Schüchterne Gestalten. Peter Bergmann

Schüchterne Gestalten - Peter Bergmann


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mich das Firmenauto und eine unbekannte Tote?

      „Soweit ich es mitbekommen habe, war Carsten in der letzten Woche zu einem Kundentermin unterwegs. Bitte nicht fragen, ich weiß nicht wo und habe auch keine Ahnung bis wann. Er müsste gestern oder vorgestern zurückgekommen sein. Warum auch nicht?“

      Sie verzögerte die nächste Aussage, weil sie nicht nur Zeit gewinnen wollte, sondern weil sie natürlich nicht wusste, was Carsten und Eva heute machen. Manchmal fahren sie auch ganz spontan übers Wochenende zu Freunden.

      „Ob Carsten zu Hause ist, kann ich nicht sagen. Wenn sie wegfahren, mal für ein, zwei Tage, fragen sie mich nicht extra – sie machen es einfach.“

      Remsen und Ulrich schauten sich nur kurz an und wussten, was der jeweils andere dachte. Auch wenn beide sowas von grundverschieden waren und sich nur bedingt mochten; sie waren Partner und Profis bei der Arbeit.

      Remsen stand auf: „Frau Weilham, mein Kollege bleibt bei Ihnen, er hat noch einige Fragen an Sie. Ich schaue mal bei Ihrem Sohn vorbei. Könnten Sie mir bitte die genaue Adresse geben und mir den Weg beschreiben?“

      Frau Weilham ging mit Remsen zur Tür, nannte die Straße und Hausnummer und zeigte ihm den Weg dorthin. Remsen bedankte sich und war froh, einige Minuten frische Luft zu schnuppern und in Ruhe nachzudenken.

      Er fand das Haus der jungen Weilham‘s dunkel vor. Eigenartigerweise empfand es das überhaupt nicht dramatisch, denn wenn keiner da ist, wird auch keiner vermisst. Remsen sinnierte über zwei, ihm logische Szenarien: Wenn Carsten Weilham gestern in dem Auto saß und hier zu Hause nicht angekommen ist, würde seine Frau doch hier sein und warten. Und wahrscheinlich wüsste, dass Cordula Weilham auch. Das für ihn wahrscheinlichere Szenario war demnach aber, dass Carsten Weilham gestern bei seiner Familie war und diese heute einen ganz normalen Sonnabend verlebte, irgendwo auf dieser Welt, nur nicht hier in seinem Haus.

      Trotzdem klingelte er, einmal, zweimal, mehrmals. Inzwischen wurde es dunkel; an einem Tag, an dem es ohnehin nicht richtig hell geworden ist; kalt war es auch. Nichts regte sich, kein Licht ging an. Er schlich um das Haus, ein Hund war weder zu sehen noch zu hören; auf eine Begegnung mit einem Vierbeiner hatte er nun wirklich keine Lust. Auch von hinten sah das Haus ziemlich verlassen aus. Okay, wieder zurück zur Plauderrunde mit Hansi.

      In Gedanken spielte er die Optionen durch, die ihn jetzt blieben. Solange der Weilham nicht wiederauftaucht, kommen wir nicht weiter. Hausmann ist im Urlaub, Südamerika, da wird sich vorerst auch nichts tun. Wir sollten das einmal überprüfen, ob der Mann wirklich dort unten ist.

      „Kundoban.“ Gleich nach dem ersten Klingeln war sie dran.

      „Haben wir schon überprüft, ob Hausmann wirklich in Südamerika ist. Visum? Flugbuchungen? Ausreisen, usw.?“

      „Jan, wir sind dran, haben aber bisher noch nichts gehört. Kommt Ihr voran?“

      „Nein, nicht wirklich. Die Weilham weiß fast nichts, zumindest tut sie so. Der Alte ist noch auf Selbstfindung und beim Junior ist das Haus dunkel. Haben wir schon Informationen von der Bundespolizei? Ist gestern Abend an eine der Grenzübergangstellen der Audi auf wenigstens einer Überwachungskamera aufgetaucht?“

      „Fehlanzeige bisher. Wir haben erst von zwei kleineren Übergängen das Material von gestern Abend erhalten; vom Autobahnübergang dauert es leider länger. Die haben mehr Kameras, Schichtwechsel usw. Wir wurden auf heute Abend vertröstet.“

      Kundoban war noch mitten beim Sprechen, als sie das Freizeichen in der Leitung wahrnahm. Remsen hatte bereits aufgelegt.

      Komischer Kauz!

      So komisch, dass Kundoban auch fand, Remsens Aufmerksamkeit war schlagartig verflogen, als ein schwarzer SUV auf das Haus von Weilham jun. zusteuerte. Im Auto saßen zwei Frauen, soweit das erkennbar war. Ausgelöst von der Fernsteuerung ging das Tor genau in dem Moment auf, indem der SUV recht zügig auf das Grundstück einbog und in der Garage verschwand. Das Tor schloss sich nach kurzer Zeit selbst wieder. Von außen war zunächst nicht zu bemerken, dass jetzt jemand im Haus war. Remsen wollte noch etwas warten; vielleicht ging im Haus das Licht an, sodass klar erkennbar war, dass sich jemand darin befindet.

