Die Stunden der Nacht. Daimon Legion

Die Stunden der Nacht - Daimon Legion


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      Das kalte Leuchten erhellte weiterhin den Hof.

      Aus voller Kehle grollend stand der mörderische Wolf vor Dani und war gewillt, seine geschlagene Beute zurückzuerlangen. Mit gefletschten Zähnen, tropfend vor Geifer, ging er in Angriffsposition, bereit für einen zweiten Sprung, wenn sie es denn auf einen Kampf anlegte. Die Pupillen seiner rubinroten Augen waren eng geschlitzt und die Krallen seiner tellergroßen Tatzen kratzten über den Stein.

      Ihre nächsten Schritte überlegend, musterte Dani ihren zotteligen Feind.

      In ihrer Erinnerung war der Lichtfänger eigentlich so groß wie ihr Vater gewesen. Doch dieser hier war im Vergleich dazu winzig. Auf den ersten Blick konnte man ihn einfach mit einem schwarzen Schäferhund oder Neufundländer verwechseln. Fast hätte sie selbst geglaubt, einem Irrtum zu unterliegen, wenn nicht die verräterischen Augen wären.

      „Du bist zwar nur eine halbe Portion, aber trotzdem ein Monster“, provozierte sie ihn bewusst mit ihrer Verachtung. „Du hast ja nicht mal Skrupel davor, ein wehrloses Baby zu töten.“

      Mit der Pranke schlug er abschreckend nach ihr aus.

      Die Drohgebärde schüchterte sie nicht ein. „Du verdammte Promenadenmischung!“

      Sein einsetzendes Bellen hallte rau von den Mauern wider.

      Wachsam sah sich Dani nach den Fenstern um, die den Hof auf der Innenseite umgaben. Sie fürchtete, das laute Gekläffe könnte die Anwohner aufwecken und ihr zusätzliche Schwierigkeiten bereiten. Das Letzte, was sie bei einem Kampf mit Teufeln brauchte, waren ungläubige Zeugen.

      „Sei gefälligst still, die Leute schlafen noch!“, rügte sie ihn zwischen Spiel und Ernst.

      Der Wolf sprang mutig einen Satz vor und schnappte.

      Sofort wich Dani aus, griff geschickt in ihre Jackentasche, in das Kräutersäckchen, und pustete eine Handvoll davon dem Lichtfänger mitten ins pelzige Gesicht. Die Wirkung setzte prompt ein. Überrascht und verwirrt schreckte der schmale Bursche zurück und stieß zeitgleich ein grelles Heulen aus, als Nase und Augen begannen zu brennen. Er schnaubte, bockte, stolperte gegen die umgeworfenen Tonnen, kratzte und putzte sich mit den Vorderpfoten, nieste und winselte.

      Weil er sich rollend über den Boden wand, nahm sich Dani vor, das Zeug bald säckeweise bei Jules zu bestellen. Vielleicht verkaufte sie es auch gewinnbringend als erprobten Dämonenschreck im Internet …

      „Tja, unterschätze das liebe Rotkäppchen mal nicht, Wölfchen!“, konnte sie es nicht lassen, ihn zu verspotten. Dass die erste Runde an sie ging, stimmte die frisch getaufte Jägerin euphorisch.

      Da hörte sie den Wolf jammern.

       „Kaarn! Am kaarak far!

      Verwundert hob Dani die Brauen.

      Das klang nicht nach der Stimme eines Mannes.

       Was auch immer er eben in seinem aufkommenden Zorn reden mochte – der Wolfsdämon war noch sehr jung. Er hatte nicht mal leichten Stimmbruch! War er in Wirklichkeit nichts weiter als ein halbwüchsiger Welpe? Trotz seiner gefährlichen Drohungen sollte er selbst noch ein Kind sein?

      Demnach hatte sie sich in ihrer Erinnerung nicht getäuscht. Ein erwachsener Lichtfänger war wesentlich größer. Tödlicher.

      Und wie zum Beweis tauchte gleich neben ihr einer auf.

      6

       Konfrontation

      Der riesige Schädel stieß sie fort wie ein stählerner Rammbock und Dani fiel keuchend auf den Rücken zu Boden. Dennoch rappelte sie sich hurtig wieder in der Hocke auf und strafte sich für ihre eigene Unachtsamkeit.

       Nie die Umgebung aus den Augen verlieren, lautete ein einfacher Leitsatz, wenn man in Gefahr geriet. Und sie hatte in ihrer dummen Verwunderung vergessen, dass der Torbogen bisher frei durchgängig war für alle Arten von Geschöpfen. Nun jedoch war der Ausgang blockiert von drei übermannsgroßen Wolfsdämonen, die sicher auf das Jaulen des Welpen reagiert hatten.

