Verlorene Fassung. Ute Dombrowski

Verlorene Fassung - Ute Dombrowski


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hat sie den Ehevertrag erwähnt und die Kinder ins Spiel gebracht, die doch ihren Vater brauchen. Mandy war einfach feige.“

      „Das sind harte Worte. Sie könnten auch ein Motiv sein. Vielleicht hat sie ihn an dem Abend verfolgt, denn wir wissen, dass er sich mit jemandem getroffen hat. Seine Hose stand offen, wenn Sie verstehen.“

      „Oh ja, ich verstehe. Seine Hose stand immer offen, auch mich hat er öfter angemacht oder mit anzüglichen Bemerkungen über meinen Hintern genervt. Mandy aber wollte immer heile Welt spielen. Ich konnte sie dann nur trösten, wenn es wieder mal schlimm war. Er hat ihr sogar mal eine gescheuert.“

      „Hat sie das angezeigt?“

      „Was denken Sie denn? Natürlich nicht. Sie hat ihm verziehen und ich glaube ihr auch, dass es nur einmal war.“

      „Und die Kinder? Ging es ihnen gut?“

      „Ja, sie waren seine Schätze, wie er immer sagte. Er hat ihnen jeden Wunsch erfüllt. Besonders der Kleinen.“

      Susanne lächelte. Auch in den miesesten Typen schlummerte ein guter Kern. Er war vielleicht als Mann ein Blindgänger, aber als Vater lief es gut. Die Mutter spielte diese heile Welt nicht nur, sie lebte sie.

      Susanne bedankte sich für die offenen Worte und versprach Mandy gegenüber Stillschweigen. Als sie nach Robin sehen wollte, kam der gerade aus dem Wohnzimmer. Sie verabschiedeten sich. An der Tür drehte sich Susanne nochmal um.

      „Warum sind die Kinder heute nicht zuhause?“

      Marianna sagte leise: „In der Schule sind sie abgelenkt. Sie wollten auch nicht zuhause bleiben. Ich kann sie gut verstehen. Der Schmerz ist betäubt, wenn man zu tun hat.“

      Susanne nickte, denn sie wusste das aus eigener Erfahrung.

      5

      „Wann kommst du denn wieder raus aus dem Knast?“, wollte Leo wissen.

      Jewgeni hatte vor sich hin gedöst und wie von Ferne das Dauergeschwätz von Leo gehört.

      „Keine Ahnung, dauert noch“, sagte er. „Und du?“

      Er fühlte ein Fünkchen Hoffnung auf Ruhe.

      „Ich denke, nächsten Monat. Vielleicht auch schon früher. Meine Zeit ist rum. Warum bist du eigentlich im Knast?“

      Jewgeni winkte ab.

      „Wir wurden verraten.“

      „Wer wir?“

      „Mein Boss, meine Kollegen und ich.“

      Leo fuhr sein Bett hoch und beugte sich interessiert zu Jewgeni hin, aber der große Glatzkopf schwieg. Er hatte plötzlich einen Ausdruck im Gesicht, der jeden anderen in die Flucht geschlagen hätte, doch bei Leo löste er eine unfassbare Neugier aus.

      Jewgenis Kiefer mahlten, er hatte die riesigen Hände zu Fäusten geballt und man sah ihm an, dass das ein Thema war, was ihn sehr aufwühlte. Der Monitor zeigte einen beschleunigten Puls.

      „Los, erzähl mir alles. Manchmal hilft das schon. Und wenn nicht, dann denken wir uns eine schöne Rache aus.“

      Jewgeni sah in die gierigen Augen seines Bettnachbarn. Der Typ hat einen irren Blick, dachte er, der ist schon sehr schräg.

      „Ich war die rechte Hand eines Immobilienmaklers. Das war ein ganz großes Ding: Wir haben alte Häuser im Rheingau für einen Appel und ein Ei gekauft, indem wir den alten Leuten, die meistens dort wohnten, erklärt haben, dass das Haus bald unbewohnbar ist. Baumängel, hohe Sanierungskosten, du verstehst schon. Das hat natürlich nicht gestimmt, aber die Leute haben lieber verkauft als zu investieren. In Eltville lief es dann mit der neuen Idee noch besser. Ludger hat den Leuten eine halbe Million blanko geboten und eine neue Wohnung dazu.“

      „Wo ist das Problem?“

      Jewgeni grinste bösartig.