      So war es denn nach einigen Minuten auch. Gleichzeitig wurden an allen Fenstern gleichzeitig die Jalousien heruntergelassen. Remsen machte sich fertig, um wohl wieder eine der bedrückendsten Aufgaben in seinem Job zu erledigen: Die Übergabe einer äußerst schlechten Nachricht an einen nahen Verwandten. Ob der Tote im Wald wirklich Carsten Weilham ist, muss noch geklärt werden.

      Nach mehrmaligen Klingeln wurde ihm geöffnet. „Frau Weilham?“ Die Frau in der Tür trat zur Seite und deutete auf eine zweite Frau, die weiter hinten im Haus stand. „Ich bin Kriminalhauptkommissar Remsen, darf ich kurz reinkommen?“ Noch während er die Frage formulierte, stand er bereits im Flur, zückte seinen Ausweis und ließ die zweite Frau an der Eingangstür stehen.

      „Frau Weilham, ich würde gerne Ihren Mann sprechen.“

      Eva Weilham machte nicht gerade den allerbesten Eindruck. Ihr Gesicht war gerötet, wahrscheinlich stressbedingt; sie hatte verweinte Augen. Auch jetzt war sie wieder kurz davor, in Tränen auszubrechen.

      Remsen war durchaus irritiert. Es kann nicht sein, dass sie mehr weiß, als bisher in den Medien zu hören und im Internet zu lesen war. Wir haben keine PK abgehalten, kein Journalist kann bisher mehr wissen.

      Ausgeschlossen!

      „Der ist gestern nicht wiedergekommen. Wahrscheinlich liegt er in den Armen einer Schnepfe und macht sich ein schönes Wochenende. So ein Schwein, ich will die Scheidung!“

      Das Geld dafür kann sie sich wahrscheinlich sparen, dachte sich Remsen, während er darüber nachdachte, ob er gleich mit der Tür ins Haus fallen sollte. Zuvor wären ihm aber noch ein paar Informationen ganz lieb. Man muss immer abwägen, welche Taktik am besten greift.

      „Gab es zwischen Ihnen beiden Streit? Schon länger? Intensiver? Hatte denn Ihr Mann einen Grund, offen für neue Freundinnen zu sein? Sie haben doch einen gemeinsamen Sohn?“

      „Wissen Sie, Liebe ist eine Illusion für Schwächlinge. Ich spüre es, dass er mit mir und mit anderen Frauen seinen Spaß hat. Außerdem, was geht Ihnen das an? Das ist Privatsache.“

      Die Frau kann ja richtig giftig werden. Trotzdem legte Remsen nach: „Frau Weilham, wo war ihr Mann genau. Mit wem hat er sich getroffen. Bitte helfen Sie mir, vielleicht finden wir ihn.“

      „Warum hat eigentlich die Polizei Interesse an der Dienstreise meines Mannes? Können Sie mich mal bitte aufklären? Um was geht es hier eigentlich?“ Jetzt ging Eva Weilham in die Offensive; die letzte Frage schleudert sie fast aus sich heraus.

      „Haben Sie noch nichts in den Nachrichten gehört?“

      „Lieber Inspektor…“

      „Hauptkommissar bitte.“ Remsen lächelte sie an.

      „Wenn Ihre Frau die ganze Nacht nicht nach Hause kommt, dann hören Sie aufmerksam die Nachrichten, ja?“

      Sie kämpft, das war augenscheinlich.

      „Wahrscheinlich nicht, glaube ich zumindest.“ Bei mir kann keiner wegbleiben, kleiner Vorteil Lady.

      „Gestern Abend gab es so gegen 22:00 Uhr einen Unfall mit Todesfolge. Da…“

      „Ja, habe ich gehört. Und? Was hat das mit meinem Mann zu tun?“

      „Das wollen wir rausfinden. Das Unfallauto war auf eine Firma CodeWriter zugelassen. Ein schwarzer Audi.“

      „Wollen Sie sagen, dass mein Mann…?“ Das blanke Entsetzen stand ihr ins Gesicht. Jetzt war sie bleich und nicht mehr so rot; in Ihrer Haut möchte Remsen jetzt nicht stecken.

      „Nein, wir haben eine Tote.“ Erstmal die halbe Wahrheit. „Und wer sind Sie denn?“ Remsen wandte sich an die Frau, die ihn ins Haus gelassen hat.

      Sie nannte ihren Namen und konnte sich ausweisen. Eva rief nach einer durchweinten Nacht ihre beste Freundin heute Morgen


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