...und im Luftschloss wird es kühl. Karen Grace Holmsgaard
böse, aber ich muss zu meinen Pferden, wir reden später, oder du schickst mir eine WhatsApp, okay?“
Sabine seufzte: „Klar meine Süße, wir bleiben in Kontakt.“ Die beiden Frauen tauschten kurz ein paar Höflichkeitsfloskeln aus, dann legte Sabine auf.
Moni lässt mich schon nicht im Stich, überlegte sie, nur hat sie eben mit ihrem Reiterhof alle Hände voll zu tun. Sabine liefen erneut die Gedanken davon und auf einmal hatte sie keine Lust mehr, sich mit dem Profil dieses geheimnisvollen David Silverstone zu beschäftigen. Sie schloss sämtliche Anwendungen und fuhr den PC herunter. In Ruhe ließ sie den Tag mit einer Pizza ausklingen.
Tag zwei
(Samstag)
Am nächsten Morgen hatte Sabine keine Zeit an Facebook zu denken. Sie hatte gut geschlafen und nun standen andere Dinge auf dem Plan.
Ohne Hilfe hatte sie es unter die Dusche geschafft. Das Anziehen und Anlegen der Orthese hatten geklappt, wenn auch mit Mühe. Sabine klopfte sich in Gedanken auf die Schulter. Da werde ich den Pflegedienst kaum brauchen, dachte sie. Aber die Haushaltshilfe nehme ich mit! Und selbst die Nachbarin hatte ihr Versprechen gehalten und Brötchen mitgebracht. In aller Ruhe bereitete sich Sabine ihr Frühstück zu und ließ es sich dann schmecken.
David Silverstone kam Sabine wieder in den Sinn. Hat keine Eile, dachte sie und räumte zunächst einmal das Geschirr vom Frühstück weg, wusch ab und sah ihre Post durch. Wichtiges fand sie nicht. Sabine gab sich einen Ruck und beschloss, sich doch Facebook zu widmen. Warum nicht?
Sie setzte sie sich an ihren Laptop und fuhr ihn hoch. Sabine musste sich eingestehen, dass sie doch ein wenig aufgeregt war. Was würde sie erwarten?
Zögernd öffnete sie ihren Facebook Account und beantwortete die ausstehende Freundschaftsanfrage von David Silverstone. Allerdings schickte sie ihm gleich eine Nachricht, und zwar in deutscher Sprache.
Mein lieber David!
Vielen Dank für Deine Freundschaftsanfrage.
Allerdings kann ich mir beim besten Willen nicht erklären, warum Du mir diese Anfrage gesandt hast. Zwar bin ich seit einiger Zeit geschieden, aber ich bin definitiv nicht auf der Suche nach einem neuen Partner. Von Männern bin ich nur schwer enttäuscht worden, das möchte ich nicht noch einmal haben.
Ich finde es ein bisschen unhöflich, mich einfach so anzusprechen, ich bin eine anständige Frau und keine Prostituierte. Das zeugt nicht von einer guten Erziehung!
Vielleicht kannst Du es mir erklären, ich verstehe es nicht. Ich möchte in meinem Leben nur für meine Kinder, meine Bücher und Pferde da sein, das sind die Dinge, die mir jetzt wichtig sind, abgesehen von meinem Beruf. Einen Mann suche ich definitiv nicht. Ich bin über dreißig Jahre verheiratet gewesen, jetzt ist Schluss. Ich möchte frei sein. Meine Kinder sind erwachsen, jetzt kommt mein eigenes Leben und ich freue mich darauf!
Auf Deinem Profil sehe ich, Du bist aus Hamburg und wohnst jetzt in Berlin.
Stutzig wurde ich bei Deinem Namen. Der klingt doch eher englisch, wie kommt das? Ich möchte es nur wissen. Hoffentlich bin ich nicht zu neugierig. Gruß Sabine
Mehr war für eine erste Nachricht nicht wichtig, fand Sabine und sendete die erste Nachricht an David Silverstone ab. Den Account von Facebook ließ sie geöffnet, wandte sich dann aber ihrem eigentlichen E-Mail-Postfach zu.
Hatte ihr Chef ihr schon etwas Arbeit geschickt? Nein, offenbar möchte er seine angeschlagene Mitarbeiterin schonen, dachte sich Sabine und griff nach der Tageszeitung. Nichts Besonderes, wie sie nach einer knappen Stunde feststellte. Und nun?
Sabine legte die Zeitung beiseite. Ich kann doch nicht den ganzen Tag die Wände anstarren, dachte sie. Und immer nur vor der Glotze hängen, ist stumpfsinnig.
