Die Artuslinde. Manuela Tietsch

Die Artuslinde - Manuela Tietsch


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so ungewöhnlich erscheinen? Es konnte doch nicht nur an ihrem roten Untergewand liegen. Sie wurde zusehends unruhiger unter seinem Blick, er konnte ihn jedoch nicht abwenden. Sie sollte sich besser an den Kamin setzen, damit ihre Haare trockneten, doch wie ihr das klarmachen, ohne daß sie schon wieder ängstlich hochschreckte, so wie eben, als er sie auf das Bett hinuntergedrückt hatte. Ihre Gedanken waren für ihn greifbar gewesen. Kannte sie denn keine ritterliche Ehre? Im selben Augenblick fielen ihm wieder Rioc und Mruad ein. Wo war denn deren Ehre? E-Helene wagte ab und an einen Blick zu ihm, den sie jedoch sofort wieder senkte, wenn sie merkte, daß er sie immer noch anstarrte. Wie gerne hätte er sie berührt.

      Die Tür sprang auf. Sodelb, gefolgt von Adna, trat ein. Sie trug eine Schüssel, Leinenverbände und heilende Kräuter. Adna hatte ein Auftragebrett mit Essen in den Händen. Ihre Augen suchten ängstlich den Raum nach E-Helene ab. Sodelb warf Talivan einen strengen, fragenden Blick zu. Ihre Stirn war in tiefe Falten gelegt. Schuldbewußt trat Talivan zur Seite, an den Kamin. Er kniete sich nieder, um das Feuer wieder neu zu entfachen.

      „Ihr habt sicherlich anderes zu tun, als hier zu stehen und das arme Mädchen mit euren Blicken zu verunsichern!“

      Talivan schaute stur in den Kamin, er war ihr keine Rechenschaft schuldig.

      „Adna kann sich um das Feuer kümmern, während ich die Wunde versorge!“ sagte Sodelb bestimmend.

      Besiegt legte Talivan den Schürhaken zur Seite, stand auf und ging, nach einem letzten Blick auf E-Helene, hinaus. Raban flog laut schimpfend hinterher. Die Tür fiel ins Schloß.

      Die junge Frau, der ich bereits am Brunnen begegnet war, kniete sich vor den Kamin hin, um das Feuer weiter anzufachen. Ich bemerkte, wie unsicher sie mir gegenüber war, denn sie traute sich kaum, in meine Richtung zu schauen. Die ältere Frau kam auf mich zu. Ich ahnte, was folgen würde und war gar nicht begeistert von der Vorstellung. Das kümmerte sie jedoch wenig, sie nahm meine Hand und ging ans Werk. Ich biß die Zähne zusammen, doch solche Schmerzen war ich nicht gewöhnt. Mir wurde schwarz vor Augen. Ich lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Frau am Kamin und das Feuer, das inzwischen schon wieder munter flackerte und wagte keinen weiteren Blick auf die Wunde in meiner Hand. Den Schmerz anzunehmen, war gar nicht so mühelos wie ich mir das vorstellte. Irgendwie gelang es mir jedoch, die Behandlung zu überstehen.

      Meine Hand lag sauber verbunden und mit frischen Salben versorgt auf meinen Knien. Dennoch pochte es bis hinauf in meinen Arm. Ich staunte, was so ein kleiner Pfeil doch für Unheil anrichten konnte. Die Frau holte indes ein paar Kleidungsstücke aus ihrem Korb. Mißtrauisch begutachtete ich diese. Die Wolle war grob und ungefärbt, von einem braunen Schaf. Das war bestimmt nicht die Kleidung einer feinen Dame. Sie breitete die Sachen auf dem Bett aus, als es klopfte. Ein kurzes Wort, und die Tür sprang auf. Zwei Knechte trugen eine große Holzwanne herein und mehrere Mädchen und Jungen mit Eimern dampfenden Wassers in den Händen folgten. Die Wanne wurde vor dem Kamin abgestellt und das Wasser eingefüllt. Hatten diese Leute hier den sechsten Sinn? Wie konnten sie wissen, daß ich nichts lieber wollte, als in einem warmen Bad zu entspannen und meinem Körper Pflege zukommen zu lassen? Die Knechte, Jungen und Mädchen verließen den Raum, ich hoffte nicht umsonst Freude auf das Bad zu empfinden, vielleicht war es gar nicht für mich bestimmt? Die Frau nickte mir aufmunternd zu. Sollte ich tatsächlich? Das warme Wasser lockte mich, obwohl mir die Wanne zu klein schien. Ich könnte höchstens darin sitzen. Aber ich ließ mich nicht zweimal auffordern. Die Frau lächelte. Das erstemal, seitdem sie in der Kammer war. Etwas zögernd zog ich den warmen Umhang aus. Ich war nicht gewohnt mit Beobachtern zu baden und so warf ich der jungen Frau einen schiefen Blick zu. Die ältere Frau schien zu verstehen, was ich wollte, auch wenn sie nicht begreifen konnte, warum und schickte die junge Frau mit drei Worten und einer Geste hinaus, ehe sie ihre Ärmel aufkrempelte und zu mir trat. Mir blieb keine Wahl, denn meine Hand schmerzte, und sicherlich würde ich ohne Hilfe Schwierigkeiten haben in die Wanne zu steigen. Sorgsam darauf bedacht, daß sie meinen Rucksack nicht in die Hände bekam, legte ich ihn neben mich aufs Bett. Vorsichtig versuchte ich, mein Kleid über den Kopf zu ziehen, doch meine Hand schmerzte heftig, als ich sie zu Hilfe nehmen wollte. Während ich blind, da mir das Kleid über den Augen lag, weiterfummelte, fühlte ich plötzlich helfende Hände. Im Nu lag meine nasses Kleid vor dem Kamin auf dem Boden. Ich blickte in die freundlichen Augen der Frau. Allerdings entdeckte ich neben der Freundlichkeit auch Erstaunen, als sie sich meinen Slip und das Top besah. Sie holte tief Luft, ehe sie danach griff, um es mir auszuziehen. Ihre Augen weilten strafend auf dem Slip. Darauf konnte sie lange warten, den würde sie nicht in die Hände bekommen. Ich zog ihn aus und legte ihn zu meinem Rucksack. Was hatte ich für eine Wahl? Ich ließ mir von ihr in die Wanne helfen und genoß den Augenblick, da mein ausgekühlter Körper mit dem warmen Naß in Berührung kam. In der Wanne stand ein kleiner Hocker, auf den ich mich setzte. Die Augen geschlossen, lehnte ich mich an die Holzwand. Das tat so gut!

