Leuchtenstadt. Daniel Wächter
wäre von Vorteil!“, kommentierte Bussmann.
Dass an einem frühen Morgen ein Grossaufgebot von Polizeikräften im beschaulichen Malters aufkreuzte, sorgte für ordentlich Gesprächsstoff im Dorf. Schnell machte die Runde, dass der Lokführer Kost mit auf den Posten genommen wurde; schlaue Köpfe spannten sogleich ein Netz von Zusammenhängen mit dem Mord in Luzern.
„Selbst wenn er unschuldig ist, vom Image wird er nie wieder loskommen!“, meinte ein Dorfbewohner zu einer Video-Journalistin eines lokalen Fernsehsenders, die sich noch am Morgen in Malters umgehört hatten.
Auch Kosts Noch-Ehefrau Marlies wurde aus ihrer neuen Wohnung am Haslirain in Perlen ins Luzerner Präsidium verfrachtet; wie es der Zufall wollte, begegneten sich die Eheleute Kost im Flur, die Begrüssung fiel entsprechend frostig aus. Doch die Atmosphäre erhitzte sich, Marlies sei Dank.
„Gib’s doch zu!“, keifte sie ihren Noch-Ehegatten an.
„Was?“
„Dass du Thomas die Rübe weggeknallt hast! Du konntest nicht verkraften, dass ich ihn mehr geliebt habe als dich!“
„Was unterstellst du mir?“
Bevor Marlies etwas erwidern konnte, wurden die beiden in getrennte Verhörräume gebracht. Sauter und Sabrina kümmerten sich um Marlies, während Welti sich gemeinsam mit Staatsanwältin Wyniger Kost vorknöpfte. Bussmann und Kripochefin Eichenberger verfolgten beide Vernehmungen aus einem Überwachungsraum, welcher mit einem einseitigen Spiegel hervorragende Ausblicke in die beiden Verhörräume bot. Je ein Mikrofon pro Raum übertrug das Gesprochene in den Observationsraum.
„Seit wann haben Sie eine Affäre mit Thomas Eiholzer?“, fragte Sabrina sachte. Marlies Kost schnäuzte sich die Nase.
„Seit gut einem halben Jahr. Wir haben uns bei einer Veranstaltung getroffen und es hat sofort gefunkt!“
„Seit wann wissen Sie von der Affäre Ihrer Frau?“ Gisela Wyniger fixierte Kost mit eisigem Blick.
„Seit zwei Wochen!“
„Wie haben Sie davon erfahren?“
„Ich habe es ihm gestanden, ich konnte mir dem schlechten Gewissen nicht mehr leben!“ Tränen rannen über Marlies' Wangen. tersetzteronnte mir dem schlechten Gewissen nicht mehr leben!"at sofort gefunkt!"ein kleiner, untersetzterüber Marlies' Wangen.
Kapitel 8
Aéroport Paris-Orly, Paray-Ville-Poste, Île-de-France, Frankreich
März 2019
Pünktlich um sieben Uhr in der Früh setzte der Airbus A320 der Aigle Azur auf der Landebahn des Flughafens Paris-Orly auf. Die knapp vier Stunden Schlaf, die Saïd während des Fluges hatte, liessen ihn gerädert aussehen.
Die nächste Sorge bereitete ihn die Einreisekontrolle im Terminal. Er hatte noch ein laufendes Schengen-Visum, doch war die Einreise aus dem Libanon nach Frankreich für einen algerischen Staatsbürger nicht gerade einfach.
Tatsächlich wurde er einer vertiefenden Kontrolle unterzogen.
„Grund Ihres Frankreichaufenthaltes?“
„Ich bin hier aufgewachsen und besuche meine Verwandten?“
„Wo denn?“
„In Saint-Denis!“
„Da wäre doch der Flughafen Charles-de-Gaulle näher gewesen?“ Was war denn das für eine Frage? Saïd runzelte kurz die Stirn.
„Ich habe den erstbesten Flug gebucht!“
Nachdem die Leibesvisitation erfolgreich verlaufen war, erhielt Saïd seinen Einreisestempel und einen Hinweis, dass sein Schengen-Visum bald zu erneuern wäre.
Da er kein Gepäck mit sich hatte, konnte er direkt in die Ankunftshalle durchgehen. Dort erwartete ihn ein kleiner, untersetzter Mann mit orientalischem Aussehen, der ein Schild mit Saïds Namen mit sich trug. Er stellte sich als Pierre vor.
