Breathe. Elena MacKenzie

Breathe - Elena MacKenzie


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zusammen, als die Tür aufgerissen wird und gleich darauf ein Piepen eine Nachricht auf einem Handy ankündigt. Ice grinst mich breit an, auf einer Hand balanciert er Einmalgeschirr, mit der anderen verschließt er die Tür hinter sich. Er tritt näher an mein Bett, stellt das Essen ab, dessen Duft mir in die Nase steigt und meinen Magen knurren lässt, dann beugt er sich über mich und starrt mir in die Augen.

      »Wirst du auch brav sein?«, will er wissen und legt seine warmen Hände an meine Wangen. Er wischt mit seinen Daumen die letzten Spuren meiner Tränen weg. »Wirst du schreien, wenn ich dich losmache?«

      Alles in mir verlangt danach, gefälligst zu schreien und um meine Freiheit zu kämpfen, aber dann fällt mein Blick auf seine Waffe, die er vorn im Bund seiner Hose trägt, also nicke ich ergeben. Nicht zuletzt, weil ich Hunger habe und das Essen so köstlich riecht, dass ich im Moment alles dafür tun würde.

      Ice löst zuerst meinen Knebel. Meine Lippen fühlen sich ganz taub an, als der Stoff endlich weg ist. Ich bewege meinen Mund und bereue es sofort, als Schmerz sich ausbreitet. Auch meine Hände schmerzen und meine Arme protestieren, als ich sie nach unten nehme. Es dauert ein paar Sekunden, bis das Gefühl in meinen Armen und Händen zurückkommt.

      Ice reicht mir den Teller aus Styropor und eine Büchse Cola. Ich nehme beides und rutsche an den Bettrand, um aufzustehen und mich an den Tisch zu setzen.

      »Bleib wo du bist!«, befiehlt er. »Du kannst auf dem Bett essen. Das ist weiter von der Tür weg.« Er setzt sich auf sein Bett und beobachtet mich dabei, wie ich den locker sitzenden Plastikdeckel von dem Teller hebe und genüsslich den Duft von Chili con Carne inhaliere.

      Ich breche vorsichtig etwas von dem Brötchen ab, das auf einer Ecke des Tellers liegt und durch den Wasserdampf schon etwas feucht geworden ist. »Ich hoffe, dir hat dein Essen geschmeckt«, sage ich schnippisch, weil ich irgendetwas sagen muss, um mich davon abzulenken, dass er mich beobachtet.

      Er fährt sich durch diese schwarzen, glänzenden Haare, die immer etwas wirken, als wären sie vom Wind zerzaust worden, und leckt sich nachdenklich über die Lippen. Seine Gesichtszüge sind ausdrucksstark, seine Nase geradezu aristokratisch, seine Wangenknochen hoch und ausgeprägt. Seine Vorfahren müssen American Native gewesen sein. Nur seine Augen sind zu hell. In ihnen kann man die tiefe Verletzung, die er erlitten hat, sehen. Er trägt sie offen zur Schau, ohne sich die Mühe zu machen, zu verstecken, wie sehr ihn sein Schmerz quält. Vielleicht kann ich ihm deswegen nicht wirklich böse sein. Ich sollte ihn mehr verabscheuen, aber sein Schmerz wurde durch meinen Vater verursacht und deswegen fühle ich mich auch schuldig.

      »Ich kann zumindest nicht behaupten, dass ich oft etwas zu essen bekomme, das besser ist«, antwortet er, steht vom Bett auf, zieht seine Waffe aus dem Bund und setzt sich damit an den Tisch. Er beginnt die Waffe auseinanderzunehmen und in ihre Einzelteile zu zerlegen. Die silberfarbenen Patronen reiht er fein säuberlich vor sich auf, bevor er mit seinem Shirt über den Lauf der Pistole wischt.

      Vielleicht wäre dieser Augenblick der beste, um zu fliehen. Aber er sitzt direkt neben der Tür, wo er mich einfach nur packen bräuchte. Und wer weiß, was er dann tun würde, also bleibe ich, wo ich bin und schiebe mir den ersten Löffel lauwarmen Chilis in den Mund. »Warum bekommst du selten was Besseres?«, frage ich ihn, nachdem ich die zerkochte und wenig gewürzte Masse heruntergeschluckt habe. Das Essen ist wirklich nicht gut und ich bekomme schon fast Mitleid mit ihm, wenn es das ist, was er normalerweise bekommt.

      »Weil ich die meiste Zeit in Spelunken wie dieser esse«, murmelt er vertieft in seine Arbeit.

      Ich beobachte ihn ein paar Sekunden und versuche abzuwägen, wie abgelenkt er wohl ist. Versuchsweise bewege ich mich etwas auf dem Bett und stoße frustriert die Luft aus, als er sofort aufblickt und mich warnend ansieht.