      „Wir haben so lange gebohrt, bis sie eingewilligt haben. Zwei Typen haben ins Gras gebissen. Mann, es ging doch nicht um die alten Häuser. Mit dem Grund und Boden im Rheingau kann man sich eine goldene Nase verdienen. Da sind Millionen drin.“

      „Was ging schief? Schließlich bist du jetzt im Knast und nicht in einer Villa.“

      „Ludger hatte mehrere Leute ganz oben, die er geschmiert hat. So hat zum Beispiel der Staatsanwalt die Hand aufgehalten und dafür wichtige Infos gegeben oder Akten verschwinden lassen. Das haben die Bullen irgendwie mitgekriegt und ein Typ hat sich bei uns eingezeckt. Gab sich als Anwalt aus, war aber letztendlich von der Staatsanwaltschaft. Dieser Scheißverräter!“

      Jewgeni boxte in die Luft.

      „Und dann?“

      „Meine Kollegen sind im Knast, ich bin im Knast, meine Alte ist mit den Kindern abgehauen und meinen Boss haben die Bullen abgeknallt.“

      „Tzzzz …“, zischte Leo.

      „Du sagst es.“

      „Scheiß Bullen. Du musst dich rächen. Leg alle um! Echt, dann kannst du deine innere Ruhe wiederfinden.“

      Leo kreischte hysterisch.

      Jewgeni sah Leo entsetzt an, der ihn anfeuerte wie bei einem Wettlauf. Der Typ war ja noch verrückter als er.

      „Nein, ich habe meine Familie verloren, das reicht. Wenn die mich nochmal länger einbuchten, wäre das schlimm.“

      „Hast du einen umgelegt?“

      „Nein, das war Sandro. Ich habe nur ab und zu einen weichgeklopft. Und eine Frau entführt, die Tochter vom Pfarrer.“

      Leo brach in wieherndes Gelächter aus. Jewgeni bekam eine Gänsehaut.

      „Warum bist du im Knast?“

      „Ich habe ein paar alte Omas beklaut. Dieses Mal.“

      Jewgeni dachte: Was für ein Wichser. Kein Wunder, dass dieser schlaffe Kerl das Opfer Nummer eins war. Aber er würde ihm helfen, die letzten Tage hier gut zu überstehen. Die Mitgefangenen hatten großen Respekt vor ihm, denn er lachte nie und bewegte sich wie ein Schwergewichtsboxer. Er wusste, dass er unantastbar war. Einer hatte ihm Schnaps besorgt, ein anderer Schokolade.

      „Die Schlampe von der Polizei wurde vor kurzem erschossen. Aber der Staatsanwalt, dieser Verräter, macht fett Karriere.“

      „Dann lass ihn uns umlegen, wenn wir hier rauskommen.“

      Jewgeni dachte nach. Was Leo hier so sachlich sagte, hörte sich gut an. Er schloss die Augen und sah Eike, der eigentlich Eric hieß, vor sich. Der Typ war arrogant und hielt sich für etwas Besseres. Er hatte Ludgers Mitarbeitern immer deutlich gezeigt, dass er sie für billige und dumme Handlanger hielt.

      Leo plapperte weiter: „Wir beobachten den eine Weile, dann erwischen wir ihn, wenn er am wenigsten damit rechnet, und stechen ihn ab. Oder du haust ihm eine rein und schmeißt ihn in die Strömung. Den findet dann niemand mehr.“

      „Ich werde nicht so schnell entlassen.“

      „Vielleicht doch wegen deinem Herz.“

      „Denkst du?“

      „Ja, Mann, ich war mal in einem Knast, da war auch einer total krank. Den haben sie früher rausgelassen.“

      „Hm.“

      Leo lehnte sich zurück und plante wahrscheinlich den bevorstehenden Mord in allen Einzelheiten, als die Schwester hineinkam.

      „Was ist hier los? Es stinkt nach Salami!“

      Jewgeni schloss unauffällig die Augen und tat, als ob er schlief. Leo zuckte mit den Schultern.

      „Ich habe bei meinem Spaziergang ein Brötchen in der Cafeteria gegessen. Das wird es sein.“

      „Also wenn Herr Sabritschek hier heimlich Salami isst, kippt er schneller wieder aus


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