Breathe. Elena MacKenzie

Breathe - Elena MacKenzie


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ich aber auch nur etwas aus, denn ich fühle mich ein wenig zittrig und krank. Ich schiebe es auf die ganze Situation, aber vor allem auf Ice. Er ist einfach an allem schuld, beschließe ich.

      Ich bin gerade fertig, als sich hinter mir der Vorhang öffnet. »Hier«, sagt Ice und kurz drauf landet ein Handtuch auf meinem Kopf.

      Ich zerre es runter, drehe mich mit wütendem Blick zu ihm um, beginne aber doch, das Handtuch unter mein langärmeliges Shirt zu schieben und mich abzutrocknen. Es fühlt sich merkwürdig intim an, mit ihm im Bad zu stehen. Wir beide trocknen uns ab, er ist nackt. Als wären wir ein Paar, das am Morgen gemeinsam unter der Dusche war. Ich werfe ihm das Handtuch gegen den Oberkörper und setze mich wieder neben das Waschbecken, den Blick stur auf die Wand gegenüber gerichtet. Nur um nicht ihn und seinen beeindruckend muskulösen Körper ansehen zu müssen. Sonnengelbe Fliesen, hier und da ein alter Aufkleber mit Disneyfiguren und ausgefransten Rändern.

      »Ist das dein Haus? Habt ihr hier mal gelebt?«, frage ich ihn, um mich abzulenken von dem Gedanken, dass er noch immer nackt ist.

      »Ich weiß nicht, wem es gehört hat, aber es steht schon ewig leer. Ich bin früher manchmal nach einer Jagd hiergewesen. Zum Abschalten.« Nach einer Jagd, wie das klingt. Er hat das Wort schon ein paar Mal benutzt. Es klingt, als würde er in den Wald gehen, um Tiere zu jagen, wenn er es so nebenbei fallenlässt. Aber ich weiß, er redet von Menschen, die er jagt. Der Gedanke stößt mich ab und schockiert mich. Ich mag gar nicht glauben, dass es Menschen gibt, die Menschen jagen. Außer vielleicht Kopfgeldjäger. Ist Ice vielleicht ein Kopfgeldjäger? Das würde einiges erklären. Aber nicht die Morde.

      Ice löst die Handschelle, sobald er fertig ist, vom Waschbecken und macht sie sich wieder um das Handgelenk. Schweigend zieht er mich die schmale Holztreppe nach unten in die Küche. Er führt mich herum wie einen Hund. Und ich folge ihm wie ein Hund. Als mir das bewusst wird, bleibe ich abrupt stehen und stemme mich gegen ihn.

      »Ich bin nicht dein Haustier. Du kannst mich hier nicht festhalten«, keife ich ihn an, als er sich verärgert zu mir umdreht. Sein Blick ist düster, seine Augenbrauen tief über der Nasenwurzel zusammengezogen, Zorn scheint ihm aus jeder Pore zu tropfen. Irgendetwas muss heute Morgen seine Stimmung auf einen Tiefpunkt gedrückt haben.

      »Wenn es nötig ist«, sagt er, packt mich an den Schultern und drückt mich brutal gegen die Wand hinter mir. Er ist plötzlich so kalt, dass es mir den Atem verschlägt. Manchmal ist er … nicht nett, aber immerhin umgänglich. Und ganz plötzlich ist er dann wieder hart, voll von Zorn, und ja, so wie ich mir einen Killer vorstelle. »Genau das habe ich vor.«

      Ich hebe meine freie Hand und ohrfeige ihn mit so viel Kraft, wie ich aufbringen kann, und bin selbst überrascht von meinem Mut, angesichts der Wut in den Augen meines Entführers. Aber ich empfinde auch Wut. Unbändig und brodelnd frisst sie sich heute durch meinen Körper. Eine solche Wut habe ich noch nie zuvor empfunden.

      Er dreht den Kopf zur Seite, atmet schwer aus und lehnt sich mit seinem ganzen Körpergewicht gegen mich. Sultan geht langsam an uns vorbei, was ich nur mitbekomme, weil ich seine Krallen über den PVC kratzen höre. Ice drückt seine Finger so grob in meine Kehle, dass ich nicht schlucken und nur schwer atmen kann. Trotzdem ist er mir so nahe, dass sein Geruch mir in der Nase und auf der Zunge zu liegen scheint. Obwohl er eben erst duschen war, ist da etwas Männliches, sehr Anregendes, das ihn umgibt. Ich atme flach und durch den Mund ein, nicht zu hastig, damit mich die Schwere dieses Geruchs nicht noch mehr anspricht, als sie es ohnehin schon tut. Mein Körper gerät immer mehr in Aufruhr, wenn Ice mir so nahe ist. Und ich verstehe nicht warum. Ich schließe die Augen vor dem Schwindelgefühl, das sich in meinem Kopf breitmacht, und unterdrücke das Zittern meines Körpers, so gut ich kann. Es fühlt sich an, als würde mich die Dunkelheit, die mich mein ganzes Leben schon begleitet, in seiner Nähe überwältigen. Sie wühlt in meinem Kopf, als wolle sie endlich losgelassen werden.

