Leuchtenstadt. Daniel Wächter
zum Henker ist nur in dich gefahren?!“ Automatisch entfernte Bussmann sein Mobiltelefon vom Ohr, um die Gefahr eines Tinnitus stark zu reduzieren.
„Schatz, es tut...“
„Dein Schatz kannst du dir in den Arsch schieben!“, keifte Ingrid. Bussmann stutzte. Seit wann hatte die denn ein solches lautstarkes Organ?
„Es war ein Notfall...“, versuchte er zu beschwichtigen, doch Ingrid unterbrach ihn erneut.
„Ein Notfall? So nennst du das also, wenn diese blonde Tusse auf dem Schreibtisch die Beine breit macht?“
Ach, daher wehte der Wind: Die liebe Eifersucht... Bussmann biss sich auf die Lippe, um nicht loszuprusten.
„Die blonde Tusse ist Kripochefin und sie ist vergeben, genauso wie ich!“
„Spielt das eine Rolle? Viele Menschen betrügen ihre Partner am Arbeitsplatz. In der Beate...“
„Ingrid!“, jetzt wurde Bussmann bestimmt. „Du sollst mehr deinem Ehemann als diesen nervigen Hochglanzpostillen Glauben schenken! Ich. Liebe. Dich. Und zudem ist Corinne viel zu jung! Die hat einen Fitnesstrainer als Freund, was will die von so einem alten Knacker wie mir!“
Bussmann bemerkte, wie Ingrid ein paar Mal nach Luft schnappte. Er wusste nicht, wieso sie plötzlich solch eine Paranoia besass, dass er sie betrügen würde. Dies würde ihm niemals in den Sinn kommen, zumal er als Polizist genau weiss, dass solche Affären immer auffliegen. Komplett alle Spuren verwischen können nicht mal Profitäter.
Kapitel 5
Hauptquartier Luzerner Polizei, Kasimir-Pfyffer-Strasse, Luzern, Schweiz,
März 2019
Nachdem er sich mit Ingrid versöhnt hatte, schneite auch Bussmann ins Sitzungszimmer RIGI.
Als man die Räumlichkeiten an der Kasimir-Pfyffer-Strasse saniert hatte, war wohl einem Genie ein Licht aufgegangen: Es war auf die absolut einmalige Idee gekommen, die Sitzungs- und Besprechungszimmer nach Bergen der Umgebung zu benennen. Jetzt tagten sie je nach Lust und Laune – oder besser gesagt, Versammlungsgrösse – im Pilatus, in der Rigi, im Napf oder im Sonnenberg.
Es waren alle versammelt: Nebst Kripochefin Eichenberger und Korporal Sauter auch die treue Seele der Kriminalpolizei, Korporal Christian Welti, ihm zur Seite hatte sich Neuzugang Gefreiter Sabrina Schmidig niedergelassen, auf den ersten Blick zierlich, ist sie für manchen Betrachter überraschend durchsetzungsfähig. Ihrem Dickschädel machte so schnell niemand Konkurrenz. Genauso wie Sauter gehörte auch Schmidig zu der aufstrebenden jungen Garde der Luzerner Polizei, in die Bussmann grosse Hoffnungen hegte.
Sich ebenfalls eingefunden hatte sich Staatsanwältin Gisela Wyniger. Mit Bedauern musste Bussmann feststellen, dass sich auch sein Widersacher, Hauptmann Alois Burkhalter, offenbar für den Depot-Mordfall zuständig fühlte. Burkhalter war stellvertretender Leiter der Kriminalpolizei und hatte damals bei Bussmanns Wahl zum Leiter der Kriminalpolizei ebenfalls ein Auge auf diesen Posten geworfen und hatte es bis dato nicht verkraften können, dass er Bussmann bei der internen Ausmarchung unterlegen war.
Die beiden waren wie Tonya Harding und Nancy Kerrigan; wobei sich Burkhalter bislang noch keiner Eisenstange zu Nutzen machte, sondern eher anderen Intrigen.
Eine war, jeder Erläuterung Bussmanns seinen Senf beigeben zu müssen. Auf diese Eigenheit verzichtete er natürlich auch dieses Mal nicht, als Bussmann in knappen Sätzen die Sachlage erklärte.
„Ist sicher ein anderer Lokomotivführer!“, ätzte Burkhalter. „Das sind die grössten Neidhammel, die ich kenne. Zudem halten sie sich für die Besten, dabei tun die ja nichts anderes als ihre Hebel nach vorne und nach hinten legen!“
Wie er denn darauf käme, wollte Bussmann wissen, woraufhin Burkhalter zu einer langen Tirade loslegte. Die Gesichtsfarbe Burkhalters wurde immer röter, weswegen sich Bussmann trotz der gigantischen Antipathie gewisse Sorgen um Burkhalters Blutdruck machte.
