Goschamarie Mofacup. Stefan Mitrenga
willst du denn wissen, dass es kein Mord war?“, hakte Kitty nach. „Nur weil er alt war, heißt das noch lange nicht, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist.“Balu knurrte verärgert. „Mal nicht den Teufel an die Wand. Wem sollte Pankys Tod denn etwas bringen?“Die Tigerkatze legte den Kopf schief. „Tja, das ist die Frage, um die es immer geht.“
Walter hatte noch immer seinen Morgenmantel an. Mit einer frischen Tasse Kaffee setzte er sich an das kleine Tischchen auf der Terrasse, musste aber vorher einen ganzen Berg roter Katzenhaare von seinem Stuhl wischen. Er saß kaum, als er Liesls Wagen in der Einfahrt hörte.
„Stell dir vor, was passiert ist“, keuchte sie kurz darauf atemlos. „Panky – der Alte, den du mir beim Zeltaufbau vorgestellt hast … er ist tot.“
Walter verschluckte sich an seinem Kaffee und stellte die Tasse hustend auf den Tisch. „Was? Wieso? Woher weißt du das?“
„Ich war im Lidl in Neuhaus und habe Karle aus Alberskirch getroffen. Der hat es mir erzählt.“
Walter konnte es nicht glauben. „Ja aber wie? Was ist passiert? Wusste Karle das auch?“
Liesls Atem beruhigte sich etwas und sie zeigte auf Walters Kaffeetasse, der zur Bestätigung nickte. Bevor sie weitersprach, nahm sie einen Schluck.
„Es war nichts Außergewöhnliches, meint Karle. Sie haben ihn heute Morgen in seinem Bett gefunden und den Notarzt angerufen. Sein Hausarzt kam dann auch noch, der hat aber nur noch den Tod festgestellt.“
„Wie furchtbar für Andrea und Steffen … und für Pankys Enkel. Soviel ich weiß, hatten sie ein sehr gutes Verhältnis.“
„Kennst du sie gut?“
„Wen? Die Enkel?“
„Alle. Die ganze Familie eben.“
Walter seufzte. „Mit Panky hab ich mich immer gut verstanden. Auch wenn er sich die letzten Jahre rar gemacht hat, war es immer nett ihn zu treffen. Er hatte so einen ganz besonderen Humor. Ein bisschen schräg, aber lustig. Seine Tochter und ihren Mann kenne ich eigentlich nur vom Sehen. Die sind ja auch einiges jünger als ich. So um die vierzig, schätze ich. Aber auch die waren immer sehr freundlich. Der Steffen hat mal mein Auto mit dem Traktor aus einer sumpfigen Wiese gezogen. Er wollte gar nichts dafür haben. Netter Kerl.“
„Jetzt ärgert es mich fast, dass ich Panky nicht besser gekannt habe“, sagte Liesl leise. „Da wohnt man nur ein paar hundert Meter voneinander entfernt und ich habe ihn erst am Samstag kennengelernt.“
Walter nickte. „Das lag aber nicht an dir. Als vor ein paar Jahren Pankys Frau gestorben ist, hat er sich total zurückgezogen. So wie ich damals auch.“
Liesl verstand. „Nur, dass du eine neue Nachbarin bekommen hast, die dich in den Hintern getreten hat …“
„Genau“, lächelte Walter und gab Liesl einen Kuss. „Und dafür bin ich dir bis heute dankbar.“
„Was macht man denn bei so einem Anlass im Dorf?“
„Da gibt es keine festen Regeln, aber ich werde heute Nachmittag mal rüber gehen und meine Hilfe anbieten. Vielleicht brauchen sie ja irgendwas.“
„Das ist eine sehr nette Geste, aber geh bitte allein. Ich kenne die Leute ja gar nicht. Da scheint es mir nicht angemessen.“
Sie blieben noch eine Weile auf der Terrasse sitzen, dann verabschiedete sich Liesl in die Küche. Sie kündigte einen großen Salat mit Putenschnitzel an. Walter ging ins Schlafzimmer und zog sich um. Da der Schrank schon offen stand, inspizierte er seinen schwarzen Anzug, den er immer zu Beerdigungen trug. Demnächst würde er ihn wohl brauchen.
7
Es war kurz nach drei, als Walter mit Balu das Haus verließ. Am Festzelt waren die Seitenplanen hochgerollt und eine kleine Gruppe hatte begonnen, den Zeltboden zu verlegen. Unter ihnen waren auch Manne und Otto, zwei weißhaarige Rentner aus dem Vorderdorf, die Walter mit ihren behandschuhten Händen zuwinkten. Er beschleunigte seine Schritte, um nicht den Eindruck zu erwecken, er hätte zu viel Zeit, sonst könnte ja jemand auf die Idee kommen, ihn für die Arbeiten im Zelt einzuspannen.
