Breathe. Elena MacKenzie

Breathe - Elena MacKenzie


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versuchen, der Frau am Empfang einen Hinweis zu geben. Ihr zuflüstern, dass sie entführt wurde und Hilfe braucht. Ihr unsicherer Blick war immer wieder in meine Richtung gezuckt, als wollte sie sichergehen, dass ich nicht bemerken würde, wenn sie der Frau etwas zuraunt. Nur deswegen habe ich mich nahe an die Tür gestellt, damit sie gewarnt ist, denn ich hätte die Frau getötet. Ihr Leben hätte mir nichts bedeutet. Ich hätte nicht einmal darüber nachgedacht, wen sie hinterlassen hätte. Es wäre mir egal gewesen. Denn genau dafür wurde ich ausgebildet, zu tun, was nötig ist, um mich und meinen Auftrag zu schützen. Ich habe bisher nur ein einziges Mal nicht getan, was nötig war, als ich Raven am Leben gelassen habe.

      »Es war gut, dass du es dir noch einmal überlegt hast«, sage ich und folge ihr zum Zimmer Nummer 14. Die Tür sieht so heruntergekommen und dreckig aus wie der Rest des Gebäudes. Wahrscheinlich sieht das Zimmer genauso aus, aber das macht mir nichts aus. Ich bin es gewohnt, im Dreck zu leben. Ich habe nie etwas anderes als das gehabt. Motels, Scheunen, den Waldboden. Je nach Auftrag musste ich mich manchmal mehrere Wochen an die Fährte eines Abtrünnigen hängen. Und viele von ihnen leben versteckt im Untergrund, in Höhlen, Zelten oder Abrisshäusern. Und wenn ich sie gejagt habe, war ich oft gezwungen, mich ihnen anzupassen, um herauszufinden, ob dort, wo sie herkommen, vielleicht noch mehr von ihnen leben.

      Sie schaut über die Schulter zurück und zuckt nur mit den Achseln. »Soll ich dir danken, dass du sie nicht umgebracht hast?«, stößt sie düster aus und tritt zur Seite, damit ich die Tür aufschließen kann.

      Ich lege grob eine Hand um ihren Nacken, drücke den Daumen gegen ihren Kiefer und sehe ihr fest in die traurigen Augen. »Du solltest mir danken, dass ich dich noch nicht umgebracht habe.« Langsam beuge ich mich zu ihr nach unten und vergrabe meine Nase in ihrem Haar. Es ist schwarz, aber nicht so schwarz wie meins. Eher eine Mischung aus Mitternachtsschwarz und dunkler Schokolade. Je nachdem, wie das Licht darauf scheint. Ich atme tief ein, laut genug, damit sie hört, was ich da tue, und kann ein Grinsen nicht unterdrücken, als sich ein Zittern durch ihren Körper arbeitet. Ich stelle mir vor, dieses Zittern wurde durch meine Nähe ausgelöst und nicht aufgrund ihrer Angst vor mir. Danach lasse ich sie so abrupt los, als hätte ich mich an ihr verbrannt, öffne die Tür und stoße sie grob in das Zimmer. Je mehr Zeit ich mit ihr verbringe, desto mehr spricht ihr Duft mich an. Es erregt mich, wie sie riecht. Es löst ein Zerren in mir aus, wie ich es noch bei keiner anderen Frau erlebt habe. Aber mit den meisten Frauen verbringe ich auch nicht so viel Zeit wie mit ihr. Weil es für jemanden wie mich keinen Grund dafür gibt. Ich nehme mir von einer Frau, was ich brauche, und vergesse sie danach. Mehr Zeit in eine Frau zu investieren macht für uns einfach keinen Sinn.

      Noch bevor ich das Licht anschalte, verschließe ich die Tür wieder hinter mir. Das Zimmer ist definitiv so schäbig, wie ich gedacht habe. Im Raum stehen zwei einzelne Betten, auf denen hässliche kaffeebraune Tagesdecken liegen. Die moosgrüne Tapete an den Wänden war in den 70ern mal modern. Und so alt wie die Tapete ist auch der kleine Fernseher und die Kommode an der Wand.

      »Nun mach schon«, dränge ich sie weiter in das Zimmer, als sie keine Anstalten macht, von der Tür wegzutreten.

      Sie wendet sich abrupt zu mir um und sieht mich flehend an. »Wirklich, was auch immer mein Vater angestellt hat, ich kann nichts dafür. Lass mich gehen.«

      Ich schüttle den Kopf und dränge sie mit meinem Körper so lange rückwärts, bis sie mit ihrem Hintern auf dem zweiten Bett landet. »Das geht nicht. Aber ich verspreche dir, wenn ich es könnte, dann würde ich es tun.« Ich lächle sie breit an und fühle mich erregt von der Hitze ihres Körpers, ihren weit aufgerissenen Augen und dem direkten Blick auf ihren Mund, den ich habe, wenn ich auf sie herabsehe. Sie spürt meinen Blick und leckt sich über die Lippen. Als sie bemerkt, was sie da tut, presst sie die Lippen fest aufeinander und wendet den Blick ab.