„Gehen wir zu meinem Wagen!“ Saïd folgte Pierre.
In einem düsteren Parkhaus, dessen Sichtbeton längst mit einer hässlichen dunkelgrauen Farbe versehen war, wartete Pierres Wagen.
Saïd hatte mit allem gerechnet: Einem klapprigen Peugeot, einem Citroën D2 oder einem designmässig verunstalteten Renault, doch nicht erwartet hatte er, dass Pierre einen Tesla steuern würde.
„Ein Model S!“, erklärte Pierre mit ganzem Stolz. Offenbar hatte er Saïds verblüffenden Blick bemerkt.
Die Fahrt führte vom Flughafen Orly nach Norden. Der Selbstfahrmodus des Tesla funktionierte im stockenden Verkehr der südlichen Pariser Vororte vorzüglich, musste dann aber auch beim Stau beim Anschluss zum Boulevard Péripherique kapitulieren. Pierre fluchte und warf immer wieder nervöse Blicke auf seine Armbanduhr.
„Wohin fahren wir?“ Saïd hoffte auf Saint-Denis. Als er als Teenager Mitte der 2000er-Jahre aus dem Maghreb via die Schweiz nach Frankreich geflüchtet war, war Saint-Denis zu seiner ersten Heimat geworden. Im Schatten des gloriosen Stade de France war er aufgewachsen, in einer der für die Pariser Banlieue typische Plattenbausiedlung. Die einzige Freizeitbeschäftigung war Fussball gewesen, die Perspektiven für die Zukunft schlecht, zu gross waren die Klassenunterschiede zwischen ihnen und dem französischen Kleinbürgertum.
Die Tatsache, dass aus ihm und seinen Freunden kaum die nächste Generation neuer Zinedine Zidanes entstehen würde, war hart. Fussball wäre wohl der einzige Weg gewesen, dieser Gosse, die sich Banlieue schimpfte, zu entfliehen. Saïd nahm an den regelmässig stattfindenden Vorstadtunruhen teil, verbrachte etliche Nächte in Polizeigewahrsam und war empfänglich für die Botschaften des Islamischen Staates. Die Imame hatten ihm eine Zukunft versprochen.
Und so kam es, dass er im Jahre 2014 den Weg nach Syrien auf sich nahm, um gegen das Regime von Baschar Al-Assad zu kämpfen. Saïd war der heimliche Herrscher Aleppos – und jetzt, als das Kalifat des IS dem Ende entgegen zu gehen schien, wurde er für andere Aufgaben abkommandiert.
„Ich darf Ihnen den Zielort nicht verraten!“, entgegnete Pierre knapp und drückte auf die Hupe, als ein gestresster Renaultfahrer ihm im wieder anzurollenden Verkehr die Spur abschnitt.
Während der ganzen Fahrt, bei der die beiden das Pariser Stadtgebiet umrundeten, war Saïd gespannt wie eine Feder.
Des Rätsels Lösung folgte, als Pierre vor der Place Auguste Baron im 19. Arrondissement den Blinker setzte und den Boulevard Péripherique verliess.
Kurz darauf erreichten sie das Stadtgebiet von Aubervilliers. Die östliche Nachbarstadt von Saint-Denis war wie diese einer der hässlichen Vororte der französischen Hauptstadt und nicht viel mehr als eine Ansammlung hässlicher Plattenbauten.
Pierre bog in eine Zufahrtsstrasse zu einer Sozialwohnungssiedlung ab. Der Tesla wirkte nun hier mehr als fehl am Platze.
Ganz im Gegensatz zu Saïd; dieser wusste, weswegen er hier war.
Aubervilliers war eine Hochburg von Schläfern des Islamischen Staates.
Kapitel 9
Pilatusplatz, Luzern, Schweiz
März 2019
Hansruedi Zwyssig, seines Zeichens Stadtrat von Luzern, stieg am Pilatusplatz aus dem Bus. Er wartete, bis die Fussgängerampel auf Grün sprang, ehe er in die Obergrundstrasse einbog.
Heute stand eine wichtige Sitzung auf dem Programm, es sollte ein gigantisches Strassenbauprojekt im Norden Luzerns diskutiert werden, das vom Kanton befürwortet, von der Stadt als Direktbetroffene allerdings vehement bekämpft wurde. Zu verheerend wären