      Zumindest schien dem, der sie unerwartet angegriffen hatte, viel an dem jüngsten Rudelmitglied zu liegen. Beinahe fürsorglich beschnüffelte er den kleineren Wolf und leckte ihm die bitteren Kräuter aus dem Pelz, selbst wenn diese ihn nicht schmeckten. Als er bemerkte, wie Dani ihren Körper langsam aufrichtete, stellte er sich, zu beachtlicher Höhe erhebend, schützend vor dem Jungen auf.

      Der Erwachsene schien fast doppelt groß, doppelt schwer und viermal mehr gefährlicher zu sein. Das schwarze Fell war lang und wild zerzaust, die Zähne glichen ebenholzfarbenen Hauern, auf die ein Eber neidisch gewesen wäre. Furchtlos blickte er sie an und lockerte die muskulösen Schultern, bereit zum Kampf. Seine Pranken wetzten die Krallen am Stein, dass sie Funken sprühten.

      Dani verharrte regungslos.

      Ihr Blick war fest auf ihn gerichtet.

      Das war der Lichtfänger mit den eisengrauen Augen. Sie erkannte ihn eindeutig am linken Vorderlauf, dem eine Klaue fehlte. Ein winziger Makel, aber er war ihr im Gedächtnis geblieben. Sie konnte noch fühlen, wie er sie in der damaligen Nacht niedergedrückt hatte.

      Auf diesen Bastard hatte sie lange gewartet.

      Bevor sie allerdings Gelegenheit hatte, sich an den Grauäugigen zu rächen, lenkte sie ein Lachen ab, das ihr schrecklich durch Mark und Bein ging.

      Der zweite ausgewachsene Wolfsdämon war ein drahtiger, langgliedriger Rüde, der beim Laufen fast zu tänzeln schien. Er hatte nicht die breiten Schultern des Grauen, löste aber durch seine beleckte, hämische Fratze ein tiefes Gefühl der Angst aus. Die Urangst vor dem großen bösen Wolf. Und an den glänzenden, weit aufgerissenen blauen Augen erkannte Dani, dass mit dem Kerl zusätzlich etwas nicht stimmte.

       „Ei, ei, ei“, kicherte der Blaue höhnisch, „ooka seśnar te saor, Orosar?“

      Der Welpe duckte sich schuldbewusst hinter seinem großen Beschützer. Dieser knurrte für ihn den Blauen an, der wiederum grimmig den Grauen anbellte. Zwischen beiden Wölfen knisterte die Luft vor gereizter Spannung, doch der dritte und letzte Wolf machte dem Streit stumm ein Ende. Es genügte ein fester Blick aus seinen flammenroten Augen und schon wichen die niederen Wölfe gesenkten Hauptes zurück.

       Demnach ist das der Alpha, vermutete Dani ganz stark.

      Ein Irren war bei seiner Ausstrahlung sowieso unmöglich. Weder setzte er auf Drohung noch auf Angst, um sich seinen Platz an der Spitze zu behaupten. Er brauchte bloß zugegen zu sein und jeder wusste sofort, dass dieser Dämon absolute Macht besaß und sie auch mit Gewalt einfordern würde. Widerworte standen nicht zur Diskussion. Er war ein Anführer, ein König, ein Tyrann mit einem Geburtsrecht, die Schwachen zu beherrschen.

      Von seinem Rudel war er der größte, der stärkste, der tödlichste Wolf. Und ein kleiner Mensch wie Dani hatte ihm bestimmt nichts entgegenzusetzen.

       Während er majestätisch wie ein Löwe auf die junge Frau zuschritt, knurrte er die dunklen Worte seiner Art: „Eo iorna am te iśkaé, sar?“ Es klang nicht sehr freundlich. Geschweige denn erfreulich.

       „Śi rorśk, saiǩo, śi ooka morwar rorśk!“, jammerte der Welpe und rieb seine entzündete Nase.

      Dani verstand nichts von dem, was zwischen den Wölfen gesagt wurde. Nicht mal Jules hätte etwas von dieser Sprache verstanden. Wahrscheinlich war sie überhaupt der erste Mensch, der die Lichtfänger sprechen hörte – und noch immer lebte. Abgesehen davon war ihr sehr wohl klar, dass der riesige Alpha ihr bedrohlich nahe kam. Mit seiner Tatze musste er bloß kurz scharf ausholen und sie könnte noch im Himmelreich ihre Knochen sortieren. Obwohl sie sich nicht zu den Schwachen zählen wollte, musste Dani sich eingestehen, dass ihre ganze Kraft, ihr Wille und ihre Halsstarrigkeit gegen dieses schwarze Wesen nichts auszurichten vermochten.

      Zähneknirschend musste sie


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