Er sah absichtlich in die andere Richtung, wo neben der Straße ein tiefer Graben verlief. Er versuchte den Wasserstand auszumachen, doch da war nichts. Bei starken Regenfällen sprudelte hier das Wasser und auch über das Jahr hinweg plätscherte immer ein kleines Rinnsal friedlich vor sich hin, doch nun war der Graben bis auf den Grund ausgetrocknet. Walter erinnerte sich noch gut an die Hitzewelle im letzten Jahr, als sogar das Gießen und Rasensprengen verboten worden war. Sie brauchten dringend Regen, aber wenn man dem Wetterbericht glaubte, blieb es die ganze Woche sonnig und heiß.
„Heit bisch aber fria dra“, rief Marie über den Hof, als sie Walter entdeckte. Sie leerte einen Eimer mit Putzwasser in den ausgetrockneten Bach vor der Wirtschaft. „Komm rei, i hon dir au a kalts Bierle aus’m Kiehlschrank. Des brauchsch bei därra Hitz.“
Doch Walter lehnte ab. „Danke Marie, aber ich will gar nicht zu dir. Ich schaue mal auf dem Wagner-Hof vorbei …“
Marie nickte betroffen. „Jo, do hosch recht. Isch scho traurig, dass dr Panky jetzt nimme isch. Wär hett dänkt, dass des sooo schnell goht?“
„Ich komme vielleicht später noch auf dein Angebot zurück“, rief Walter und hob die Hand zum Gruß. Ein kaltes Bier war einfach zu verlockend.
Auf dem Wagner-Hof war alles ruhig. An den meisten Fenstern waren die Rollladen heruntergelassen, die Eingangstür stand einen spaltbreit offen. Walter wollte gerade klingeln, als er Stimmen im Haus hörte.
„Das kommt überhaupt nicht in Frage! Das hätte er nie gewollt!“, rief eine verärgerte Frauenstimme.
„Jetzt glaub mir halt“, drängte eine Männerstimme, „wir haben in letzter Zeit ein paar Mal darüber gesprochen und er hat mehrmals beteuert, dass er eingeäschert werden möchte.“
„Niemals. Du lügst!“
„Warum sollte ich lügen? Bringt doch nichts. Er hat seine Meinung eben geändert.“
„Nix hat er geändert. Für seine letzte Ruhe hat er sich nichts mehr gewünscht, als neben Mama beerdigt zu werden, in einem schönen Sarg und nicht als Asche in einer kleinen Dose.“
„Ach – und wann hat er das gesagt? Bestimmt vor ein paar Jahren!“
Keine Antwort.
„Siehst du: er hat es sich anders überlegt. Jetzt stell dich doch nicht quer und verweigere deinem Vater seinen letzten Willen. Wir sollten uns nur beeilen, damit wir einen Termin beim Krematorium machen können.“
„Ich will das nicht!“, schrie die Frauenstimme verzweifelt. „Und ich weiß, dass Papa das auch nicht wollte und damit Schluss!“
Der Mann resignierte. „Du musst dich erst mal beruhigen. Du bist ja völlig durch den Wind. Lass uns später nochmal darüber reden.“
Walter fand, es sei ein guter Moment um zu klingeln.
Dingdong.
„Hallo?“, rief er durch den Türspalt. „Jemand da?“ Er wollte nicht, dass die beiden das Gefühl hatten, er hätte sie gerade belauscht. Andrea öffnete ihm die Tür und blinzelte ins Sonnenlicht. Sie hatte geweint und ihre Augen waren gerötet.
„Hallo Walter, schön dich zu sehen. Was kann ich denn für dich tun?“ Sie wirkte zerbrechlich und sprach sehr leise. Walter vermutete, dass sie ihre letzte Energie bei dem Streit, den er mitangehört hatte, aufgebraucht hatte.
„Ich bin nur gekommen, um zu sagen, wie leid es mir tut. Mein aufrichtiges Beileid.“ Walter trat näher heran und umarmte Andrea sanft.
„Das ist lieb von dir“, schluchzte sie und zog ein zerknülltes Papiertaschentuch aus der Tasche, um sich die Nase zu putzen.
„Und ich wollte anbieten … also … wenn ihr irgendwas braucht … wenn ich euch helfen kann … dann sag mir einfach Bescheid.“
Sie nickte und wollte etwas sagen, doch in diesem Moment rauschte ein Auto in den