Die Stunden der Nacht. Daimon Legion

Die Stunden der Nacht - Daimon Legion


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eine ganz andere Anatomie!“

      „Und ist das mein Problem oder seines?“, wurde Dani bösartig. „Ich wollte nicht, dass die Polizei ihn findet, darum hab ich ihn mitgenommen! Und ja, ein bisschen leid tat er mir auch! Ich hab ihn ans Messer geliefert und fühl mich schlecht deswegen! Dabei sollte es mich nicht kümmern, was mit dem Drecksack ist! Wenn er stirbt, kannst du ihn ja aufschneiden! Verflucht, ich hab eine Scheiß-Nacht hinter mir, Jules! Ich hab diesen Köter meterweit hierher getragen und bin fertig! Mach das Beste draus!“

      Schon hob er abwehrend die Hände und gab still klein bei. Es musste nicht sein, dass er sie noch mehr auf die Palme brachte, sonst würde sie ihren Zorn doch nur wieder an dem armen Teufel auslassen.

      Somit ließ Jules von ihr ab und beugte sich zu dem verletzten Körper hinunter. Das dunkle Fell tropfte nass den Boden voll, roch erbärmlich und war teilweise schon verkrustet von dem schwarzen Blut. Wie ein Mantel bedeckte es den Leib, Hände und Füße blieben nackt, und die Nägel waren Krallen, die der Wolf scheinbar wie eine Katze etwas einziehen konnten. Das würde er sich später noch mal genauer ansehen …

      Er drehte das fremde Wesen auf den Rücken und untersuchte die riesige Schädelmaske. Zähne, Schnauze, Ohren, Haare – die Verkleidung musste zum Leben erwachen, wenn er zum Tier wurde. Ein Formwechsel, Metamorphose – selbstverständlich hatte Jules an so was bereits gedacht. Zögerlich griff er nach dem Kiefer und zog die Maske wie eine Kapuze vom Kopf des Mannes.

      Das Gesicht darunter hatte sehr menschliche Züge. Der Dämon wirkte relativ jung, human gedacht irgendwo in den Ende Zwanzigern oder Anfang Dreißigern. Er besaß kantige Wangenknochen und ein starkes Kinn, eine gerade Nase und seine Augen hatte eine exotische Form, wie er sie maximal den Asiaten zugeschrieben hätte, wenn überhaupt. Das Kopfhaar war rund sieben Zentimeter lang, struppig und schwarz wie sein Pelz. Die Hautfarbe ging mehr ins gräuliche und seine dünnen Lippen, die leicht geöffnet waren, dass er die Reißzähne und das schwarze Zahnfleisch sehen konnte, erinnerten an dunkle Bleistiftstriche.

      „Interessant“, verkündete Jules seine ersten Erkenntnisse laut, „sein Blut ist schwarz. Darum ist die Haut grau und alles weitere, was unser rotes Blut rot oder rosa färbt, ist auch schwarz – beziehungsweise grau. Das ist faszinierend.“

      „Und wie sieht es sonst mit ihm aus? Hat ja einiges abbekommen“, meinte Dani gefasst und beschaute sich das zerschlagene Gesicht. Es war übersät von Krallenspuren und Prellungen. Blut rann aus dem Mundwinkel und ließ innere Wunden vermuten.

      Jules öffnete den knopflosen Kragen des Fellmantels. Der Hals war aufgebissen, die Kehle lag frei und zuckte leicht. Die blutigen Risse gingen tief und lang durch das graue Muskelfleisch, das von dunklen Adern und weißen Sehnen durchzogen war.

      „Dass der echt noch leben soll – igitt!“, zischte der Professor überraschend und schüttelte die Hand aus. An den Fingern klebte nicht nur der flüssige Teer, sondern auch ein klares, sehr schleimiges Sekret, das vom Fell abgesondert wurde und furchtbar nach Raubtier stank.

      „Was ist das?“, wollte Dani trotz allen Widerwillens wissen.

      „Keine Ahnung“, grummelte er verstimmt, aber als er das Fell weiter von der Haut abzog, glibberte das Zeug erneut an ihm. „Scheint eine Art … Klebstoff oder … Schutzschicht zu sein. Hält vielleicht in dieser Form das Fell fest, ich weiß es nicht …“

      Harte Krallenhiebe zierten die durchtrainierten Brustmuskeln, sodass die Menschen direkt auf gebrochene Rippenknochen sehen konnten. Darunter lagen die schwarzen Organe, die schwach pulsierten und glänzten wie geölte Zahnräder in einer Uhr.

      Im Studium hatte Jules ein Unfallopfer obduziert. Die Person war von einem LKW gerammt worden und nichts war im Körper dabei heil geblieben. Irgendwie musste er bei diesen Verletzungen daran denken. Mit dem Unterschied, dass dieses Geschöpf hier noch atmete.

      Vorsichtig tastete er den zertrümmerten Brustkorb ab und zuckte positiv verwundert zusammen.