„Die wollen nichts tun, nur faul rumsitzen und fett absahnen! Aber kaum geht es einem von ihnen besser als dem anderen, schrecken sie vor Mord nicht zurück! Ich würde mir diesen Kost vorknöpfen, das sag’ ich euch!“
„Zuerst bestimme ich, wer im Team ist!“, ging Kripochefin Eichenberger dazwischen. Bussmann schenkte ihr einen dankbaren Blick.
„Bussmann übernimmt die Leitung, Sauter, Welti und Schmidig stehen ihm zur Seite. Viel Glück bei der Arbeit!“ Eichenberger sortierte ihre Akte und Bussmann nahm belustigt war, wie ein erzürnter Alois Burkhalter das Sitzungszimmer verliess.
„Bussmann und Sauter, unser neustes Ermittlerteam. Könnte man gleich eine Fernsehserie draus machen!“, grinste Corinne Eichenberger, woraufhin Bussmann schnaubte.
„Stell mir doch lieber eine Frau zur Seite, wie beim Tatort!“
„Wir sind hier aber nicht beim Tatort, zudem bist du viel freundlicher als Reto Flückiger!“
Bussmann grinste. Danke für die Blumen!
„Und Liz Ritschart ist lesbisch!“, warf Sabrina Schmidig ein.
„Ist gut, ist gut!“ Bussmann hob abwehrend die Hände! „Pascal ist natürlich auch eine tolle Wahl!“
Noch röter als dieser durch dieses Kompliment wurde allerdings Sabrina, was Bussmann schmunzelnd zur Kenntnis nahm. Er verkniff sich einen Kommentar und nahm sich die Aufgabenverteilung vor.
Korporal Christian Welti nahm den Weg von der Kasimir-Pfyffer-Strasse zum Bahnhof per Schusters Rappen auf sich. Er hatte den Auftrag gefasst, Eiholzers Arbeitskollegen unter die Lupe zu nehmen.
In der Bahnhofshalle sprach er einen Mann in SBB-Uniform an, welcher sich bereit erklärte, nach Vorweisen von Weltis Dienstausweis, diesem den Weg zu den Personalräumlichkeiten zu erläutern.
Dort angekommen, empfing Welti eine düstere Stimmung. Es waren etliche Lokomotivführer anwesend, alle sassen stumm an einem grossen weissen Tisch, andere in Relax-Sesseln oder auf einem Sofa. Keiner sprach ein Wort.
Auf dem Tisch war ein Foto Thomas Eiholzers aufgestellt, mit schwarzem Trauerflor dekoriert.
Welti räusperte sich, einige blickten auf.
„Kein guter Zeitpunkt, hierhin zu kommen!“, brummte einer.
„Ich fürchte doch!“ Welti hob seinen Dienstausweis. „Welti, Kriminalpolizei Luzern. Ich hätte da...“
„Jetzt belästigen Sie uns schon wieder!“ Wie aus dem Nichts war wieder dieser Hauser aufgekreuzt, der auch Welti am Nachmittag am Depot ordentlich auf die Nerven gegangen war.
„Ich mache nur meine Arbeit!“, verteidigte sich Welti bestimmt, doch Hauser liess nicht locker.
„Die Menschen hier haben einen Arbeitskollegen verloren und...“
„Genau deswegen bin ich hier. Wenigstens eine gerechte Strafe für den Täter hätte der arme Herr Eiholzer verdient, finden Sie nicht? Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe, ansonsten sehe ich mich gezwungen, Sie wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festzunehmen!“
Das hatte gesessen, Hauser war wie ein geprügelter Hund davongerauscht.
Der Disput hatte längst die Aufmerksamkeit aller Anwesenden erregt.
„Zunächst möchte ich mein tiefstes Beileid zum Tode Eures Kollegen aussprechen!“, begann Welti. „Ich weiss, dass Ihr Bähnler genau wie wir Polizisten eine Familie seid, und solche Verluste tragisch sind.“
„Sind Sie jetzt gekommen, um auf Mitleid zu machen?“, polterte einer, der ganz am Fenster sass. Er hatte seine Haarpracht längst verloren und trug ein fies wirkendes Lächeln auf seinen Lippen.
„Nein!“ Welti betrat den Raum. „Ich will nur Antworten auf unsere offenen Fragen