      Ich packe ihre Handgelenke und zerre Raven über die Matratze zum Kopfende, um sie dort an den Metallstreben festzubinden. Ich lasse meinen Blick über ihre gefesselten Hände gleiten, ihren Körper, der wie dahingestreckt auf dem Bett vor mir liegt, und schlucke schwer bei dem Anblick. Sie liegt da wie ein Geschenk, nach dem ich nur greifen muss. Das nur darauf wartet, von mir verschlungen zu werden. Ich lasse mir Zeit damit, ihren Körper zu studieren, einfach, um sie zu provozieren. Es gefällt mir, sie zu verärgern. Und ihr Körper gefällt mir auch. Sie ist schlank, sportlich, mit sanften Rundungen. Ihr Bauch ist flach und ihre Oberschenkel muskulös. »Cheerleader«, kommentiere ich abfällig.

      »Geht dich einen Dreck an, aber nein, Läuferin«, sagt sie und zerrt an ihren Fesseln. »Wollten wir nicht essen?«

      »Du läufst also gern? Staffel? Kurzstrecke?«, hake ich weiter nach. Sie hat etwas an sich, das meine Neugier schürt. Ich will mehr über sie wissen und kann mir nicht einmal erklären, warum. Warum sollten mich ihre Hobbys interessieren? Warum will ich wissen, was sie denkt, wenn ich sie ansehe? Was fühlt sie, wenn ich meine Hand nach ihr ausstrecke und sie berühre? Warum will ich überhaupt etwas über sie wissen? Ich schiebe die Gedanken weg, wahrscheinlich stehe ich nur hier, um sie immer weiter zu provozieren, weil ich eine perfide Freude daran habe, wie sich ihr Puls beschleunigt, ihre Wangen verfärben und sie vor Wut hektischer atmet.

      »Ich steh nicht so auf Gruppenaktivitäten. Ich laufe für mich allein.«

      Ich bohre einen Finger in ihren Oberschenkelmuskel, der sich unter dem Stoff der knielangen Hose abzeichnet, und ziehe eine Augenbraue hoch. »Sieht mir nach mehr als nur Laufen aus.«

      »Ich wandere manchmal auch. Reden wir jetzt ernsthaft über meine Hobbys?«, blafft sie mich an. »Wir wollten essen gehen.«

      Ich setze mein breitestes Grinsen auf, um ihr zu zeigen, dass ich sie durchschaut habe. Sie will nicht essen, sie hofft auf eine Möglichkeit zu entkommen. »Ich wollte essen, du bleibst schön hier.« Ich wickle das rote Bandana von meinem Handgelenk und mache einen Knoten in die Mitte, den ich ihr zwischen die Lippen schiebe.

      »Nein«, keucht sie auf und wehrt sich dagegen, dass ich ihr einen Knebel um den Kopf binde. Mir macht das hier auch keinen Spaß, aber ich darf kein Risiko eingehen, weil ich sie brauche. Vielleicht benutze ich sie einfach als Schutzschild, sollte Sherwood mich jemals finden. Und ich bin mir sicher, er wird mich irgendwann finden. Und dann wird er mich töten und nach Sam suchen. Aber bis dahin hat Will ihn hoffentlich weit weggebracht. Ich habe Raven nicht getötet, so wie es geplant war. Aber ich kann sie wenigstens benutzen, um unsere Freiheit auszuhandeln. Ich kann sie bei mir behalten und mich an dem Gedanken erfreuen, wie sehr es Sherwood quälen wird, nicht zu wissen, was mit seiner Tochter geschehen ist. Ich kann sie als Köder benutzen und ihn mit ihrer Hilfe zwingen, mich statt Sam zu jagen. Ich könnte so viel tun, woran ich bis vor wenigen Stunden noch nicht einmal gedacht habe. Das macht sie. Sie löst das in mir aus und lässt mich tausend Gründe erfinden, warum ich sie noch immer bei mir habe.

      Raven beginnt sich noch heftiger zu wehren, sie tritt nach mir aus, während ich verzweifelt versuche, einen Knoten an ihrem Hinterkopf zu knüpfen. Als mir die Enden des Tuchs immer wieder entgleiten und ihr Fuß beinahe meine empfindlichste Stelle trifft, reicht es mir. Ich werfe mich auf sie und fixiere sie so unter meinem Körper. Ihre weit aufgerissenen Augen zeigen mir deutlich, wie sehr ich sie damit erschrecke. Damit hat sie nicht gerechnet. Ich auch nicht. Ihr Geruch steigt mir in die Nase, dunkel und erregend. Etwas, das mich anspricht und an mir zerrt. Ich vergrabe die Nase in ihrem Haar und atme ein. Ihr Duft weckt Verlangen nach ihr in mir. Raven hat eine verwirrende Wirkung auf mich. Intensiv.

      Sie wird plötzlich ganz steif und hört auf, sich zu winden. Einige Sekunden lang kann ich nichts außer ihre Kurven unter mir spüren. Und ich weiß nicht, ob ich genieße oder verabscheue, was ich fühle. Aber ich fühle viel mehr als ich möchte. Und sie spürt die Reaktion meines Körpers, denn ihre Augen werden noch größer und ein leises Wimmern dringt durch den Stoff des Bandanas.

      So schnell es mir möglich ist, klettere ich von ihrem Körper. »Glaubst du wirklich, ich könnte dir so etwas antun?«, frage ich sie, noch bevor mir klar wird, dass sie genau das denken muss und wie blöd meine Frage ist. Ich töte Menschen, habe ihr damit sogar gedroht, natürlich glaubt sie, dass ich sie auch vergewaltigen würde. Ich fahre mir frustriert durch die Haare und murmle eine Entschuldigung, was genauso bescheuert ist, wie anzunehmen, dass


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