Goschamarie Mofacup. Stefan Mitrenga
du bist kein Anfänger?, dachte Walter, hielt sich aber zurück.
„Wissen Sie … das hat was mit der richtigen Einstellung zu tun“, dozierte Eugen. „Die Bienen spüren, ob man ihnen etwas antun will. Wenn man nur gelassen und ruhig vorgeht, tun sie einem nichts. Und dank meiner Yoga-Erfahrung habe ich meine Ausstrahlung immer unter Kontrolle.“
„Das müssen Sie mir dann mal zeigen“, sagte Liesl. „Also, ich würde mich das ja nicht trauen. Ohne Schutzkleidung. Ich habe schon Panik, wenn hier eine Biene um den Kuchen kreist.“
„Sehen Sie meine Liebe, genau da liegt das Problem: die Biene spürt Ihre Panik und wird dann aggressiv. Sie müssen versuchen, ruhig zu bleiben, dann passiert nichts. Probieren Sie das beim nächsten Mal.“
Walter bevorzugte bei Bienenangriffen die Zeitungsmethode: Zeitung zusammenrollen und dann wie einen Baseballschläger schwingen. Bei einem Treffer wird die Biene weggeschleudert, aber nicht verletzt. Zumindest glaubte Walter das.
Eugen sah auf die Uhr. „Dann geh ich mal und hole meine fleißigen Mädels. Ich erzähle Ihnen dann, wie es gelaufen ist.“
Walter überlegte ob es bei Imkern einen speziellen Gruß gab, wie „Waidmanns Heil“ bei den Jägern, oder „Hals und Beinbruch“. Da ihm nichts einfiel, hob er wortlos die Hand.
„Ist ja schon spannend, dass der Eugen unter die Imker geht“, sagte Liesl nachdenklich. „Vielleicht solltest du dir auch ein Hobby zulegen.“
Sofort klingelten bei Walter die Alarmglocken. Das Schreckgespenst „Tanzkurs“ lugte in seiner Fantasie schon ums Eck.
„Ich hab doch auch so schon genug zu tun“, versuchte er abzulenken. „Und wenn ich mal Zeit habe, verbringe ich die gerne mit dir oder meinen Freunden. Ein Hobby wäre da nur im Weg.“
Mit einem „Ping“ meldete Walters Handy die Antwort von Anne.
„Ja. Pankratz Wagner ist bei uns zur Autopsie. Vermutlich am Freitag. Viel los gerade.“
Ein Herzchen-Emoji beendete ihre Nachricht.
Walter drehte das iPhone zu Liesl. „Panky ist in der Autopsie. Dann hat Andrea doch auf Creszenz gehört.“
Liesl überflog die Nachricht und machte ein nachdenkliches Gesicht. „Dann hoffen wir mal, dass eure Gesundbeterin falsch lag.“
10
Walter klappte das Verdeck seines Peugeot 205 nach hinten und fuhr ihn aus der Garage. Er schaltete das Abblendlicht ein und lief, bei laufendem Motor, einmal um den Wagen. Tatsächlich: vorne rechts ging das Licht nicht. Liesl hatte ihn neulich abends darauf aufmerksam gemacht.
„Scheißndreckn“, fluchte er und wählte auf seinem Handy Faxes Nummer.
„Muss das echt heute sein?“, maulte der Kfz-Meister. „Wir schrauben immer noch am Mofa und es ist schon Mittwoch. Uns läuft die Zeit davon.“
Walter hatte Verständnis, doch er wollte nicht mit einem kaputten Licht herumfahren.
„Geht doch ganz schnell. So ein Birnchen wechselst du doch in zehn Minuten.“
„Dann komm um vier kurz vorbei“, gab Faxe nach. „Aber stell dein Auto vor der Werkstatt ab. Du kannst nicht reinfahren. Da steht das Mofa.“
Walter bedankte sich und setzte sich mit einer Apfelschorle auf die Terrasse. Gefühlt, drehte sich alles nur noch um dieses Mofarennen. Den ganzen Tag über waren im Dorf Mofas auf Testfahrt unterwegs. Ihre Zweitaktmotoren kreischten in unvorstellbaren Drehzahlbereichen und hinterließen blaue Dunstwolken. Im Festzelt war es jetzt,am frühen Nachmittag noch ruhig. Die meisten der Musikanten mussten arbeiten und würden erst später zum Helfen kommen. Nur Gustl, der Elektriker aus Wernsreute, hatte sich offensichtlich frei genommen. Mit zwei Helfern verlegte er überall Kabel und band sie hoch. Wo das nicht ging, schützte er sie durch schwarz-gelbe Schwellen am Boden.
