Breathe. Elena MacKenzie

Breathe - Elena MacKenzie


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dass ich sie ständig mit dem Tod bedrohe.

      »Ich gehe jetzt unter die Dusche, danach besorge ich uns etwas zu essen«, sage ich, reiße mir mein Shirt vom Körper und lasse es auf den Boden fallen.

      Unter der Dusche lasse ich das Wasser kalt über meinen Körper fließen. Nicht, um mich herunterzukühlen, sondern weil ich immer kalt dusche. Weil ich das schon als Kind so beigebracht bekommen habe. Sherwood hat uns mit eiskaltem Wasser abgeduscht, um »aus kleinen Weicheiern echte Soldaten zu machen«. Es ist wie ein innerer Zwang, an einigen Dingen festzuhalten, die er uns eingetrichtert hat. Sie sitzen in meinem Kopf, haben sich dort eingenistet und ich bin nicht dazu in der Lage, sie dort herauszubekommen.

      Jede Handlung, einfach alles, was ich tue, ist genau abgestimmt: Die Motels, in denen ich absteige, die Art, wie ich ein Opfer erst ausspioniere, meine Namen, die ich benutze, bis hin zur allabendlichen Reinigung meiner Waffen und dem antrainierten leichten Schlaf. In seinem alten Leben war Sherwood ein Seal, danach Mitglied eines Motorradclubs, der den Ruf hatte, nicht zimperlich mit seinen Feinden zu sein. Seine Ausbildungsmethoden für uns waren gnadenlos.

      Nur Raven, sie bringt alles durcheinander. Und die Gefühle, die sie in mir auslöst. Als würde sie nicht nur meinen Körper, sondern auch meinen Geist in Aufruhr versetzen. Als könnte sie die Finsternis durchdringen und die Kälte vertreiben. Da ist viel mehr als nur das Bedürfnis, ihr nahekommen zu wollen. Da ist ein Hunger, der tief in mir nach ihr brüllt. Keine andere Frau zuvor hat ein solches Chaos in meinem Verstand gestiftet und meine andere Seite so in Aufruhr versetzt.

      Ich verlasse die Dusche, meine Haut ist eiskalt, aber das bemerke ich kaum noch, und schnappe mir das dünne Duschtuch, um es mir um den Körper zu schlingen. Durch die weit offen stehende Tür bemerke ich, dass Raven jede meiner Bewegungen beobachtet. Sie ist so vertieft in den Anblick meiner bunten Haut, dass sie sich erschrocken abwendet, als sie mitbekommt, dass ich sie dabei ertappt habe, wie sie meine Brust mustert.

      Ich unterdrücke das Grinsen, das sich auf meinen Lippen breitmachen will, trete nur mit dem Handtuch um meine Hüften in das Zimmer an mein Bett und krame frische Kleidung aus meiner Reisetasche, dann lasse ich das Handtuch einfach zu Boden fallen und schlüpfe in meine Lederhosen und ein ausgeblichenes schwarzes Shirt.

      »Gefällt dir, was du siehst?«, frage ich sie, schließe meine Tasche wieder und schiebe mein Messer zurück in meinen Stiefel, ohne sie anzusehen.

      Raven schnaubt nur abfällig und wendet ihr Gesicht trotzig dem Fenster zu. Ich habe vorhin die Vorhänge zugezogen, damit niemand zu neugierig wird. Außerdem habe ich den Tisch vor das Fenster geschoben und einen Sensor daraufgestellt, wenn jemand versucht, durch das Fenster hereinzukommen, wird der Sensor ihn zwar nicht abhalten, aber er wird genug Krach machen, um mich aus meinem Schlaf zu wecken. Und dann mache ich ihn mit meiner Knarre bekannt. Meinen Fäusten oder dem Grim Wolve in mir. Je nachdem, wonach mir der Sinn steht.

      »Ich bin in zehn Minuten zurück«, sage ich zu Raven und deute auf den Sensor, den ich neben die Tür gestellt habe. »Bewegt sich etwas in diesem Zimmer, oder öffnet sich die Tür, werde ich das sofort erfahren.« Ich öffne die Tür, dann aktiviere ich den Sensor und deute auf mein Handy, das sofort eine Nachricht ankündigt, als ich an dem Sensor vorbeigehe.

      Raven kommentiert meine Demonstration nur mit einem lauten Grunzen.

      »Wir verstehen uns also«, sage ich und verschließe die Tür.

      Ich spüre noch immer das Gewicht seines Körpers auf mir. Das Gefühl, ihm ausgeliefert zu sein, kam mir so erstickend vor wie die Sekunden, in denen er seine Waffe auf mich gerichtet hatte und ich dachte, er würde mich töten. Was wäre wohl schlimmer? Eine Kugel im Kopf und sterben oder vergewaltigt zu werden? Ich entscheide mich für die Vergewaltigung, weil sie länger dauern würde. Eine Kugel im Kopf wäre ein schnellerer und gnadenvollerer Tod.

