Wolf übernimmt. Robert Mayer
kein Militär. Und jetzt der Anruf von Ralf Sommer. Sommer war zwar keine Regierung aber immerhin Parteivorsitzender der zweitgrößten Partei des Landes und laut aktuellen Umfragewerten hatte er gute Chancen, bei der nächsten Wahl seine Partei zur stärksten politischen Kraft des Landes zu machen. Er war nur kurz angebunden am Telefon und wollte sich nicht dazu äußern, ob sein Anliegen beruflicher oder privater Natur war. Aber was war bei einem Politiker schon privat. Wolf dachte kurz darüber nach, dass Politik wahrscheinlich die noch schwierigere Branche war als seine. Er konnte sich wenigstens diskret im Abseits bewegen.
Er hatte nicht mehr viel Zeit bis zum vereinbarten Treffen und hatte eine leise Vorahnung, dass ihm das, was ihm Sommer erzählen würde, nicht gefallen würde.
Winter war nun sehr zufrieden damit, dass er seine Abfindung in Gold verlangte. So verstand er die bevorstehende Transaktion, es war natürlich keine Erpressung. Das Geforderte stand im zu. Er hatte es sich verdient. Im Gegenteil, er hatte sich alles viel zu lange gefallen lassen und jetzt war endlich Schluss damit, denn bald war Zahltag. Er würde die vier Koffer mit jeweils 1000 Goldmünzen auf vier verschiedene Lagerstellen verteilen. Er hatte bei zwei verschiedenen Sicherheitsunternehmen Tresorfächer gemietet, die groß genug waren, um einen gesamten Koffer unterzubringen. Bei seiner Bank hatte er ebenfalls ein Tresorfach gemietet. Der Bankmitarbeiter hatte ihm versichert, dass nur er Zugang zum Tresorfach habe und die Bank auch gar kein Interesse daran habe, zu erfahren, was ihre Kunden in deren Tresorfächern aufbewahrten. Er bemerkte zudem, dass der Bank Diskretion sehr wichtig wäre und verwies darauf, dass sie dem Bankgeheimnis verpflichtet seien. Winter hatte das Gefühl, dass der Bankmitarbeiter tatsächlich davon überzeugt war. Was wusste der schon. Für den dürfte die Welt offensichtlich noch in Ordnung sein. Für den vierten Koffer musste er noch eine Lösung finden, aber er hatte ja noch zwei Tage Zeit.
Beringer war es nicht entgangen, dass sie tatsächlich nur drei Jahre später diesen lächerlichen Schönschwätzer Sommer geheiratet hatte. Sie hatte ihr Studium gerade erst abgeschlossen und Familienplanung war in ihrer Prioritätenliste ganz und gar nicht an oberster. Aber Sommer, bereits am Beginn seiner politischen Karriere, wollte auf keinen Fall seine Vita mit einem unehelichen Kind belasten. Für ihn war eine Heirat mit Isabella ideal. Sie konnte er überall vorzeigen, sie war nicht nur unglaublich schön, sie war intelligent, eloquent und belesen. Sie hatte eine eigene Meinung, eine Meinung, die auch für ihn politisch vertretbar war, das war wichtig. Sie war die perfekte Begleitung für seinen Weg. Denn seinen Weg wollte er gehen. Isabella war perfekt für ihn. Und nun würde sie nicht nur seine Frau werden, sondern auch die Mutter seines Kindes.
Als Beringer fünfzehn Jahre später von seinem Director of Sales darüber informiert wurde, dass die Steel Security Corporation den Auftrag erhielt, im Haus der Familie Sommer eine Alarmanlage zu installieren, kam ihm eine Idee. Eine Idee, die allein seine persönliche Neugierde befriedigen sollte. Eine Idee, so stellte sich viel später heraus, ihm zu Reichtum und Einfluss verhalf. Anfangs schämte er sich zwar dafür, aber dann, als ihm klar wurde, welche Möglichkeiten sich ihm dadurch auftaten, war Scham völlig fehl am Platz.
Seinen gekränkten Stolz hatte Beringer schon lange überwunden, das wollte er sich selbst zumindest glauben machen, aber diese Gelegenheit, wieder mehr über sie zu erfahren, in ihre Nähe zu kommen, und das völlig unbemerkt, wollte er sich nicht entgehen lassen. Es interessierte ihn, warum sie tatsächlich bei ihm geblieben ist.
Eine neue Schallwandlertechnologie aus China brachte ihn auf die Idee. Es handelte sich hierbei um Schallwandler, die den Luftschall als Schallwechseldruckschwingungen nicht mehr wie bei herkömmlichen Mikrofonen in entsprechende elektrische Spannungsänderungen in ein Mikrofonsignal umwandelten. Die neue Technologie hatte eine wesentliche Erneuerung gegenüber der seit den 50iger Jahren gängigen Konstruktion. Das Prinzip hatte sich im Grunde in den letzten 70 Jahren nicht verändert. In jedem Mikrofon folgt eine dünne, elastisch gelagerte Membran den Druckschwankungen des Schalls. Sie bildet durch ihre Bewegung die zeitliche Verteilung des Wechseldrucks nach. Ein Wandler, der mechanisch oder elektrisch mit der Membran gekoppelt ist, generiert daraus eine der Membranbewegung entsprechende Tonfrequenz-Wechselspannung oder eine entsprechende pulsierende Gleichspannung. Diese Spannung kann von Detektoren geortet werden. Solche Detektoren wiederum wurden von Sicherheitsfirmen wie der Steel Security Corporation, aber auch von staatlichen Geheimdiensten und Sicherheitskräften verwendet, wenn es darum ging, Konferenzräume abhörsicher zu machen. Vor Meetings in Konzernzentralen oder vor Staatsbesuchen, bei denen besonderen Wert auf Diskretion gelegt wurde, war ein Check der entsprechenden Räumlichkeiten mit Detektoren Standardprogramm.
