Goschamarie Mofacup. Stefan Mitrenga
In der Ecke saß Max auf zwei übereinandergestapelten Bierkästen, während Faxes Freund Fibi mit einem Baumwolllappen ein Aluteil auf Hochglanz polierte.
„Na, was sagst du?“, fragte Faxe stolz. „Hier siehst du das Gewinner-Mofa vom Goschamarie Mofa-Cup.“
Walter hatte keine Ahnung von Mofas, rein optisch machte es aber wirklich was her. Chrom blitzte, die lackierten Teile reflektierten das Licht der Strahler und der Motor sah aus, als käme er direkt aus der Produktion.
„Hübsch“, sagte Walter unbeholfen, „nettes Mofa …“
Max zog die Stirn kraus. „Nicht „nett“ … das ist eine Hochleistungsmaschine!“
„Eine bis zum Letzten ausgetüftelte Rennmaschine“, ergänzte Fibi und fuhr mit dem Baumwolllappen liebevoll über den Zylinder.
Faxe stellte sich vor das Mofa und verschränkte die Arme.
„Was du hier siehst, war einmal eine Herkules Prima GT, von der sind aber nur noch der Rahmen und der Motorrumpf geblieben. Das Mofa hat jetzt einen wassergekühlten Rollerzylinder, eine neue Zündanlage, einen speziellen Auspuff und einen verbesserten Vergaser. So kommt es jetzt auf knapp zehn PS. Vorher hatte es nur zwei PS. Deshalb haben wir von einem Spezialisten auch noch ein verstärktes Getriebe besorgt, das die Belastung aushält. Hinzu kommt das komplett neue Fahrwerk mit Dämpfern und Federn aus dem Motocrossbereich. Natürlich geht es vor allem um die Leistungssteigerung, aber genauso wichtig ist die Haltbarkeit. Das Rennen am Samstag geht auf Zeit: das Mofa muss zwei Stunden durchhalten und das bei höchster Belastung. Das können wir vorher leider nicht ausprobieren, aber wir versuchen, alle Schwachstellen auszumerzen.“
Jetzt war Walter doch beeindruckt. Ein Mofa mit zehn PS? Das hätte er sich als Fünfzehnjähriger gewünscht.
Plötzlich sprang Max auf und stieß die Bierkästen um, auf denen er gesessen hatte.
„Drohne! Drohne!“, rief er und zog hektisch den Vorhang vors Fenster. Fibi deckte das Glas der Hintertür mit einem großen Stück Pappe ab. Sie verharrten schweigend und lauschten dem typischen Surren des Fluggeräts. Als es sich entfernte, spickelte Fibi durch den Vorhang.
„Entwarnung. Die Drohne ist weg.“
„Was war das denn?“, fragte Walter schockiert.
„Spionage“, erklärte Faxe. „Die Jungs vom Küchenstudio Hämmerle schrauben selber an einem Mofa und versuchen herauszubekommen, was wir hier machen. Aber wir sind auf der Hut!“
„Meinst du nicht, ihr übertreibt etwas?“
„Keineswegs. Stell dir vor: ein anderes Team hat vor ein paar Tagen eine hübsche Blondine geschickt, die angeblich Probleme mit ihrem Auto hatte, dabei hat sie hier in der Werkstatt heimlich Fotos gemacht. Aber wir haben sie erwischt und die Bilder von ihrem Handy gelöscht.“
Walter erinnerte sich an seine Zeitungsrunde. „Wenn das so ist, solltest du aber vorsichtiger sein. Neulich nachts habe ich in der Werkstatt noch Licht gesehen und habe durchs Schlüsselloch geschaut. Das Mofa war gut zu erkennen.“
„Verdammt!“, rief Faxe und schnappte sich einen frischen Baumwolllappen. Mit einem Tacker heftete er ihn ans Garagentor, so dass er das Schlüsselloch verdeckte.
„Danke für den Tipp. Wir hatten uns schon gewundert, woher das Team vom Küchenstudio von unserem Rollerzylinder erfahren hat. Jetzt ist es klar.“
Fibi widmete sich einem weiteren Aluteil, während Max sich eine Flasche Bier aufmachte.
„Was ist denn deine Aufgabe?“, fragte Walter.
„Aufsicht natürlich“, antwortete Max grinsend und nahm einen großen Schluck aus der Flasche.
Faxe zog eine Schublade auf und kruschtelte darin herum.
„Da haben wir sie ja“, sagte er stolz und hob ein Birnchen in die Höhe. „Die baue ich dir jetzt schnell ein, damit wir hier weitermachen können.“
Der Kfz-Mechaniker schleuderte seine langen, schwarzen Haare nach hinten und ging mit Walter nach draußen. Mit wenigen, geübten Handgriffen öffnete er die Motorhaube des Peugeot und ersetzte die Birne. Er startete den Motor und schaltete das Licht ein.
