Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve.... Friedrich Schiller

Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve... - Friedrich Schiller


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      An der Schwelle empfangen

      Wird dich die immer blühende Hebe

      Und die goldne Viktoria,

      Die geflügelte Göttin,

      Die auf der Hand schwebt des ewigen Vaters,

      Ewig die Schwingen zum Siege gespannt:

      Nimmer entweicht

      Die Krone der Schönheit

      Aus diesem Geschlechte,

      Scheidend reicht

      Eine Fürstin der andern

      Den Gürtel der Anmut

      Und den Schleier der züchtigen Scham.

      Aber das Schönste

      Erlebt mein Auge,

      Denn ich sehe die Blume der Tochter,

      Ehe die Blume der Mutter verblüht.

      BEATRICE aus ihrem Schrecken erwachend.

      Wehe mir! In welche Hand

      Hat das Unglück mich gegeben!

      Unter allen,

      Welche leben,

      Nicht in diese sollt ich fallen!

      Jetzt versteh ich das Entsetzen,

      Das geheimnisvolle Grauen,

      Das mich schaudernd stets gefaßt,

      Wenn man mir den Namen nannte

      Dieses furchtbaren Geschlechtes,

      Das sich selbst vertilgend haßt,

      Gegen seine eignen Glieder

      Wütend mit Erbittrung rast!

      Schaudernd hört ich oft und wieder

      Von dem Schlangenhaß der Brüder,

      Und jetzt reißt mein Schreckenschicksal

      Mich, die Arme, Rettungslose,

      In den Strudel dieses Hasses,

      Dieses Unglücks mich hinein!

      Sie flieht in den Gartensaal.

      CHOR.

      Den begünstigten Sohn der Götter beneid ich,

      Den beglückten Besitzer der Macht!

      Immer das Köstlichste ist sein Anteil,

      Und von allem, was hoch und herrlich

      Von den Sterblichen wird gepriesen,

      Bricht er die Blume sich ab.

      Von den Perlen, welche der tauchende Fischer

      Auffängt, wählt er die reinsten für sich.

      Für den Herrscher legt man zurück das Beste,

      Was gewonnen ward mit gemeinsamer Arbeit,

      Wenn sich die Diener durchs Los vergleichen,

      Ihm ist das Schönste gewiß.

      Aber eines doch ist sein köstlichstes Kleinod,

      Jeder andre Vorzug sei ihm gegönnt,

      Dieses beneid ich ihm unter allem,

      Daß er heimführt die Blume der Frauen,

      Die das Entzücken ist aller Augen,

      Daß er sie eigen besitzt.

      Mit dem Schwerte springt der Korsar an die Küste,

      In dem nächtlich ergreifenden Überfall,

      Männer führt er davon und Frauen,

      Und ersättigt die wilde Begierde,

      Nur die schönste Gestalt darf er nicht berühren,

      Die ist des Königes Gut.

      Aber jetzt folgt mir, zu bewachen den Eingang

      Und die Schwelle des heiligen Raums,

      Daß kein Ungeweihter in dieses Geheimnis

      Dringe und der Herrscher uns lobe,

      Der das Köstlichste, was er besitzet,

      Unsrer Bewahrung vertraut.

      Der Chor entfernt sich nach dem Hintergrunde.

      Die Szene verwandelt sich in ein Zimmer im Innern des Palastes Donna Isabella steht zwischen Don Manuel und Don Cesar.

      ISABELLA.

      Nun endlich ist mir der erwünschte Tag,

      Der lang ersehnte, festliche erschienen –

      Vereint seh ich die Herzen meiner Kinder,

      Wie ich die Hände leicht zusammenfüge,

      Und im vertrauten Kreis zum erstenmal

      Kann sich das Herz der Mutter freudig öffnen.

      Fern ist der fremden Zeugen rohe Schar,

      Die zwischen uns sich kampfgerüstet stellte –

      Der Waffen Klang erschreckt mein Ohr nicht mehr,

      Und wie der Eulen nachtgewohnte Brut

      Von der zerstörten Brandstatt, wo sie lang

      Mit altverjährtem Eigentum genistet,

      Auffliegt in düsterm Schwarm, den Tag verdunkelnd,

      Wenn sich die lang vertriebenen Bewohner

      Heimkehrend nahen mit der Freude Schall,

      Den neuen Bau lebendig zu beginnen,

      So flieht der alte Haß mit seinem nächtlichen

      Gefolge, dem hohläugigten Verdacht,

      Der scheelen Mißgunst und dem bleichen Neide,

      Aus diesen Toren murrend zu der Hölle,

      Und mit dem Frieden zieht geselliges

      Vertraun und holde Eintracht lächelnd ein.

      Sie hält inne.

      – Doch nicht genug, daß dieser heutge Tag

      Jedem von beiden einen Bruder schenkt,

      Auch eine Schwester hat er euch geboren.

      – Ihr staunt? Ihr seht mich mit Verwundrung an?

      Ja, meine Söhne! Es ist Zeit, daß ich

      Mein Schweigen breche, und das Siegel löse

      Von einem lang verschlossenen Geheimnis.

      – Auch eine Tochter hab ich eurem Vater

      Geboren – eine jüngre Schwester lebt

      Euch noch – Ihr sollt noch heute sie umarmen.

      DON CESAR.

      Was sagst du, Mutter? Eine Schwester lebt uns,

      Und nie vernahmen wir von dieser Schwester!

      DON MANUEL.

      Wohl hörten wir in früher Kinderzeit,

      Daß eine Schwester uns geboren worden,

      Doch in der Wiege schon, so ging die Sage,

      Nahm sie der Tod hinweg.

      ISABELLA.

      Die Sage lügt!

      Sie lebt!

      DON CESAR.

      Sie lebt und du verschwiegest uns?

      ISABELLA.

      Von meinem Schweigen geb ich Rechenschaft.


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