Beim neuen ShuBro-Mikrofon, Model 55QFS, wurden die Schallwechseldruckschwingungen in digitale elektromagnetische Wellen umgewandelt und erzeugten keine elektrische Spannungsänderungen mehr, wie herkömmliche Mikrofonsignale. Die digitalen elektromagnetischen Wellen konnten verschlüsselt per Funk über Kilometer übertragen werden, ohne dass sie von Detektoren geortet werden konnten.
Die Idee von Beringer war, die neuen ShuBro-Mikrofone, welche die Größe von Mikrochips hatten, in alle Öffnungssensoren der Alarmanlage einzubauen, bevor sie an jedem Fenster und jeder Tür im Haus der Sommers installiert wurden. So könnte Beringer jeden einzelnen Raum jederzeit unbemerkt abhören.
Durch die rasante politische Karriere Sommers wurde Beringer über die Medien permanent auch über Isabella am Laufenden gehalten. Ob er wollte oder nicht. Der Shootingstar der Politbühne und seine reizende Frau wurden nicht nur von der Boulevardpresse als das Traumpaar der Nation gepriesen. Dass er in der Politik ankam, konnte er noch verstehen. Politik war ein oberflächliches Geschäft, viel reden, nichts sagen, kein Rückgrat, das passte ja wunderbar zusammen. Aber was sie bei ihm wollte, war ihm immer ein Rätsel geblieben. Die Idee mit den ShuBro-Mikrofonen war ihm anfangs eher als Jux eingefallen, mehr in der Art eines Schulbubenstreichs. Er wollte einfach dahinter kommen, was es war, warum sie bei ihm blieb. War es tatsächlich nur das Kind? War es seine Beliebtheit, seine Ausstrahlung? Glaubte sie ihm? Liebte sie ihn? Er wollte es wissen.
Wolf kam von seinem Treffen mit Sommer nach Hause und konnte schon im Flur lautstarkes Werken in seiner Küche vernehmen. Offenbar hatte sie alles vorbereitet, gewartet, bis sie das Garagentor hörte und gerade eben begonnen die Zutaten in die Pfanne zu geben, denn es zischte regelrecht und als er eintrat, war Julia voll konzentriert zugange. Sie hatte grünen Spargel und Frühlingszwiebel blanchiert und briet das Gemüse nun in der Pfanne scharf an. Nach wenigen Minuten kippte sie den Inhalt in eine Schüssel und gab die vorbereiteten Jakobsmuscheln in die Pfanne und würzte kräftig mit verschiedenen Kräutern. „Ist gleich fertig“, rief sie, ohne ihn anzusehen. Er trat neben sie und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Er wollte sie nicht stören. Sie trug ein enges T-Shirt, einen sehr kurzen Rock, schwarze Strümpfe und Doc Martens. An ihr sah das Outfit scharf und keineswegs billig aus. Sie war groß, schlank und hatte eine sehr sportliche Figur. Er schüttelte nur den Kopf und fragte sich, in welcher Kleidung sie wohl nicht attraktiv aussehen würde. Ihm fiel keine ein.
Der Tisch war liebevoll gedeckt. Silberbesteck, Stoffservietten, Wein- und Wassergläser und eine einzelne rote Rose in einer schmalen, sehr dezenten Vase. Er nahm eine Flasche Sancerre aus dem Weinkühlschrank und während er ihnen einschenkte, servierte sie die beiden Teller. Sie setzten sich gemeinsam und als sie ihr Glas hob, sah sie ihn strahlend mit ihren großen dunklen Augen an. „Na mein böser Wolf, hast du denen da draußen gezeigt, wer der Stärkste ist?“ Er fletschte die Zähne und knurrte. Sie prusteten beide los und hätten dabei fast ihren Wein verschüttet. Sie hatte die Gabe, ihn zum Lachen zu bringen, egal, wie mies sein Tag war, oder wie mies die Leute waren, mit denen er Geschäfte machte. Sie lachte aus tiefstem Herzen, und dennoch wussten sie beide, dass es nur eine Ablenkung war, von dem, was später noch kommen würde. Trotzdem liebte er ihr Lachen. Sie war nicht nur hübsch, sondern auch sehr intelligent und für ihre neunzehn Jahre unglaublich weise. Während des Essens unterhielten sie sich über den neuen Joker im Kino mit Joaquin Phoenix und er musste ihr versprechen, ihn noch diesen Monat mit ihr anzusehen. Sie studierte Kunstgeschichte und berichtete über das gerade beendete Semester an der Uni, über ihre Freundin Hanna, nur nicht über ihn. Das Essen war vorzüglich, wovon er immer wieder zwischendurch schwärmte, während sie wie aufgedreht erzählte.
Als sie alles in der Küche