Doomscroll. Volker Fundovski

Doomscroll - Volker Fundovski


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Der Alte und das Gewehr

       Verlust (Kann die Liebe dem Doomscrolling Paroli bieten?)

       Wie der böse Terminator84 zum lieben Herbie2020 wurde

       Die Jugend, die Jugend

       Der Schleicher oder Pirschen kontra Schleichen (Freiheitsdrang kontra Angst)

       Das Basic-Instinkt-Syndrom

       Ungeimpft, durch die Geimpften geschützt?

       Neusprech hängt Somewhere ab (fragmentarischer Versuch eines Pamphlets)

       Präzedenzfall

       Von Varianten, Mutanten und erfreulich hoher Impfbereitschaft

       Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, oder: wie sein 15 jähriger Sohn dazu kam, 15 Stunden pro Tag 'den Computer zu drücken'. (Ein Erwachsenwerden im Tollhaus der Unterbindung)

       Komfortzone

       Bäckerware

       Der lange Atem des Gefallenlassens

       Grüße aus dem Mutationsgebiet

       Die Modifikation des neuen Miteinanders

       Raus hier, nur raus

       Ein Epilog und gleichsam Widmung an einen Sohn

       Impressum neobooks

      Teil 1

      Wer nach außen schaut, träumt. Wer nach innen schaut, erwacht

      (Carl Gustav Jung)

      Neotribalismus

      Falls er sich recht besann, so musste es für ihn mit dem Rückbau des öffentlichen Wanderparkplatzes oberhalb der Buchenegger Wasserfälle seinen Anfang genommen haben. Es war nicht auszuschließen, dass die Auflösung der Parkmöglichkeiten den überstürzt angeordneten und als drakonisch zu erachtenden Maßnahmen zuzuschreiben war, welche die Regierung derzeit zur Bekämpfung der sogenannten Pandemie mit nationaler Tragweite erlassen hatte. Folglich sollte der Rückbau - wenngleich es sich hierbei um einen etwas unbeholfenen Hotspotbeseitigungsversuch seitens bajuwarischer Behörden handelte - dem Bevölkerungsschutz dienen und somit von Tagesausflüglern akzeptiert oder zumindest berücksichtigt werden. Durch die strikten Ausreisebeschränkungen hatte sich der diesjährige Tourismusstrom radikal umgelagert, worauf die süddeutschen Ferienregionen durch eine starke Frequentierung nie dagewesenen Ausmaßes belastet wurden. Dass diese unschuldig und perspektivlos anmutende Rückbaumaßnahme nur ein unbedeutend geringer Teilbereich in einem beispiellosen Sammelsurium irrationaler Prozesse und staatlich verordneter Grundgesetzbeschränkungen bilden dürfte, sollte mittlerweile den meisten Bürgern klar geworden sein. Man konnte den Menschen das Bedürfnis nach freier Bewegung nicht einfach austreiben, indem man die Infrastruktur der jahrzehntelang geförderten Ausbaumaßnahmen und Innovationen im Bereich der Freizeit- und Tourismusindustrie, kurzerhand zurückbaute. Der Auftakt eines aufkeimenden, in vielen Köpfen emporkommenden Phänomens war unlängst eingeleitet.

      „Jüngst habe ich mich einem neotribalen Projekt angeschlossen. Zwar war der Initiationsritus - eine persönliche Unterredung mit dem Gründer des Projekts - alles andere als angenehm, musste seiner Ansicht nach jedoch vollzogen werden. Um die mir in den Augen des therapeutisch geschulten Initiators anhaftende Konditionierung im Innersten zu sprengen (Glaube an Eigentum, Bindung, Bildung, Erziehung, Familiensinn, Zweisamkeit als letztes Kleinod etc.). Aufgrund meines bereits zumindest ansatzweise gelebten Primitivismus wurde ich dann auch sogleich als außerordentliches Mitglied aufgenommen, was mir einen gewissen Vorzug versprach und vor allem die Einhaltung strenger Probezeit-Auflagen ersparte. Meine harte Arbeit an und bestenfalls mit den Elementen hat mir hierin wohl einen großen Vorteil eingeräumt. Die stehen hier regelrecht auf extravagante Gartenbauer. Ich versuche den Schein nicht gänzlich zu wahren, ihn aber auch nicht voreilig abzulegen. Stets verwechseln die Leute die Vorzüge des autarken Gemüsebaukults mit den Unerträglichkeiten lohnarbeitsgebundener Kreativitätsdienstleistung.

