Breathe. Elena MacKenzie

Breathe - Elena MacKenzie


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ihr Blick verfinstert sich. Sie richtet sich auf, drückt sich mit dem Rücken gegen die Autotür und presst trotzig die Lippen aufeinander. Mir gefällt das Funkeln in ihrem Blick, der Zorn, den sie gegen mich richtet. Die Vorstellung, wie es wäre, diese Wut in eine viel heißere Richtung umzulenken, macht mich wahnsinnig vor Verlangen. Und dann diese Lippen. Obwohl sie sie zusammenpresst, sind sie noch immer voll und sehen weich und verführerisch aus. Als wären sie geschaffen, um erobert zu werden. In meinem Kopf sehe ich mir selbst dabei zu, wie ich über diese volle Unterlippe lecke, bevor ich sie zwischen meine Zähne nehme und sanft beiße. Eigentlich bin ich nicht so. Meine Gedanken schockieren mich selbst, aber irgendetwas hat sie an sich, das mich nicht loslässt und aus mir jemanden macht, der ich nicht sein will. Dafür verabscheue ich mich. Dabei habe ich schon viel schlimmere Dinge getan, als anzügliche Gedanken über eine Frau zu haben.

      »Wo sind wir?«, will sie harsch wissen.

      Ich blinzle verwirrt. »Mitten am Arsch der Welt, würde ich sagen.« Ich muss mich mehr auf die Straße konzentrieren, auch wenn es hier meilenweit nur geradeaus geht, das Auto hält sich nicht von allein auf der Straße. Ich grinse, als sie das Gesicht verzieht. Und ich grinse noch einmal, als ihr Blick auf die Pistole fällt, die auf meinen Oberschenkeln liegt. »Das wird nichts, Süße«, sage ich bestimmt.

      »Ich habe gar nicht daran gedacht«, antwortet sie düster.

      »Wenn du nicht daran gedacht hättest, wüsstest du nicht, wovon ich eben geredet habe«, werfe ich grinsend ein und ernte wieder nur ein abfälliges Schnauben. Irgendwie finde ich es sexy, wenn sie das tut, weswegen es bei mir die Wirkung, die sie sich erhofft, völlig verfehlt. Ganz im Gegenteil.

      Ein paar Meter vor uns taucht ein Schild im Scheinwerferlicht auf, das ein Motel bewirbt. »Was hältst du von einem Motel mitten am Arsch der Welt?«, frage ich sie, obwohl mich ihre Meinung nicht interessiert. Ich brauche eine Pause und sie braucht sie auch. Der Weg, der vor uns liegt ist noch weit, und irgendwie will ich nicht, dass sie völlig erschöpft die ganze Nacht neben mir im Auto sitzen muss, nachdem sie den gesamten Abend in der Bar bedient hat. Ich weiß nicht, warum ich überhaupt darüber nachdenke, ob es ihr gut geht oder nicht. Es sollte mich nicht interessieren.

      »Vielleicht habe ich ja Glück und ein Serienmörderpärchen betreibt es. Dann überleben wir die Nacht beide nicht.«

      Ich lache und wiege den Kopf gespielt nachdenklich hin und her. »Oder du hast Pech und es sind Freunde von mir.«

      Sie lacht. »Das wäre kein Pech. Solange ich diese Scheiße nur endlich hinter mir habe.«

      Ohne zu antworten, biege ich auf den Parkplatz des Motels ein. Weder der Parkplatz noch das Motel machen einen vertrauenserweckenden Eindruck. Die Gäste scheinen zumeist Trucker zu sein. Im Moment stehen zwei große Zugmaschinen und ein Transporter auf dem Parkplatz. Vor dem Eingang zum Check-in stehen zwei ältere Kleinwagen und ein Pick-up. Ich fahre den Wagen bis direkt vor die Tür des Schalters. Durch die Glasscheiben kann ich eine ältere Dame sehen, die wahrscheinlich schon zu viele Jahre hier verbracht hat, denn ihr Gesichtsausdruck ist eine Mischung aus Langeweile und Resignation. Als die Scheinwerfer unseres Pick-ups sie blenden, verzieht sie wütend das Gesicht. In dem kleinen Fernseher hinter ihr läuft irgendeine mexikanische Soap, wahrscheinlich stören wir sie gerade dabei.

      »Das Ganze läuft so«, beginne ich und sehe Raven ernst an. »Du gehst dort rein. Du nimmst ein Zimmer für eine Nacht für zwei Personen. Du sprichst nur das Nötigste mit ihr. Sollte ich den Verdacht bekommen, dass du ihr irgendetwas verrätst, du sie um Hilfe bittest oder sonst etwas tust, das mich in Gefahr bringen könnte, dann werde ich die alte Dame durch die Scheibe hindurch erschießen. Ist das klar?«

      »Ist es nicht«, sagt sie mit zusammengekniffenen Augen. »Warum gehst du nicht rein?«

