Goschamarie Mofacup. Stefan Mitrenga

Goschamarie Mofacup - Stefan Mitrenga


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ich fast vergessen …“

      „Verdrängt“, korrigierte Walter. „Das hätte ich auch. Du kannst mir dann ja am Samstag beim Mofacup erzählen, wie es gelaufen ist.“ Das erste Lächeln des Tages huschte über Walters Gesicht. Schadenfreude ist einfach die schönste Freude.

      „Heute teilst du aber ganz schön aus“, sagte Jussuf vorwurfsvoll.

      „Entschuldige“, ruderte Walter zurück. „War nicht so gemeint. Aber ich bin noch etwas neben der Spur. Der extra große Schnaps gestern hat mir nicht gutgetan.“

      Jussuf lachte. „Alles gut. Wenn ich einen Kater habe, darf man mich auch nicht ansprechen. Komm – ich helfe dir den Karren zu beladen.“

      Als Jussuf weg war, machte Walter sich mit Balu auf den Weg. Zum Glück wusste auch Balu mittlerweile welche Haushalte eine Zeitung bekamen, denn Walter hätte an diesem Tag doch den ein oder anderen vergessen. Mit einem leisen „Wuff“ machte er sein Herrchen jedes Mal auf einen ausgelassenen Briefkasten aufmerksam.

      Vor allem wenn es bergauf ging, fiel Walter das Laufen schwer, doch die frische Luft tat ihm gut und es ging ihm mit jedem Meter besser.

      „Scheißndreckn“, schimpfte er, als er das Licht an Eugen Heesterkamps Haus sah. Der ehemalige Lehrer war ein ausgemachter Frühaufsteher. Manchmal hatte Walter das Gefühl, dass Eugen ihm auflauerte.

      „Guten Morgen“, begrüßte ihn Eugen im Morgenmantel. Der Mantel war deutlich zu kurz und entblößte seine haarigen, dünnen Beine, die am unteren Ende in Filspantoffeln steckten. Auf beide Schuhe war ein Katzengesicht gestickt.

      „Sie sind aber spät dran heute. Verschlafen?“

      „Zeitung“, knurrte Walter und drückte Eugen das Blatt in die Hand. Dann stutzte er. Irgendetwas war an dem Lehrer heute anders. Er brauchte ein paar Sekunden, bis er darauf kam.

      „Da hat wohl eine der Bienen Ihre gute Absicht nicht erkannt“, grinste Walter und zeigte auf Eugens Nase, die leuchtend rot und angeschwollen war.

      „Ich weiß auch nicht, was da passiert ist“, antwortete Eugen und tastete unbewusst seine Nase ab. Der Schmerz ließ ihn zurückzucken. „Alles lief prima, aber auf einmal hatte ich eins von den Tierchen in der Nase. Sie ist reingekrochen und hat sofort gestochen. Ich hab sie rausgepustet, aber der Stachel blieb innen stecken. Ich hab ihn erst zu Hause mit einer Pinzette herausbekommen. Es tut höllisch weh.“

      „Na dann gute Besserung – auch gesundheitlich“, verabschiedet sich Walter fröhlich. Der Tag wurde mit jeder Minute besser. Außerdem nahm er sich vor, später noch in die Bäckerei nach Bavendorf zu fahren. Er verspürte eine unglaubliche Lust auf ein Stück Bienenstich.

      Die zweite Runde Schlaf hatte Walter gutgetan und er saß gutgelaunt auf der Terrasse. Liesl war herübergekommen und Walter erzählte ihr von Eugens Missgeschick.

      „Er sieht aus wie Pinochio“, lästerte er. „Einen Mordszinken hat er im Gesicht. Richtig dick und rot.“

      „Jetzt hör doch auf, über Eugen herzuziehen“, wies Liesl ihn zurecht, musste aber selber grinsen. „Bei Bienenstichen soll der Saft vom Spitzwegerich helfen. Ich pflücke nachher ein paar und bringe sie ihm vorbei.“

      In Walters Gedanken entstand ein Bild des ehemaligen Lehrers mit Spitzwegerich in den Nasenlöchern, die wie zwei Puschel überlanger Nasenhaare herausstanden. Das Bild gefiel ihm.

      „Mach das“, sagte er und griff nach seiner Kaffeetasse. In diesem Moment meldete sein Handy den Empfang einer neuen Nachricht. Walter entsperrte das Gerät und las, was Anne ihm geschrieben hatte.

      „Scheißendreckn“, flüsterte er.

      „Was ist denn los?“, fragte Liesl besorgt. Walter hielt ihr das Handy hin.

      „Oh Mist“, stimmte Liesl zu.

      Pankys Obduktion war abgeschlossen. Er wurde vergiftet.

      14

      Nur wenige Minuten nach Annes Nachricht, klingelte Walters Handy.

      „Hallo?“, meldete er sich, wie immer ohne Namen.

