Verlorene Fassung. Ute Dombrowski

Verlorene Fassung - Ute Dombrowski


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maß bei Leo den Blutdruck und die Temperatur.

      „Ich weiß ja nicht, warum Sie noch hier sind. Sie könnten ruhig wieder in ihre WG.“

      „Pah!“

      Die Schwester wendete sich zu Jewgeni und tippte ihn an die Schulter. er öffnete seine Augen und tat so, als wäre er aus einem Tiefschlaf aufgewacht.

      Die Schwester beugte sich über ihn und schnupperte.

      „Aha, da hat jemand gelogen. Herr Sabritschek, Sie müssen sich an den Ernährungsplan halten. Keine Salamibrötchen!“

      „Ist doch egal!“

      „Ihr Puls ist erhöht.“

      „Das liegt dann wohl an Ihnen.“

      „Mit Sicherheit nicht.“

      Die Schwester rollte mit den Augen. Viele Häftlinge dachten, wenn sie mit ihr flirteten, würden sie Vergünstigungen bekommen. Oft war das Gegenteil der Fall, denn sie meldete jeden Versuch einer persönlichen Annäherung ihrem Vorgesetzten. Dann gab es einen Eintrag in die Akte.

      „Nicht was Sie denken, Schwester. Sie nerven nur mit ihrem Gefummel.“

      Wortlos kontrollierte die Schwester die Geräte und verließ das Zimmer ohne weitere Worte.

      „Das hat sie verdient.“

      Leo stand auf, humpelte zum Bad und kam mit zwei kleinen Flaschen zurück, die eine farblose Flüssigkeit enthielten. Eine davon reichte er Jewgeni.

      „Chef, darauf trinken wir einen und auf deine Rache. Jetzt kommt eine Weile keiner.“

      Der Wodka brannte in Jewgenis Kehle und platzte als Feuerball in seinem Magen. Eine wohlige Wärme breitete sich in ihm aus. Der Gedanke an Eric und dessen Verrat vertrieb das Wohlgefühl allerdings rasch wieder.

      „Ich glaube, du hast recht. Ich werde mich rächen. Der Typ hat mir mein ganzes Leben versaut.“

      6

      Susanne hatte nach dem Training bei Marcel noch am Supermarkt angehalten. Noch immer wurde sie dort wie ein Star behandelt, nachdem sie und Robin in ihrem ersten gemeinsamen Fall zwei Trickdiebe gestellt hatten. Die Angestellten nickten ihr freundlich zu, eine Kassiererin winkte. Wenn jemand neu eingestellt wurde, wusste er nach kurzer Zeit, wer sie war und was sie getan hatte.

      Sie schlenderte am Käseregal entlang, warf eine Packung Schnittkäse in den Wagen und bog um die Ecke. Dort prallte sie gegen den Rücken eines Mannes. Es war Eric, der zwei Flaschen Wein in der Hand hielt.

      „Oh, Entschuldigung.“

      Eric schaute Susanne erst grimmig an, dann versuchte er ein Lächeln. Es überzeugte die Kommissarin nicht.

      „Was ist denn los? Kann ich Ihnen helfen?“

      „Nein danke.“

      Susanne nickte und wollte weitergehen.

      „Rot oder weiß?“, fragte Eric plötzlich.

      Susanne sah ihn an.

      „Ich habe weitaus weniger Ahnung von Wein als Sie. Aber ich mag am liebsten Weißwein.“

      „Gut, dann nehme ich den.“

      Er stellte den weißen Burgunder in den Einkaufswagen und bedankte sich.

      „Sie haben Sportklamotten an.“

      Es war nicht klar, ob das eine Frage oder eine Feststellung war. Susanne grinste und nickte.

      „Sie sind ein guter Beobachter. Ich war beim Training.“

      „Was trainieren Sie?“

      „Kampfkunst.“

      „Ah ja. Können Sie das denn noch nicht gut genug?“, fragte er düster.

      Eben dachte Susanne noch, sie könnte sich unbefangen mit Eric unterhalten, da zerstörte er diese Illusion mit einem Satz.