Plötzlich hatte Sabine eine Idee. Hatte sie nicht im letzten Winter versucht, Topflappen zu stricken? Stöhnend erhob sie sich vom Sofa, ging zu einem ihrer Schränke und kramte ihr Strickzeug hervor. Langeweile wird da eher die Ausnahme sein, sinnierte Sabine und ihre Laune stieg mit einem Schlag. Mit Feuereifer widmete sie sich ihrem Strickzeug. Lass das Schokolade naschen, knüpfe lieber eifrig Maschen, dachte sie und genoss die Stille. Doch diese Stille wurde von einem „Pling“ unterbrochen. Der Messenger auf Facebook. Eine Nachricht von David Silverstone!
Liebe Sabine, auf Facebook bin ich nur selten unterwegs, weil ich beruflich viel zu tun habe. Da ich aber demnächst von Hamburg nach Berlin umziehen will, habe ich nach Leuten in Berlin gesucht, weil ich dort neue Freunde finden möchte.
Du siehst meiner verstorbenen Schwester ähnlich, darum habe ich Dir die Anfrage geschickt. Gerne möchte ich Dich besser kennenlernen, bitte akzeptiere das und gib mir eine Chance. Dein bezauberndes Lächeln ist nicht zu ignorieren!
Mein Vater ist ein britischer Soldat in Berlin gewesen, daher mein Name.
Meine Mutter ist eine Deutsche. Sie lebt zurzeit in einem Pflegeheim in Hamburg. In der Nähe des Heims habe ich eine kleine Wohnung. Viel brauche ich nicht, weil ich beruflich ständig unterwegs bin, ich bin Ingenieur. Dazu kann ich Dir später mal etwas schreiben. Meine Mutter ist durch und durch Berlinerin und möchte daher lieber wieder in Berlin leben. Zurzeit suche ich nach einem guten Heimplatz in Berlin. Und ich möchte sie dort nicht allein lassen, ich ziehe mit nach Berlin. Ich denke mal, in den nächsten Wochen wird es soweit sein. In dieser Richtung steht mein Entschluss fest. Als Ingenieur finde ich überall Arbeit und fremd ist mir Berlin nicht. Nach dem Fall der Mauer bin ich im Osten gewesen. Alexanderplatz, Bahnhof Zoo, Brandenburger Tor, Checkpoint Charly. Bis jetzt habe ich keine Zeit gehabt, mich nach einer Wohnung in Berlin für mich umzusehen. Das wird nicht leicht werden, weil ich zwei große Hunde habe. Vielleicht kannst Du mir bei der Suche behilflich sein, mein Engel. Allerdings müsste ich Dir dazu in meiner nächsten Mail mehr von mir schreiben. Und ich möchte Dich besser kennenlernen, Dein Freund sein, mit Dir lachen, Dich glücklich sehen. Was machst Du beruflich? Erzähle mir etwas von Dir!
David
Sabine las diese Mail mehrmals und so richtig gefiel sie ihr nicht. Natürlich freut sich jede Frau über Komplimente. Aber gleich in der ersten Mail so viel Schmalz? Abgesehen davon kannte er sich im Osten von Berlin nicht so gut aus. Der Bahnhof Zoo und der Checkpoint Charly gehörten zum ehemaligen Westteil Berlins. Oder doch ein Love Scammer? Dazu ist das Deutsch des Schreibers zu perfekt, überlegte Sabine. Abgesehen davon hatte David sie nicht zu einem Chat gedrängt. Eine Mutter in Deutschland erschien Sabine eher untypisch für einen Scammer. Zumindest, wenn sie davon ausging, was sie über Scammer wusste.
Was nun Bienchen? Ihre weibliche Intuition sagte ihr, dass etwas mit diesem David nicht stimmte. Trotzdem entschloss sich Sabine, gleich zu antworten.
Mein lieber David!
Vielen Dank für Deine Mail, über die ich mich gefreut habe. Ich habe mich entschlossen, den Kontakt mit Dir fortzusetzen, weil ich Dich nett finde.
Zu mir: Ich bin die Sabine, zweiundfünfzig Jahre alt, geschieden und habe zwei erwachsene Kinder. Christian ist dreißig Jahre alt und studiert Maschinenbau, Sandra ist achtundzwanzig Jahre alt und studiert Psychologie. Beide Kinder studieren in Berlin und leben dort in Wohngemeinschaften.
Ich selbst lebe etwas außerhalb von Berlin, fast auf dem Lande und dennoch nicht weit weg von der Berliner City. Ich arbeite für einen kleinen Verlag, der überwiegend Reiseliteratur verlegt, manchmal aber auch Bücher anderer Genres. Ein großer Vorteil meiner beruflichen Tätigkeit ist, dass ich viel im Homeoffice erledigen kann. Ich muss nicht jeden Tag im Verlag sein, kann zuhause arbeiten.
In meiner Freizeit mache ich gerne Yoga, ich lese, gehe manchmal joggen und bin häufig auf dem Reiterhof meiner Freundin Monika zu finden. Ein eigenes Pferd besitze ich aber nicht. Eigentlich findet sich für einen neuen Mann in meinem Leben kaum Platz