      „Hubert hier“, antwortete der Ravensburger Kriminalkommissar. „Hast du auch eine Nachricht von Anne bekommen?“

      Walter nickte unwillkürlich. „Ja. Das ist fürchterlich. Was bedeutet das denn jetzt?“

      „Das bedeutet, dass ich einen neuen Fall an der Backe habe. Mein Chef hat ihn mir gerade zugeteilt. Ich sei doch der Spezialist für Morde in Taldorf, hat er gemeint.“

      Walter ahnte, worauf dieses Gespräch hinauslief und versuchte gegenzusteuern.

      „Hör mal … ich würde da mal nicht vom Schlimmsten ausgehen. Es kann auch immer noch ein Versehen gewesen sein … oder ein Unfall … eine Verwechslung … oder sogar ein Selbstmord.“

      „Schon klar“, erwiderte Kripo-Hubert, „glaub mir: ich weiß, was ich zu tun habe. Und das ist zuallererst ein Besuch auf dem Wagnerhof. Ich muss mir den vermeintlichen Tatort ansehen.“

      Walter hoffte immer noch davonzukommen. „Die Adresse hast du ja sicher?“, fragte er scheinheilig.

      „Natürlich“, seufzte Kripo-Hubert, der spürte, dass Walter sich heraushalten wollte. „Und ehrlich gesagt, habe ich mit deiner Hilfe gerechnet. Du kennst die Leute doch und könntest ganz anders mit ihnen reden. Sie wissen noch nichts vom Ergebnis der Obduktion und es wird sicher ein Schock. Ich hätte dich wirklich gerne dabei.“

      Walter hörte das Flehen in Kripo-Huberts Stimme, gleichwohl verspürte er nicht die geringste Lust als Hiobersatz schlechte Nachrichten zu überbringen. Überall erledigte das die Polizei, nur hier in Taldorf, musste er immer mit dabei sein. Warum? Eine Absage lag ihm auf der Zunge, doch er brachte es nicht übers Herz. Sie waren zu gute Freunde und nach allem, was sie in den letzten Jahren gemeinsam erlebt hatten, konnte Walter seine Hilfe nicht verweigern.

      „Natürlich“, murmelte er resigniert. „Wie läuft das ab?“

      Kripo-Hubert räusperte sich. „Ich komme in ungefähr einer Stunde mit einem Mann von der Spurensicherung bei dir vorbei, dann gehen wir zusammen auf den Hof und schauen uns alles an.“

      „Glaubst du wirklich, wir finden da noch was?“, zweifelte Walter. „Panky ist vor vier Tagen gestorben … wahrscheinlich haben sie das Zimmer schon aufgeräumt … vielleicht sogar schon geputzt …“

      „Ich weiß, ich weiß. Aber das ist nun mal die normale Vorgehensweise.“

      Walter wusste wie penibel Kripo-Hubert seiner Arbeit nachging und vertraute ihm.

      „Schön. Dann sehen wir uns in einer Stunde“, beendete er das Gespräch.

      Walter hatte Liesl von Kripo-Huberts Anruf erzählt und sie hatte dem Kommissar zugestimmt. Es würde der Familie bestimmt leichter fallen, wenn jemand dabei war, den sie kannten. Walter war sich da nicht so sicher. Menschen reagierten auf solche Nachrichten sehr unterschiedlich. Außerdem kam unweigerlich die Frage nach der Ursache der Vergiftung auf. Natürlich konnte es sich immer noch um einen fürchterlichen Unfall handeln, doch es war auch möglich, dass Absicht dahintersteckte … dass Panky ermordet wurde. Auch ohne kriminalistische Ausbildung wusste Walter, dass die Täter zu einem hohen Prozentsatz aus dem engeren Umfeld der Opfer stammten. Und wer war näher dran als die Familie? Kurz überlegte er Balu mitzunehmen, verwarf den Gedanken aber wieder. Mit Kripo-Hubert und dem Mann von der Spurensicherung an seiner Seite fühlte er sich sicher.

      Kripo-Hubert und der Spurensicherer kamen mit getrennten Autos. Walter wartete schon vor dem Haus und stieg zu Hubert in den Wagen. Selbst durch die geschlossenen Türen und Fenster konnte er Balus wütendes Geheul hören. Als Walter sich zum Gehen fertig gemacht hatte, war der Wolfsspitz immer aufgeregter geworden und hatte ihn sogar angebellt. Er wusste, dass sein Hund sich nur Sorgen um ihn machte und hoffte, dass er in seinem Zorn nicht das gesamte Haus verwüstete.

      Der Weg zum Wagnerhof war nicht weit, trotzdem nutzte Walter die kurze Zeit, um einen Blick in den Obduktionsbericht zu werfen, den Kripo-Hubert ihm gegeben hatte. Er verstand kaum etwas vom Fachchinesisch der Pathologin. Frau


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