      »Wenn du nicht essen möchtest, dann kann ich es auch entsorgen«, sagt er leise. Sein Blick gleitet über mich und die plötzliche Kälte in seinem Gesicht lässt mich erstarren.

      »Ich esse es«, stoße ich hart aus und beginne, das Chili runterzuwürgen. Ich esse es wirklich nur, weil ich Hunger habe und nicht weiß, wann ich das nächste Mal etwas bekommen werde. Selbst meine Mutter hat ein besseres Chili kochen können.

      »Du hast ungewöhnliche Augen«, rede ich in der Hoffnung weiter, dass sich etwas wie eine Beziehung zwischen uns aufbaut. Meine beste Chance ist es, ihn dazu zu bringen, mich zu mögen, zu glauben, wir wären so etwas wie Freunde. Ich hoffe, dass ich dann sicherer bin und er weniger scharf darauf sein wird, mich in seiner Gewalt zu behalten. Es sollte selbst jemandem wie ihm schwerer fallen, einen Menschen zu töten, zu dem man eine Verbindung aufgebaut hat. Vielleicht irre ich mich aber auch. Woher will ich schon wissen, wie leicht oder schwer es ist, einen Menschen zu töten?

      »Ungewöhnlich für einen Lakota?«, will er abfällig wissen und mustert mich mit hartem Blick. Ich verspanne mich, weil es nicht das ist, was ich sagen wollte. Er verzieht das Gesicht, als er meine Reaktion bemerkt und schüttelt entschuldigend den Kopf. »Meine Mutter hatte skandinavische Vorfahren.«

      »Sind ihre Augen auch so ungewöhnlich hell gewesen?«, hake ich weiter nach und schiebe mir einen Löffel der lauwarmen Pampe in den Mund.

      »Heller.« Ice setzt seine Waffe wieder zusammen, danach läuft er durch das Zimmer, sichert die Türen und Fenster mit seinen Sensoren und stellt zusätzlich einen Stuhl vor die Tür. »Wenn du duschen willst, solltest du dich beeilen, ich will nämlich schlafen«, sagt er düster mit einem Blick auf meinen Teller, der noch immer halb voll ist.

      »Du kannst auch schlafen, während ich esse«, werfe ich mit einem Schnauben ein.

      Ice lacht laut auf und schüttelt seinen Kopf, dann schaut er mich mit hochgezogener Augenbraue an. »Für wie dumm hältst du mich?«

      Ich schnappe nach Luft, weil ich gar nicht weiß, was er meint. »Dieses Zimmer ist besser gesichert als Fort Knox, glaubst du ernsthaft, ich käme hier raus, während du schläfst?«, entrüste ich mich.

      »Nein, das glaube ich nicht«, sagt er trocken und tritt an das Fußende meines Bettes. Sein Blick verengt sich grimmig. »Aber ich will dich auch nicht erschießen müssen, weil du es versuchst.«

      Ich stelle meinen Teller weg, hebe ihm die Hände hin und knurre. »Nun fessle mich schon«, fordere ich.

      Er grinst breit, und in seinen Augen funkelt etwas, als er näher kommt. »Und du bist dir sicher, dass du nicht duschen möchtest?«

      »Ich werde bestimmt nicht duschen, während du dabei zusiehst.« Ich hebe noch einmal auffordernd meine Hände.

      Ohne weiter abzuwarten, packt Ice meine Handgelenke, zieht meine Hände bis an das Kopfende und fesselt mich wieder. »Wie du willst.« Er senkt seine Lippen an mein Ohr. »Glaub nicht, dass das hier kein Vergnügen für mich ist. Das ist es. Und mir gehen dabei Bilder durch den Kopf …«

      »Halt den Mund«, schnauze ich ihn an. »Ich will es nicht hören. Mir nicht einmal vorstellen müssen.«

      Ice zieht lachend meine Fesseln fest, kontrolliert sie noch einmal und wirft sich dann auf sein Bett. »Süße Träume«, sagt er kühl und knipst das Licht aus. Und lässt mich mit meinen Gedanken und Ängsten allein in der Dunkelheit zurück. Alles, was ich Sekunden später noch höre, sind seine tiefen, ruhigen Atemzüge und ein Hund, der irgendwo in der Nähe bellt. Ich bin müde, aber die Augen zu schließen, würde bedeuten, das letzte bisschen Kontrolle aufzugeben. Und doch schlafe ich irgendwann ein und träume davon, durch einen Wald zu rennen. Ich renne immer schneller, viel schneller als es mir möglich sein sollte. Und hinter mir höre ich den schweren Atem eines Verfolgers, der sehr schnell näherkommt.

      5

      Sie sitzt neben mir, den Blick stur aus dem Fenster gerichtet und spricht seit Stunden kein Wort. Wahrscheinlich würde ich mit mir auch kein Wort sprechen, wenn ich


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