      „Was?“, reagierte seine Freundin eher ungehalten.

      „Fühl mal hier, Dani!“, lud er sie freudig ein, es ihm gleich zu tun.

      Sie tat ihm den Gefallen, wenn ihr auch nicht klar war, was er damit bezwecken wollte. Die fahle Haut des Lichtfängers fühlte sich kalt und straff über den Knochen gespannt an. Am liebsten hätte sie die Hand von diesem schmutzigen, stinkenden … sie stutzte.

      „Das … das ist ein Herzschlag“, stellte sie fest.

      „Ja“, nickte er mit einem breiten Grinsen ihr zu, „dieser Dämon hat ein Herz. Ein sehr starkes dazu, denn trotz dieser Wunden ist er nicht totzukriegen.“

      Angewidert nahm sie die Hand von der glitschigen Brust und beteuerte griesgrämig: „Viele Mörder und Vergewaltiger haben ein Herz. Das gehört nun mal zum Leben dazu. Es macht ihn zu keinem Heiligen.“

      „Aber vielleicht zu einem fühlenden Dämon. Weißt du, ich denke eigentlich nicht, dass seine und die menschliche Mentalität sich groß voneinander unterscheiden. Bestimmt lässt er mit sich reden und ihr beide könnt einen Kompromiss finden. Vorerst sollten wir ihn klar zusammenflicken“, gab er sich hoffnungsvoll und wies sie an: „Hol mir bitte die kleine Autobatterie von Luke. Ein Stromstoß wird ihm sicher guttun …“

      Gerade wollte Dani sich aufmachen, da bemerkte sie, wie die verstümmelte Wolfsklaue sich bewegte. Die Krallen fuhren sich aus und der wunden Kehle entwich ein leises Stöhnen. Die Augenlider flatterten.

      Krampfhaft hustete der Dämon Blut.

      „Hey“, sprach Jules ihn ruhig an, „keine Sorge. Es wird alles gut.“

      Die grauen Raubtieraugen rissen auf.

      Mit einem Satz sprang der Lichtfänger vom Boden hoch, jedoch konnte er sich wegen der Schwere seiner Wunden nur schlecht aufrecht halten. Trotzdem stürzte er auf allen vieren in Sekundenschnelle viele Meter von den Menschen fort. Taumelnd stieß er gegen einen Schrank, gegen den Sessel, und fühlte mit einem Knurren, wie durch die hohen Fensterscheiben frühes Sonnenlicht auf ihn fiel. Sofort hastete er ins Dunkel, kam hechelnd vor Verwirrung zum Stehen und hob drohend die linke Pranke den Fremden entgegen. Er würde nach jedem ausschlagen, der ihm zu nahe käme. Blut und Speichel tropfte aus seinem Zähne zeigenden, schwer atmenden Maul.

      Erstarrt verharrten die Menschen ihm gegenüber.

      „Ganz ruhig“, versuchte Jules es erneut mit sanften Worten und trat einen leichten Schritt vor. Der Wolf knurrte gurgelnd und die Krallenhand stieg höher, auch wenn er Probleme hatte, sie und sein Gleichgewicht zu halten. Schnaufend witterte er den Geruch ihres Fleisches. Sein trüber Blick flog ziellos umher.

      „Jules“, machte Dani ihn auf etwas aufmerksam, jedoch hatte der Professor bereits den kritischen Zustand der Kreatur erfasst.

      Der Wolfsmann stand kurz vor dem Black-out. Wahrscheinlich konnte er nicht mehr richtig sehen, riechen oder hören. Allein seine zutiefst animalischen Instinkte sagten ihm, dass er nicht allein war. Den wankenden Bewegungen nach, kostete es ihm alle Kraft, einigermaßen aufrecht zu stehen. Das schwarze Leben floss aus seinem Fell, als sei er in den Regen gekommen. Das linke Bein schien gebrochen. Und mit Sicherheit sein rechter Unterarm. Er drückte die verletzte Gliedmaße an sich wie ein Kind sein Lieblingsstofftier.

      „Keine Angst, wir können dir helfen“, versuchte Jules weiter, zu ihm durchzudringen. Ratsuchend fragte er seine Freundin: „Hast du seinen Namen gehört?“

      Dani dachte kurz nach und antwortete: „Amon.“

      „Amon“, wiederholte er den Namen und sprach zu dem Lichtfänger, „wir werden dir nichts tun.“

      Dieser knurrte nur lauter, obwohl sein zerfetzter Hals dafür gar nicht mehr geeignet war. Es ließ nur eine weitere Ader in der Wunde platzen. Die Schmerzen mussten unvorstellbar sein …

      „Lass dir helfen, Amon.“

      Schwankend versuchte der nach Jules zu schlagen, jedoch war der Mann zu weit von ihm entfernt. Sein Handeln führte bloß dazu, dass er endgültig


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