      Und du versuche mich bitte nicht aufzusuchen. Es war und ist meine freie mündige Entscheidung! Fürs erste scheine ich angekommen zu sein in der lang ersehnten Gemeinschaft!

      Ohnmächtig verschrobenes Einzelgängertum, panisch verkappte, intellektuell übersensibilisierte Individualisierung - Schnee von Gestern! Kein Raum mehr zum Trübsal-blasen. Dieses rückgratlose Rühren und Rudern im Leeren Raum, dieses innere degenerierte Gejammer - vorbei. Verzeih, du kennst meine Ausführungen. Individuelle Glückssuche kann auf Dauer zu enormen Verwachsungen führen. Auch ewige Sinnes-Drangsal, Eigendünkel, die Pein des Scheiterns, die daraus folgende Sinnesfinsternis und Selbstaufgabe. Alles nur allzu bekannte Instanzen. Diese pervertierte erkrankte Gesellschaft, deren Teil ich doch irgendwie bis zuletzt war, ist nicht zu retten, geschweige denn weiter durch mein Zutun - wie auch immer ein solches geartet sein könnte - zu unterstützen. Ist es nicht an der Zeit, sich elementar zusammenzuschließen, neue Wege zu begehen, indem man seinem verödeten Leben eine gesunde Dosis Gemeinschaftssinn hinzu träufelt, oder am besten gleich in Neotribalem Primitivismus einer archaisch anmutenden Stammessippschaft aufgeht.

      Und die Frauen - sie zeigen sich offen wie schwingende Saloontüren. Und erst die Bärte der Männer... sie würden dir sicher gefallen...ganz zu schweigen…

      Ja, ich möchte dich locken und doch liegt mir nichts daran, was beweisen mag, wie es doch in letzter Zeit verdammt nochmal um uns stand!“

      Laut dem französischen Soziologe Maffesoli beginnt die Logik der Vergemeinschaftung die Logik der Vergesellschaftung abzulösen. Der Mensch werde in Zukunft vielmehr zwischen den Zugehörigkeiten diverser Stammeskulturen seinen Platz finden als in statisch fixem Milieu, also in permanentem Wandel und erforderlicher Flexibilität. Diesen Idealtypus Mensch nennt Maffesoli den postmodernen Nomaden, der, vorbei an Institutionen, sein selbstbestimmtes Leben auszurichten vermag. Der Soziologe imaginiert in seiner Forschung diesen Werdenden und Unabkömmlichen, als eine Art flexiblen und ruhelosen Springer zwischen den Welten herauf, als einen dem dionysischen Prinzip zugewandten Ekstatiker und Spagatler zwischen Ideal und Wirklichkeit, der frei und ausgestattet mit dem nietzscheanischen Willen zur Macht, zwischen all den ihm zur Verfügung stehenden Lebensformen umherswitcht.

      In der Postmoderne sei nach Maffesoli der Typ Mensch, welcher sich durch kreativen willentlichen Schöpferdrang vom Korsett des Neoliberalismus lossagt, der entscheidende Brückenerrichter hin zu einem sozialem Miteinander. Durch diesen lebensgestaltenden Rausch des permanenten Wandels und steten Werdens erfolgt in ihm eine vielen sozialen Kreisen gleichsam verbundene Zugehörigkeit.


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