      „Ich lerne dort unter anderem, nicht beleidigt wegzulaufen. Warum müssen Sie immer so unhöflich zu mir sein?“

      „War das unhöflich?“

      Eric lachte los.

      „Ich könnte genauso beleidigt sein. Warum müssen Sie immer alles falsch verstehen? Es war nicht so gemeint.“

      Susanne hielt ihm die Hand hin.

      „Dann entschuldigen Sie. Ich wollte nicht zickig sein.“

      Eric nahm Susannes Hand. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, aber das war nicht unangenehm, im Gegenteil. Die Wärme seiner Hand fühlte sich nach Geborgenheit an, nach Sicherheit. Rasch zog sie ihre weg, denn er hatte ihre Reaktion sehr wohl wahrgenommen, weshalb sich ein Lächeln in seine Augenwinkel schlich.

      Was war das? Susanne wünschte Eric einen schönen Abend und gab vor, sich beeilen zu müssen. Sie lief zur Kasse und sah dort, dass sie nur diese eine Packung Käse im Wagen hatte. Sollte sie lieber morgen einkaufen? Dann kniff sie sich in den Handrücken.

      „Susanne, du bist bescheuert. Hol schnell den Rest und bleib locker.“

      Wie peinlich, dachte sie, dieser Kerl hat mich schon wieder aus dem Konzept gebracht. Und so, wie er sie angesehen hatte, hatte er das auch bemerkt. Reiß dich zusammen, rief sie sich innerlich zu.

      Sie konzentrierte sich wieder auf den Einkauf und sah, dass Eric auf die Kasse zusteuerte. Erleichtert schob sie nun durch die Gänge.

      „Sind Sie verknallt, Frau Kommissarin?“

      Susanne fuhr herum und erkannte die junge Frau, die mit der Kasse unter dem Arm nach hinten ging.

      „Was? Wie? Nein, um Gottes Willen, nein!“

      „Der Typ sieht aber heiß aus. Ich würde da nicht nein sagen.“

      Susanne lachte.

      „Nein, er sieht zwar ganz gut aus, aber der ist nichts für uns.“

      „Ist er schwul?“

      „Nein, das ist er nicht. Er ist Staatsanwalt, mega streng und nicht so nett, wie er aussieht.“

      „Staatsanwalt? Oha, dann will ich ihn auch nicht. Schönen Abend noch!“

      Die Verkäuferin winkte fröhlich und eilte davon. Susanne seufzte. Wenn diese Frau das gesehen hatte, was hatte dann Eric gedacht? Sie nahm sich vor, ganz sachlich zu bleiben, wenn er ihr wieder über den Weg lief. Sie eilte zur Kasse, bezahlte, lud alles in den Kofferraum und fuhr heim. Nach dem Abendessen legte sie sich auf die Couch, schaltete den Fernseher ein und zappte durch die Kanäle. Das Telefon klingelte und sie sah auf das Display.

      „Lia, was für eine Freude!“

      „Hallo, meine Liebe, ich wollte mich mal melden und fragen, wie es dir geht und was in Eltville los ist.“

      „Ach Lia, was bin ich froh, dich zu hören. Ich bin gerade rein, war beim Training.“

      „Oh, da gehst du immer noch hin?“

      „Es tut mir gut und mit Marcel kann man sich super unterhalten. Er weiß immer, was ich denke und wie es mir gerade geht.“

      „Wäre das kein Mann für dich?“

      „Nein, erstens ist er verheiratet und zweitens will ich keinen Mann. Außerdem kommt Phillip demnächst hierher und wird mich nerven. Meine Mutter hat mir offenbart, dass er mich zurückhaben möchte.“

      „Ach du je! Willst du ihn auch zurück?“

      „Niemals!“

      „Aber so ein bisschen Wärme wäre doch ganz nett, oder? Hast du mal jemanden kennengelernt?“

      „Ich arbeite nur, ich habe keine Zeit für sowas.“

      Sollte


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