„Wie neu“, sagte er zufrieden und machte die Motorhaube wieder zu.
„Vielen Dank! Mit deinen geschmeidigen Fingern machst du das wirklich wunderbar“, lobte Walter und fragte sich im selben Moment, warum er das gesagt hatte.
Faxe ignorierte das Kompliment und ging zurück zur Werkstatt. „Gib mir mal bei der Goschamarie ein Bier aus, dann passt das.“
Noch bevor Walter etwas erwidern konnte, schloss Faxe die Werksatttür. Zurück blieb sein Duft nach Schweiß und Motoröl. Was für ein Kerl, dachte Walter.
11
Als Walter um kurz nach elf die Augen aufschlug, hörte er ungewöhnlich viele Geräusche. Normalerweise war es hier, im hinteren Teil des Dorfes, so ruhig, dass man getrost bei geöffnetem Fenster schlafen konnte und am Morgen vom Zwitschern der Vögel geweckt wurde, doch in dieser Woche war nichts mehr normal. Die Geräusche kamen vom Festzelt. Mehrere Hämmer trieben lautstark Nägel in Holz, ständig schrie jemand herum und ein nerviges Klappern begleitete den Aufbau der Biertischgarnituren.
Walter ging hinunter in die Küche und öffnete für Balu die Tür zum Garten. Dann setzte er Kaffeewasser auf. Während er wartete, bis das Wasser kochte, lugte er vorsichtig zum Zelt. Viele der Musikanten hatten sich für den letzten Aufbautag offenbar Urlaub genommen und konnten schon am Vormittag mit anpacken. Überall herrschte reges Treiben. Auch um das Zelt herum tummelten sich die Helfer. Absperrungen wurden ineinander gehakt, Strohballen wurden von einem Hänger geworfen und ein Techniker nahm, mit einer unangenehmen Rückkopplung, die Beschallungsanlage in Betrieb. Etwas entfernt vom Zelt wurde unter einem riesigen Schirm eine Bar aufgebaut und ein Traktor schob den Toilettenwagen an den vorgesehenen Platz. Auch Manne und Otto, die beiden weißhaarigen Rentner aus dem Vorderdorf, halfen wieder mit. Walter entdeckte sie einige Meter vom Zelt entfernt, wo sie mit ein paar Anderen eine Zuschauertribüne errichteten. Auf den beiden frisch gemähten Wiesen auf der anderen Seite der Dorfstraße, die als Parkplätze dienen sollten, wurden rot-weiße Absperrbänder gespannt.
„Ganz schön was los da drüben, gell, gell?“
Walter fuhr herum.
„Jetzt erschreck mich doch nicht so“, schimpfte er, lächelte aber zugleich, da er sich über den Besucher freute. „Schön dich zu sehen, Dieterle“, sagte er und bot dem Mann einen Gartenstuhl an.
S’Dieterle war ein Kuriosum im Dorf. Er war vor Jahren aus dem Nichts aufgetaucht und bewohnte seitdem eine alte Hütte am Dorfrand. Die meisten glaubten, er ticke nicht ganz richtig, da er ständig über Außerirdische brabbelte und wirres Zeug erzählte. Nur Walter wusste, dass s’Dieterle einst einer der berühmtesten Anwälte Deutschlands gewesen war und sich nach einem Burnout in die Hütte in Taldorf zurückgezogen hatte. Doch auch die Hütte war nur Tarnung: im Hang hinter ihr befand sich ein alter Weinkeller, den s’Dieterle zu einer komfortablen Wohnung hatte ausbauen lassen.
„Sind wir allein?“, fragte s’Dieterle, der sehr darauf bedacht war, seine Tarnung aufrecht zu erhalten.
Walter nickte. „Ich glaube Liesl ist beim Einkaufen. Jedenfalls fehlt ihr Auto. Und die da“, Walter zeigte zu den Musikanten, „die können uns auf die Entfernung nicht hören.“
Zufrieden ließ s’Dieterle sich auf den Stuhl sinken. Er genoss Walters Gesellschaft, da er dann nicht den Idioten spielen musste.
„Da bist du ja ein echter Glückspilz“, grinste er, „du hast die nächsten Tage das Fest vor der Haustür.“
Walter gab einen undefinierbaren Brummlaut von sich. „Wir können gerne tauschen, dann ziehe ich in deiner Hütte ein.“
S’Dieterle winkte ab. „Lass mal … ich bin da auch nicht scharf drauf. Ich werde am Freitag zum Feierabendhock kommen und am Sonntag nochmal zum Frühschoppen. Das Mofarennen überlasse ich den Anderen.“
„Du hast wenigstens eine Wahl“, seufzte Walter. „Liesl und ich