      Ich lache leise auf, zerre ruckartig an ihren Fesseln und ziehe sie dadurch mit dem Gesicht fast bis auf meinen Schoß. Leise zischend packe ich mit einer Hand ihren Nacken und drücke hart zu. Sie wehrt sich gegen mich, aber als ich noch fester zudrücke, gibt sie ihren Widerstand auf und wimmert leise. »Ich gehe nicht, damit du keine Dummheiten machen kannst, während ich dort drin mit der Dame rede. Von hier aus kann ich euch beide viel besser erschießen«, flüstere ich drohend. Ich ziehe sie an ihrem Hals hoch und lege einen Finger unter ihr Kinn. Die Alte beobachtet uns von drinnen, deswegen setze ich ein sanftes Lächeln auf. »Und jetzt gehst du dort rein und erledigst, was ich verlangt habe. Und denk immer dran, wenn du einen Fehler begehst, bist du schuld am Tod der netten Granny.« Ich löse ihre Fesseln und drücke ihr ein paar Dollar in die Hand. Es stört mich, so grob zu ihr zu sein, was eine völlig neue Erfahrung für mich ist, deswegen rufe ich mir in Erinnerung, dass ich das hier tun muss, wenn ich Sams Leben retten will. Es gibt einfach keinen anderen Weg, als dieses Mädchen als Druckmittel zu benutzen.

      »Ich hasse dich«, spuckt sie mir regelrecht entgegen.

      »Interessiert mich nicht«, antworte ich trocken. »Im Augenblick interessiert mich nur eine Dusche, ein Abendessen und ein Bett.«

      Sie sieht sich überrascht um, dann entdeckt sie das schäbige Diner auf der anderen Seite des Parkplatzes. »Wir essen hier?«, hakt sie verwundert nach. Wahrscheinlich hat sie gerade etwas Hoffnung geschöpft. In ihrem Kopf rattern die Zahnräder und sie malt sich aus, wie sie sich im Diner Hilfe holen könnte. Vielleicht ein Besuch auf der Toilette, ein Zeichen, das sie der Bedienung sendet. Diese Hoffnung will ich ihr nicht nehmen, also antworte ich ihr nicht, sondern greife einfach über sie hinweg, öffne die Tür und schiebe sie mit Nachdruck nach draußen.

      »Vergiss nicht, dass meine Waffe geladen ist«, erinnere ich sie, als sie vor dem Truck steht und zu mir rein sieht.

      »Wie könnte ich?«, gibt sie schnippisch zurück, dann geht sie langsam los, dreht sich an der Tür zum Check-in noch einmal um und streckt mir ihre süße, freche rosa Zunge heraus. Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen. Die Kleine hat etwas an sich, das mir gefällt. Mehr als mir lieb ist. Und mit jeder Sekunde in ihrer Nähe wird mir klarer, dass ich sie hätte töten sollen, als ich die Chance dazu hatte. Denn ich weiß nicht, wieso, aber je mehr Zeit ich mit ihr verbringe, je mehr ich über sie nachdenke und unseren kleinen Krieg genieße, desto enger zieht sich das Lasso um meine Brust zusammen, das sie nach mir ausgeworfen hat. Und ich habe noch immer keine verfickte Ahnung, was ich mit ihr anstellen soll.

      Als ich nach Mutters Tod mit Sam von der Farm geflohen bin, hatte ich nur einen Gedanken: Rache. Egal was es kostet. Ich wollte Sherwood tot sehen. Und Sherwood wollte Sam tot sehen. Er hatte Sam eine Chance geben wollen, indem er unsere Mutter statt ihn getötet hat. Aber Sam wollte diese Strafe nicht akzeptieren und hat Sherwood vor all seinen Männern angegriffen. Dafür gab es nur eine Konsequenz: Sams Tod. Also habe ich Sherwood angeboten, mich ihm zu stellen. Ich habe Sherwood herausgefordert und er hat abgelehnt und Sam in eine der Zellen gesperrt, wo er auf seine Hinrichtung warten sollte. Ich hatte keine andere Wahl, als mit meinem Bruder zu fliehen. Seit Wochen hatte ich nur einen Gedanken im Kopf: Sherwood töten, damit Sam überleben kann und ich den sinnlosen Tod unserer Mutter rächen konnte. Und jetzt stehe ich hier und habe die Orientierung verloren, wegen eines Mädchens. Wegen Sherwoods Tochter. »Jetzt verschwinde endlich und tu, was ich dir sage«, befehle ich ihr harsch. Meine Geduld ist am Ende. Mit mir. Mit ihr. Mit Sherwood.

      Ich werfe die Tür des Pick-ups mit so viel Kraft zu, wie ich aufbringen kann. Der dumpfe Knall schallt über den fast leeren Parkplatz und wird von den in einem U stehenden flachen Gebäuden zu mir zurückgeworfen. Dieses Motel sieht von außen so heruntergekommen aus, dass ich mich davor fürchte, herauszufinden, wie die Zimmer aussehen. Als ich meine Flucht aus Black Falls geplant habe, habe ich nicht einmal daran gedacht, in solchen Motels zu schlafen, weil ich sie mir ohnehin nicht hätte leisten können, bis ich irgendwo einen Job gefunden hätte. Egal wie heruntergekommen sie auch gewesen wären. Ich wollte möglichst wenig Geld ausgeben, um länger hinzukommen.

      Mein Plan war es gewesen, irgendwo weit weg von allen anderen Menschen auf der Ladefläche meines Pick-ups zu schlafen und in Raststätten zu duschen oder mich wenigstens zu waschen. Und jetzt stehe ich hier und denke über diese Sachen nach, obwohl all


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