Breathe. Elena MacKenzie

Breathe - Elena MacKenzie


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eingehen, dass Sultan sich in mir verbeißt, aber wenn ich mich gedanklich mit dem Schmerz abfinde, wäre ich vorbereitet und könnte ihn ignorieren. Oder ich versuche, Sultan ins Haus zu drängen. Immer ein kleines Stückchen. Solange, bis ich die Tür vor seiner Nase zuwerfen kann. Wenn meine Beine sich nur nicht anfühlen würden wie Wackelpudding.

      Ich mache eine winzige Bewegung, löse mich nur wenige Zentimeter vom Türrahmen, aber Ice bemerkt es sofort. Sein Blick richtet sich auf mich und er befiehlt mir mit grollendem Ton, zu bleiben. Seine Stimme streift über meine Haut und löst ein merkwürdiges Gefühl in meinem Nacken aus. Als würden sich meine Haare aufstellen. Meine Muskeln erstarren und sträuben sich, sich weiter zu bewegen. Sultan drückt seine Schnauze gegen meinen Oberschenkel und blockiert meinen Fluchtversuch zusätzlich. Zornig über mich selbst, stütze ich mich wieder gegen den Rahmen.

      In diesem Augenblick kommt Sam auf der anderen Seite der Straße aus dem Wald. Er zieht sich sein Shirt über den Kopf und mustert Ice und Will verwundert. Sam sieht gar nicht aus, als wäre er gelaufen. Da ist kein Glanz auf seiner Stirn, sein Gesicht ist nicht gerötet und er atmet auch nicht hastig.

      Was auch immer gesagt wird, geht in dem Rauschen in meinen Ohren unter, das von einem erneuten Schwindelanfall ausgelöst wird. Ich schließe die Augen, aber das war ein Fehler, denn als ich sie wieder öffne, dreht sich die Welt noch schlimmer. Ich kämpfe, bis ich wieder klar sehen kann. Es müssen Sekunden vergangen sein, denn als ich aufsehe, steigt Sam gerade in das Auto des Sheriffs und Ice kommt mit angestrengter Miene die wenigen Stufen zur Veranda hoch.

      »Rein mit dir«, sagt er streng.

      Ich will mich weigern, aber er packt meinen Oberarm und zwingt mich unnachgiebig in das Haus zurück.

      »Warum ist Sam weggefahren?«, bringe ich atemlos hervor.

      Ice wirft die Tür hinter uns zu. Sultan trottet zufrieden in die Küche und legt sich auf die alten weißen Fliesen. Ihm ist wohl auch zu warm heute. »Wir müssen reden.«

      »Über was?«, will ich wissen.

      Ice drängt mich auf das Sofa zu. Ich will mich dagegen wehren, dass er mich herumschubst, als wäre ich ein lästiger alter Sack, aber ich fühle mich zu schwach, um zu streiten, also lasse ich mich auf die Sitzfläche fallen, versuche aber mein Bestes, Ice nicht bemerken zu lassen, dass etwas nicht mit mir stimmt. Im günstigsten Fall habe ich irgendwas, das mich töten wird. Dann kann Ice mich nicht länger gefangen halten. Ich muss fast grinsen bei der Vorstellung. Andererseits: Würde ich in seiner Gefangenschaft sterben, würde mein Vater Ice und Sam wahrscheinlich erst recht töten wollen. Auch wenn es nicht so sein sollte, aber der Gedanke, Ice könnte etwas zustoßen, stört mich. Ich setze ein möglichst provozierendes Lächeln auf. »Also?«

      Ice setzt sich neben mich. Kurz darauf überlegt er es sich anders, geht durch den Raum und nimmt von der Kommode in der Ecke eine Flasche Bourbon. Er gießt sich ein Glas ein, dreht sich zu mir und fragt mich mit einer hochgezogenen Augenbraue stumm, ob ich auch was möchte.

      »Um diese Zeit?«, fahre ich ihn entrüstet an.

      »Glaub mir, du wirst das hier gleich sehr dringend haben wollen«, stellt er klar.

      »Nein, danke«, sage ich und verdrehe die Augen. Habe ich überhaupt schon jemals harten Alkohol getrunken? Solche Drinks erinnern mich zu sehr an meine Mutter. Und ich will auf keinen Fall so enden wie sie. »Also? Was hast du mir zu sagen?«, will ich ungeduldig wissen.

      Ich fühle mich gereizt, nur weil Ice dort mit einem Glas Bourbon in der Hand steht. Ich weiß nicht, warum mich der Anblick so wütend macht, dass ich innerlich zittere. Eigentlich sollte es mir egal sein, was er seiner Leber antut. Aber es ist mir nicht egal. Ich fixiere das Glas in seinen Händen und verfolge, wie er es an seine Lippen hebt und auf einen Zug ausleert. Und das zu sehen, lässt meine Wut auf die Größe eines Heißluftballons anwachsen. Ich balle meine Hände und drücke die Nägel so fest in meine Handflächen, dass es schmerzt. So habe ich nicht einmal empfunden, wenn meine Mutter betrunken unseren Trailer vollgekotzt hat.