      Plötzlich spürte ich einen warmen Waschlappen auf der Haut. Erschrocken öffnete ich die Lider und blickte die Frau an, die sich daran machte meinen Körper zu waschen. Anscheinend war sie es gewohnt! Einen Augenblick lang versteiften sich meine Muskeln, doch wozu? Ich ließ mich gehen und genoß die Zuwendung und Wertschätzung.

      Als das Wasser unangenehm kühl wurde, stieg ich aus der Wanne. Die Frau hielt mir ein Leinentuch hin, welches mir furchtbar kratzig erschien. Wie schade, daß es noch kein Frottee gab. Ich wickelte mich wohl oder übel in das Tuch, während sie zur Tür ging, sie öffnete und etwas in den Gang rief. Keine zwei Augenblicke später erschien die junge Frau wieder in der Kammer, gefolgt von den Knechten und Wasserträgern, welche die Wanne leerten und alles wieder hinaustrugen. Die Tür fiel zurück ins Schloss, während die Frau aus dem Stapel vom Bett das braune Kleid aus grober Wolle herauszog. Zwangsläufig ließ ich mir beim Abtrocknen und anschließendem Ankleiden helfen, denn ich hatte keine Ahnung, wie ich‘s hätte alleine anstellen sollen. Als ich zwischendurch einen Blick auf die junge Frau am Kamin warf, bemerkte ich ihre noch immer ängstlich blickenden Augen, die sie auf mich gerichtet hielt. Das Kleid kratzte schrecklich auf meiner Haut, ich hatte wirklich schon Angenehmeres getragen.

      Nachdem ich es endlich anhatte, zog sie ein weiteres aus dem Bündel hervor. Anscheinend hatten sie das allerletzte aus der Altkleidersammlung herausgefischt, was zu finden war. Das Kleid, an der Seite zum Schnüren, aus einem Leinenstoff gewebt, war viel zu lang. Einzig der warme Braunton gefiel mir. Trotzdem, ich würde keinen Schritt damit laufen können, ohne zu stolpern. Fragend hob ich den Saum an, blickte zu ihr hin und versuchte ihr zu zeigen, was offensichtlich war. Anstatt es mir allerdings wieder auszuziehen, was ich erwartete, zeigte sie mir, wie ich den Stoff halten mußte, damit ich nicht über den Saum stolperte. Ha, ha,... Mir war gar nicht zum Lachen zumute! Ich stöhnte. Hoffentlich blieb mir das Laufen in diesem Kleid erspart. Sicherlich war mein eigenes bald trocken, und ich konnte wieder wechseln. Warm wurde mir allerdings, das mußte ich gerechterweise zugeben.

      Die Frau gab der Jüngeren die Schüssel und den Korb, und nach einem kurzen Wortwechsel verließ die Jüngere den Raum, offensichtlich froh, meinem Bannkreis zu entkommen. Das Auftragebrett mit dem Essen, dessen Duft schon die ganze Zeit meine Nase und Geschmacksnerven kitzelte, zog meine Blicke auf sich. Sie stellte es unaufgefordert neben mich auf das Bett. Während ich mich den Speisen widmete, räumte sie in der Kammer herum, wohl eher um sich zu beschäftigen, als daß es nötig gewesen wäre. Mein Magen knurrte laut, während sich der Speichel in meinem Mund sammelte. Ich entdeckte getrocknete Weintrauben, Äpfel und Birnen, welche ich allerdings gedanklich verschmähte, doch ich wollte nicht ungerecht sein, schließlich hatten diese Früchte mir geholfen zu überleben. Mit wachsender Begeisterung sog ich den Duft von dunklem Brot ein, warm und frisch. Eine Pastete stand am Rand in einer Schale, wahrscheinlich aus Pilzen, doch ich traute mich nicht, sie zu kosten. Eine weitere Schüssel, mit Hirsepudding und Beeren darauf, lockte mich an. Verstreut auf dem Auftragebrett lagen Nüsse. Der Krug enthielt einen duftenden Kräuteraufguß. Ich saß eine Weile vor den Köstlichkeiten und traute mich nicht anzufangen, dabei hatte ich inzwischen richtig Hunger auf all die gut riechende Nahrung.

      Ich blickte unglücklich zu der Frau auf, die mich allem Anschein nach schon eine Zeitlang beobachtete. Ein Lächeln umzog ihre Lippen, als sie mir ermunternd zunickte. Ich beschloß, nicht länger zu warten. Was mir in der letzten Zeit am meisten fehlte, war das Brot und so begann ich damit. Die


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