ihn.
»Nein schon gut. Macht es euch auf der Veranda gemütlich, ich bin gleich wieder da«. Und so verschwand er im Wohnhaus und Ellen und ich gingen auf die große Veranda zu. Dort standen zwei große runde Tische und jede Menge Stühle. Wir mussten jedoch feststellen, dass die meisten Stühle besetzt waren. Mindestens fünf Katzen hatten sich gemütlich auf den weichen Stuhlkissen zusammengerollt. Sie schauten nur kurz hoch, als sie unsere Schritte vernahmen, ließen sich jedoch nicht weiter von uns stören. Also nahmen wir auf den Stühlen Platz, die noch frei waren. Kurze Zeit später hörten wir Türen klappern und Nico stand mit drei Gläsern Limonade vor uns. Hinter ihm standen zwei Jagdhunde und wedelten aufgeregt mit den Schwänzen. Sie schienen etwas ängstlich zu sein, denn sie wichen nicht von Nicos Seite und kauerten sich unter seinen Stuhl.
»Wieso sind die beiden denn so ängstlich«, fragte ich ihn. »Ach, dass ist eine lange Geschichte. In der Kurzfassung: sie wurden geschlagen und dann ausgesetzt. Erzähl ich euch irgendwann mal. Aber nun seit ihr dran; hat es euch hier gefallen?« fragte er uns. Was für eine Frage! Meine kleine Schwester und ich waren begeistert. Es war einfach wunderschön hier.
Dann schaute ich auf die Uhr. Ich stellte fest, dass es schon fast Mittag war. Wir mussten uns beeilen, denn schließlich hatten wir Mami versprochen pünktlich zum Essen zu Hause zu sein. Wir tranken unsere Limo aus, bedankten uns und verabschiedeten uns von Nico und Maria, um uns auf den Weg zu machen. Nico hatte uns noch gesagt, wir könnten jederzeit wieder vorbeischauen. So etwas ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen und versprachen, die beiden bei der nächsten Gelegenheit wieder zu besuchen.
Wir kamen gerade noch pünktlich zu Hause an. Mami war damit beschäftigt, den Tisch zu decken. Wir gingen ihr zur Hand und erzählten nebenbei von unseren neuen Freunden. Dann kam Papi dazu und wir erzählten alles noch mal von vorn. Papi wunderte sich, wie Nicos Familie dies alles finanzieren konnte. Wir zuckten nur mit den Schultern. Die Eltern von Nico und Maria hatten wir ja noch nicht kennen gelernt.
Kapitel 6
Der erste Schultag rückte unaufhaltsam näher. Und je näher er kam desto mulmiger wurde mir. In der letzten Nacht vor diesem Ereignis plagten mich Albträume. Morgens fühlte ich mich wie gerädert. Ganz anders Ellen. Ihr schien das alles nichts auszumachen. Vielleicht lag es daran, dass sie jünger war als ich. Oder aber daran, dass sie noch auf die Schule hier ganz in der Nähe gehen würde, während ich bis nach Alex fahren musste.
Das erste Problem, dass an diesem Tag auftauchte war die Busfahrt. Es gab weit und breit keine Bushaltestelle. Wo sollten wir nur warten? Gut das Mami in dieser Hinsicht ziemlich praktisch veranlagt ist. Sie begleitete uns zur Straße und wartete mit uns gemeinsam auf den Bus. Als dieser dann am Ende der Straße auftauchte stellte sie sich an den Fahrbahnrand und winkte dem Fahrer zu. Diesen Tipp hatte sie sich von einer Nachbarin geholt. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Mir war das alles schrecklich peinlich. Und tatsächlich, der Bus wurde immer langsamer, bis er schließlich vor uns anhielt. Mami erkundigte sich bei dem Fahrer nach dem Preis für die Fahrkarten, was jedoch nicht so einfach war, denn der Bus platzte fast aus allen Nähten. Die Leute stauten sich bis auf die Stufen. Der Busfahrer bat die Fahrgäste noch ein wenig enger zusammenzurücken so dass wir auch noch einsteigen konnten. Ellen stieg vor mir ein und ich quetschte mich so gerade noch auf die letzte Stufe. Dann schloss der Fahrer die Tür, die mich nur um Haaresbreite verfehlte. Dann tuckerte der Bus langsam wieder los. Ich war erstaunt wie viele Menschen in diesen Bus passten und dachte dass wir das Limit erreicht hätten, doch ich wurde eines besseren belehrt; denn der Fahrer machte noch weitere drei Male Halt um Fahrgäste einzuladen. Ellen, die Glückliche, durfte den Bus als einer der ersten wieder verlassen, denn sie hatte ihr Fahrziel schnell erreicht, da sie in Chili aussteigen musste. Ich wünschte ihr einen