      Seine Erregung zu spüren und zu fühlen, dass mein Körper darauf reagiert hat, hat meine Angst nur noch größer gemacht. Und jetzt liege ich hier, angeekelt von mir selbst mit noch immer pochender Klitoris zwischen meinen Schenkeln. Wie kann mein Körper so empfinden? Wie kann er sich danach sehnen, meinem Entführer noch einmal so nah zu sein? Seinen Geruch nach Mann in der Nase, seine Wärme, sein Atem auf meiner Wange. Ich kenne die Antwort auf diese Fragen nur zu gut, weil Ice die Dunkelheit in mir anspricht und ich weiß, genau wie Nick noch bis vor ein paar Wochen, könnte auch er die Leere in meinem Inneren für kurze Zeit füllen. Es ist verwirrend, aber es scheint, als würden meine Gefühle einen Krieg ausfechten. Da ist die Anziehung, die Ice seit dem Tag auf mich ausübt, an dem er in der Bar aufgetaucht war. Und da ist der Hass und das Entsetzen, das die letzten Stunden in mir ausgelöst haben. Ich möchte mich nicht von ihm angezogen fühlen. Nicht nach dem, was er getan hat. Und dass mein Körper es doch tut, lässt meinen Puls vor Selbstverachtung rasen.

      Wütend zerre ich an meinen Fesseln. Ich stöhne gegen den Knebel an, strample mit den Beinen und winde mich verzweifelt. Ich muss hier raus. Ich muss weg von ihm. Nicht wegen meiner Empfindungen, sondern vor allem, weil ich nicht aufgeben will. Ich will mich nicht von ihm besiegen lassen. Und ich will mich nicht von ihm für seine Rache an meinem Vater benutzen lassen. Ich zerre und ziehe so heftig, dass das Kopfteil des Bettes dumpf gegen die Wand stößt und jemand auf der anderen Seite wütend dagegen schlägt.

      »Fickt gefälligst leiser«, brüllt er laut genug, dass ich ihn gut verstehen kann. Die Wände sind nur dünn.

      In der Sekunde keimt Hoffnung in mir auf und ich winde mich noch stärker, stoße das Bett mehrmals gegen die Wand und stöhne »Hilfe« gegen den Stoff in meinem Mund. Wieder drischt der Mann nur gegen die Wand und brüllt: »Wenn ich rüberkomme, reiße ich euch den Arsch auf. Ich will verdammt nochmal schlafen.«

      Als er droht rüberzukommen, fällt mein Blick auf die Sensoren - kleine weiße Zylinder, die Ice aufgestellt hat -, und ich erinnere mich wieder an seine Drohung, jeden zu töten. Meine Muskeln erschlaffen und ich sinke hoffnungslos zurück auf das Bett. So wenig wie ich schuld am Tod meines Vaters sein will, so wenig will ich schuld am Tod eines Fremden sein.

      Ich beiße auf den Knebel, der schon ganz feucht von meinem Speichel ist und schlucke. Der Stoff schneidet in meine Mundwinkel ein und verursacht ein Brennen, außerdem habe ich das Gefühl, dass immer mehr Speichel in meinen Mund fließt und ich durch die Nase schlecht Luft bekomme.

      Ich weiß, dass ich mir das nur einbilde. Dass die Panik mir das einredet, aber es fühlt sich real an. Obwohl meine Nase frei ist, glaube ich, nicht genug Sauerstoff in meine Lunge zu bekommen. Ich versuche schneller und tiefer zu atmen, meine Nägel drücken sich krampfhaft in meine Handflächen und vor meinen Augen tanzen Punkte. Ich kann nicht atmen. Und je mehr ich nach Luft ringe, desto weniger bekomme ich. Desto schneller rast mein Herz. Desto schmerzhafter sind die Fesseln. Ich beginne, um jeden Atemzug zu kämpfen, bis ich mir mit einem Schrei Luft verschaffe, der vom Stoff verschluckt wird und sich doch befreiend anfühlt. Meine Panik versiegt langsam und die Wut auf diesen Mann, der plötzlich mein Leben kontrolliert, kommt zurück.

      Ich starre an die vergilbte Decke über mir und denke an all die Pläne, die ich geschmiedet hatte und die ich jetzt nicht mehr erfüllen würde. Ich denke an meine Mutter und unsere wenigen glücklichen Momente. Und ich versuche mir das Gesicht meines Vaters ins Gedächtnis zu rufen, aber ich habe ihn zu selten und schon zu lange nicht mehr gesehen. Ich weiß nur noch, dass er einen dunklen Vollbart hatte und viele Tattoos. Er hatte immer diese Bikerjacke an, die er ›Kutte‹ nannte. Und seine Stimme war sehr dunkel und rau gewesen. An seinem Hals hatte er eine dicke grauenvolle Narbe, die er hinter seinem Bart zu verbergen versuchte, was ihm aber nur schlecht gelang. Er hat absoluten Gehorsam gefordert. Wenn er bei uns war, hat sich immer alles nach ihm gerichtet. Er war hart, hat ständig gewollt, dass jede Aufgabe, die er meiner Mutter oder mir gestellt hatte, sofort erledigt werden musste. Wollte er essen, musste sofort etwas zubereitet werden. Wollte er ein Bier, musste ich es ihm sofort bringen. Und wollte er, dass ich seine Stiefel putze, musste auch das auf der Stelle geschehen. Meine Mutter hat sich immer unterwürfig verhalten, kaum gewagt zu atmen, wenn sein Blick sie getroffen hat. Ich habe diesen Mann gehasst. Und jetzt wurde ich


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