      Ice schenkt sich noch einmal ein, bevor er zurückkommt und sich neben mich setzt. Er stellt das Glas vor uns auf den Tisch, lehnt sich mit der Seite gegen die Rücklehne und mustert mich einen Augenblick. »Wie fühlst du dich?«

      »Als ob dich das interessiert?«, fauche ich.

      »Du bist wütend«, erklärt er mit einem Zupfen um seine Mundwinkel, das kaum zu erkennen war, weil es so schnell wieder verschwand. Ich habe es nur gesehen, weil ich auf seinen Mund gestarrt habe. Noch immer enttäuscht von der Tatsache, dass er eben Alkohol getrunken hat. Noch weit vor Mittag. Enttäuscht ist nicht das richtige Wort. Mein Puls rast vor Wut. Ich möchte ihn packen und ihm gewaltvoll erklären, wie falsch es ist, sich zu betrinken. Was ist nur los mit mir? Ich versuche, diese Wut mit einem tiefen Atemzug abzuschütteln, weil mir klar ist, dass ich völlig überzogen reagiere.

      »Woher willst du das wissen?«

      Jetzt lacht er höhnisch auf und beugt sich etwas mehr in meine Richtung. »Weil ich es rieche. Und ich bin auch wütend. Unkontrollierbar wütend. So sehr, dass es mich zerreißt, deswegen brauche ich das hier«, sagt er und hebt mir sein Glas entgegen.

      Ich stoße ein abfälliges Schnauben aus. Was er dort sagt, könnte auch aus dem Mund meiner Mutter stammen. Ich kenne alle Ausreden wieso sie jetzt dieses Glas Whiskey braucht. Oder diesen Druck Heroin. »Verarsch mich nicht. Ich schlage vor, du lässt diese Spielereien und sagst mir, was du sagen wolltest. Was ist mit Sam? Wieso ist er eben weggefahren? Brauchst du mich nicht mehr? Wirst du mich jetzt töten?«, rattere ich einen Großteil der Fragen herunter, die meinen Schädel malträtieren. Es ist komisch, aber alles scheint Karussell zu fahren in meinem Kopf. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie versinken in einem Chaos. Überlagert von der Finsternis, die sich immer mehr in den Vordergrund drängt, als wolle sie mich verschlingen. Als hätte sie vor, mich auszulöschen. So mächtig hat die Dunkelheit in mir sich noch nie angefühlt.

      Ice lehnt sich wieder zurück und presst die Lippen aufeinander. »Im Moment bist du die größere Gefahr.« Er zieht eine Braue hoch, als warte er auf meine Reaktion. Was auch immer er erwartet hatte, dass ich ihn auslache, war es nicht. Ice zieht auch die zweite Augenbraue hoch, als ich mir die Tränen aus den Augen wische und den Kopf schüttle.

      »Das ist wirklich witzig«, stoße ich atemlos aus. »Aber wie könnte ich Sam gefährlich werden? Ich habe noch niemals jemandem wehgetan, außer dir, als ich dich geohrfeigt habe. Und sind wir doch ehrlich, du hast es verdient.«

      Ice seufzt genervt. Er reibt sich über die Wangen, als wäre ich der anstrengendste Mensch, mit dem er es jemals zu tun hatte. Vielleicht hat er recht und ich verstehe nicht, was er von mir will, weil ich ihn nicht verstehen will oder einfach zu dumm bin. Aber vielleicht versteht er auch viel weniger, denn wenn er alle Seiten betrachten würde, dann sitze ich in diesem Moment nur hier neben ihm, weil er es so wollte. Und es ist einfach undenkbar, dass ich jemals eine Gefahr für Sam sein könnte. Ich mag ihn zufälligerweise lieber als seinen Bruder. Sam hat mir nie etwas getan, und doch ist er wie ich oft allein und auf sich gestellt.

      »Sieh mich an«, stößt Ice genervt aus.

      Ich wische mir die Tränen vom Gesicht, hole tief Luft und schlucke die Wut herunter, die mich dazu gebracht hat, über Ice zu lachen. Er sieht so ernst aus, dass ich das Gefühl bekomme, er sagt die Wahrheit. Zumindest glaubt er ganz fest daran. Und das erschüttert mich. »Also gut, vielleicht sagst du mir einfach, was hier los ist.«

      »Du fühlst dich krank, als würden deine Organe kochen, deine Knochen zermahlen werden und deine Gefühle völlig außer Kontrolle geraten.« Er atmet noch einmal tief ein und wirkt dabei, als würde er mich in sich einsaugen. Sein Blick gleitet über meinen Körper und wirkt besorgt. »Es geht dir nicht gut, und du weißt nicht warum.«

      Ich nicke ergeben, weil ich mir sicher bin, dass es sich nicht lohnen würde, zu lügen. Er kennt die Wahrheit längst. In meinem Hinterkopf warnt mich eine leise Stimme, ich sollte jetzt beginnen wegzulaufen. Denn was auch immer Ice mir gleich sagen wird, es wird alles verändern. Ich sehe es an dem Mitleid in seinem Gesicht. Ich sehe ihn an und fühle mich,


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