Walter ging zu Gustls Elektriker-Bus. „Kann dir da niemand helfen? Das sind ja Kilometer an Kabeln.“
Gustl wischte sich Schweiß von der Stirn. Sein T-Shirt war durchgeschwitzt. „Da bin ich gar nicht so scharf drauf. Bei der Elektrik muss alles stimmen. Da will ich keine Laien dabeihaben.“
„Was sind das denn für Kisten?“, erkundigte sich Walter und zeigte auf zwei riesige, graue Würfel hinter dem Zelt.
„Stromaggregate.“
„Wofür das denn? Da vorne ist doch ein Verteilerkasten. Warum zapft ihr den nicht an?“
Gustl lächelte. „Da sieht man, dass du kein Elektriker bist. Natürlich sind wir auch an dem Verteilerkasten dran, aber bei Hochbetrieb reicht der Strom von da nicht. Überleg mal: die ganze Beleuchtung, die Soundanlage und vor allem die Kühlschränke und Fritteusen. Ohne zusätzliche Stromquellen ständen wir da ganz schnell im Dunkeln.“
Darüber hatte sich Walter wirklich noch nie Gedanken gemacht. Für ihn kam der Strom aus der Steckdose. Immer. In ausreichender Menge. Allmählich dämmerte ihm, welcher enorme logistische Aufwand hinter dem Fest steckte.
Gustl hievte stöhnend ein weiteres Starkstromverlängerungskabel aus seinem Bus und schleifte es ins Zelt. „Nix für ungut Walter. Ich muss weitermachen, bevor die anderen kommen und mir im Weg rumstehen.“
Walter ließ den Elektriker weiterarbeiten und kehrte auf seine Terrasse zurück. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Balu nicht da war. Er machte sich aber keine Sorgen. Seit Georgs Hündin Chiara von Balu trächtig geworden war, und sechs wunderschöne Welpen bekommen hatte, stattete der Wolfsspitz dem Hof hinter dem Hummelberg regelmäßig einen Besuch ab. Georg hatte einen der Welpen behalten, Fred, und Balu erwies sich als vorbildlicher Hundepapa. Bei jedem seiner Besuche spielte er mit Fred und Chiara bis zur Erschöpfung.
„Nichts zu tun?“, fragte Liesl und riss Walter aus seinen Gedanken.
„Ich warte, bis ich zu Faxe kann. Er macht mir eine neue Birne in den Peugeot.“
Liesl lächelte. „Was würden wir auch ohne Faxe machen? Ist er eigentlich noch mit dieser Uschi vom Landesdenkmalamt zusammen?“
Walter schüttelte den Kopf. „Schon lange nicht mehr. Die Fernbeziehung war ihm auf Dauer dann doch zu fern.“
„Da wird sich der Rest der Frauenwelt freuen“, sagte Liesl, die Faxes Wirkung auf das andere Geschlecht schon am eigenen Leib erfahren hatte. Er zog Frauen auf magische Art und Weise in seinen Bann und selbst Männer verhielten sich in seiner Gegenwart oft merkwürdig.
„Ich glaube, im Moment hat er nur Augen für das Mofa, an dem sie herumbasteln. Ich bin gespannt, ob es sich lohnt.“
„Jetzt ist es ja nicht mehr lange hin: am Samstag werden wir sehen, was die Jungs in ihren Werkstätten geschafft haben.“
Walter sah auf die Uhr. „Ich fahr dann mal. Wenn er sich schon Zeit für mich nimmt, will ich pünktlich sein.“
Normalerweise war das Tor zu Faxes Werkstatt immer weit geöffnet, doch nun waren die Türen verschlossen. Walter parkte den Peugeot irritiert an der Straße und klopfte an das Tor.
„Eintritt verboten. Eltern haften für Kinder. Kinder haften für ihre betrunkenen Eltern!“, stand auf einem handgeschriebenen Schild.
Das Tor öffnete sich einen Spalt und Faxe lugte heraus.
„Ach, du bist es Walter“, sagte er erleichtert und stieß das Tor weiter auf.
Walter wollte hineingehen, doch Faxe hielt ihn zurück.
„Erst unterschreiben“, befahl er und hielt ihm ein Papier unter die Nase.
Unter der Überschrift „Verschwiegenheitsvereinbarung“ wurde erklärt, dass der Unterschreibende sich verpflichtet, mit Nichts und Niemandem über das zu sprechen, was er in der Werkstatt sah oder hörte. Bei Zuwiderhandlung wurde eine Strafe von zehn Kästen Bier angedroht.
Walter sah verwundert auf. „Was soll das? Baut ihr hier das neue Bond-Auto?“
Doch Faxe blieb hartnäckig. „Unterschreiben! Hier!“
Walter seufzte und setzte seine Unterschrift