      »Du solltest mich nicht wütend machen. Ich bin heute ziemlich schlecht gelaunt. Es schläft sich nicht so gut, wenn jemand wie du neben einem liegt.«

      Ich hole vorsichtig Luft, aber ich lasse mich nicht von ihm einschüchtern. Ich starre ihn herausfordernd an und spucke ihm ins Gesicht. »Du machst mir keine Angst.« Trotzdem lasse ich die Schultern fallen, entspanne meinen Körper, weil mir die Kraft für noch mehr Kampf fehlt. Ich fühle mich schlapp und krank. Schon gestern Abend hatte ich das Gefühl, dass sich etwas anbahnt. Was ich wirklich nicht gebrauchen kann, ist jetzt auch noch krank zu werden. Reicht denn dieser ganze Wahnsinn der letzten Tage nicht? Aber ich denke, dass dieser Irrsinn schuld daran ist, dass mein Körper schlapp macht.

      »Dieser hübsche Mund macht manchmal Sachen, die mir nicht gefallen. Dabei könntest du damit bestimmt Sinnvolleres tun.« Er gleitet mit seinem Daumen über meine Lippen. Langsam, aber mit genug Druck, um es eine Warnung sein zu lassen. Sein Blick ist auf meinen Mund gerichtet, sein Brustkorb presst sich gegen meinen, noch stärker, wenn er einatmet. So stark, dass ich seinen rasenden Herzschlag spüren kann. »Dieser Mund«, flüstert er heiser. »So verführerisch, so schmutzig. Ich werde dir jetzt meinen Daumen zwischen die Lippen schieben.«

      Ich stoße ein bitteres Lachen aus. Der Griff um meine Kehle lockert sich und ist nicht mehr so schmerzhaft, trotzdem wage ich nicht, mich ihm zu entziehen. »Und was, wenn ich dich beiße?«

      »Dann werde ich dir wehtun. Oder vielleicht gefällt es mir auch.« Seine Augen richten sich auf meine, und um seine Mundwinkel zuckt ein Lächeln. »Finde es heraus.« Der Zorn in seinem Blick ist einem neuen Gefühl gewichen: Verlangen. Ich wünsche mir, dass der Zorn zurückkommt, weil ich besser damit umgehen kann, wenn er mich hasst. Dass er sich nach mir verzehrt, verwirrt mich und lässt mich straucheln. Nein, damit kann ich gar nicht umgehen. Besonders, weil mein Körper heftig und unkontrolliert darauf reagiert.

      Hitze steigt in meine Wangen. Er weiß, was in meinem Inneren passiert, wenn er mir so nah ist. Er fühlt es so sehr wie ich. Er zieht mich an und schürt eine Sehnsucht in mir, die ich mehr als alles andere verabscheue. Aber sie ist da und beschämt mich. Ich kann seine Erektion an meinem Bauch spüren. Und wieder reagiert mein Körper anders, als ich es will. Ich lecke über meine Lippen, ohne dass ich mich zurückhalten kann. Ein Teil von mir will seinen Daumen schmecken. Einem Teil von mir gefällt es, wie grob er zu mir ist. Es ist dieser dunkle Teil in mir, den ich nicht verstehe und den ich bisher nur bei Nick aus mir herausgelassen habe. Und Ice erkennt diesen Teil, denn er lächelt zufrieden.

      »Das macht dich an«, stellt er überrascht fest. »Das sollte es nicht, du solltest dich nicht nach dem sehnen, was ich mit dir tun würde.«

      Ich lache abfällig auf. »Du hast keine Ahnung. Du weißt überhaupt nichts über mich. Sex ist nur gut, wenn er die Fähigkeit besitzt, den Schmerz in dir auszulöschen. Und dafür musst du in die dunkelsten Abgründe einer zerstörten Seele hinabsteigen.«

      »Deiner Seele?«, will er mit rauer Stimme wissen und nimmt die Hand von meiner Kehle.

      Ich wende mich ab, als ich die Neugier in seinem Blick sehe und atme zitternd und ein wenig beschämt ein. Er weiß nichts über mich. Nicht, wie es sich anfühlt, dabei zuzusehen, wie die eigene Mutter sich mit Alkohol und Drogen zerstört. Oder ihren Körper an widerliche Typen verkauft, um neue Drogen zu beschaffen. Er weiß nicht, wie es ist, einsam zu sein, weil in der Schule jeder dich meidet, da deine Mutter eine Stadtbekannte Säuferin ist. Oder wie es ist, den Dealer deiner Mutter in deinen Körper zu lassen, um den Schmerz zu betäuben. Er weiß nichts über mich.

      Ich hole zitternd Luft. Solange ich wütend war und der Zorn an meinem Verstand gezerrt hat, war es leicht, mit ihm zu reden und herauszulassen, was so tief in mir schlummert. Aber jetzt ist es das nicht mehr. »Auch«, bringe ich mühsam hervor und unterdrücke das Verlangen, mir noch einmal über die Lippen zu lecken, weil ich noch immer seine Berührung dort fühle. Ich will nur noch weg von ihm, weswegen ich mich verzweifelt in seinem Griff winde.

      7


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