...und im Luftschloss wird es kühl. Karen Grace Holmsgaard
Du nicht?
Wenn Du nach Berlin gezogen bist und den gröbsten Stress hinter Dir hast, können wir uns gerne einmal treffen. Vielleicht in einem guten Café, oder auf dem Reiterhof meiner Freundin. Und dann können wir weitersehen, was aus uns beiden wird.
Vielleicht passen wir in der realen Welt gar nicht zueinander. Damit solltest Du rechnen.
Gruß Sabine
Sabine überlas die Nachricht, dann schickte sie die Mail auf die Reise.
Anschließend schloss sie ihren Account bei Facebook und sah das E-Mail-Postfach ihres Providers durch. Hatte ihr Chef, der freundliche Herr Lenz, an sie gedacht und ihr ein bisschen Arbeit geschickt? Oh ja, er vergaß seine Mitarbeiterin, die seit Jahren zuverlässig für ihn arbeitete, nicht.
Ohne zu zögern öffnete Sabine den Anhang der Mail und besah sich den Text, den ihr Chef geschickt hatte. Keine Hürde, diesen Text zu überarbeiten war keine große Sache, zumindest nicht für Sabine.
Doch dann meldete sich ihr Smartphone, genauer gesagt WhatsApp.
Monika! Ein paar Zeilen nur mit dem Versprechen, ihr heute Obst und Gemüse zu bringen. Wahrscheinlich hatte sie wieder auf ihrem Reiterhof zu tun. Monika mangelte es oft an Zeit und manchmal konnte sie ruppig werden. Aber wenn Freunde von ihr Hilfe brauchten, war sie stets zur Stelle.
Mit großem Eifer widmete sich Sabine dann der Aufgabe, die ihr Herr Lenz geschickt hatte. Sie wollte ihren guten Willen beweisen, auch wenn sie heute sicher nicht alles schaffen würde. Aber Sabine kannte ihren Chef gut, er würde gewiss Verständnis dafür haben. Das Schellen der Türglocke riss Sabine aus ihrer Arbeit. Umsichtig speicherte sie ihre Aufzeichnungen ab und begab sich zur Tür.
„Futterexpress“, brüllte Monika in die Wechselsprechanlage und Sabine öffnete die Haustür. Dann öffnete sie ihre Wohnungstür und hörte ihre Freundin die Treppe hochkommen. Im Hausflur trompetete Monika los: „Na Du krankes Suppenhuhn? Ich hoffe Du wirst bald wieder!“ Monika konnte schon manchmal etwas peinlich werden.
„Komm erst mal rein und dann erzähle ich Dir alles“, meinte Sabine. Monika stapfte in Sabines Wohnung und betrat sofort die Küche. Sabine verschloss die Wohnungstür und schaute staunend ihrer Freundin zu, die eine große Tasche auspackte. Orangen, eine kleine Honigmelone, eine Ananas, Tomaten, Gurken, Paprikaschoten und Zwiebeln kamen zum Vorschein.
„Ich dachte Obst zum Frühstück und Gemüse mittags, oder abends, wie Du magst“, erklärte Monika und fuhr fort: „Und heute zum Abendbrot hätte ich für Dich das hier.“
Monika beförderte eine große Plastikschüssel zutage. „Balsamico Linsen, hatten wir gestern zum Abendbrot und es ist so viel übriggeblieben.“
„Super“, freute sich Sabine, „möchtest Du einen Kaffee?“
Monika schüttelte den Kopf. „Leider muss ich gleich wieder los, die Pferde. Aber ich kann Dich mal auf meinen Hof holen. Wetter ist doch noch toll und Du magst doch Pferde noch immer, oder?“
„Na klar“, erwiderte Sabine freudig, „das können wir machen und mach Dir keine Sorgen wegen Deiner Hufeisenträger. Ein einziger Sturz macht noch keinen Pferdefeind.“
Monika zog ihre modische Jacke gerade. „Lass Dir die Linsen schmecken und wenn was ist, einfach eine WhatsApp.“
Monika verabschiedete sich von ihrer Freundin mit einer Umarmung und verschwand. Ein bisschen verloren blieb Sabine in der Küche zurück. Noch hatte sie keinen Appetit auf die Linsen. Stattdessen kehrte sie zu ihrem Laptop zurück und schaute bei Facebook vorbei. Keine Nachricht von David…
Ein wenig enttäuscht schloss Sabine alle Anwendungen, fuhr den Laptop herunter und klappte ihn zu. Morgen ist ein neuer Tag, dachte sie.
Tag zehn
(Sonntag)
In den vergangenen Tagen hatte sie nichts mehr von David gehört. Täglich hatte sie bei Facebook vorbeigeschaut, aber das Postfach blieb leer. In den ersten zwei Tagen war sie enttäuscht, dann zuckte sie nur gleichgültig mit den Schultern. Hatte sich diese kleine Episode erledigt? Auch ohne David Silverstone hatte Sabine zu tun. Da gab es genug Termine bei der Hausärztin und der Physiotherapie.
War Sabine zuhause, erledigte sie kleine Arbeiten für den Verlag im Homeoffice, las oder strickte. Manchmal führte sie einen Plausch mit ihrer Haushaltshilfe, auf die sie sich verlassen konnte. Langweilig wurde ihr nur selten.
Monika ließ sie nicht im Stich, fuhr mit ihr zur Sparkasse und versorgte sie mit Lebensmitteln. Sabine war froh, sich bei ihrer Freundin ehrlich machen zu können, denn sie hatte nicht gerne Schulden. Ein Besuch auf dem Reiterhof hatte sich zwar nicht ergeben, aber Sabine hatte im Laufe ihres Lebens gelernt, geduldig zu sein. Und so kam es, dass sie an diesem Sonntagnachmittag allein zuhause war. Kein Problem für die junge Frau. Sabine beschloss, sich einen Kaffee zu machen. Dann ist es doch gleich gemütlicher, dachte sie, während sie sich das Getränk aufbrühte. Vorsichtig trug sie ihren Kaffeepott ins Wohnzimmer und machte es sich wieder auf der Couch bequem.
Lustlos klappte sie ihren Laptop auf, fuhr ihn hoch und öffnete einige Anwendungen.
Zögernd loggte sie sich bei Facebook ein. Eigentlich erwartete sie nichts und so staunte sie nicht schlecht, als sie eine Nachricht von David vorfand. Und was für eine, Sabine traute ihren Augen kaum!
Liebe Sabine!
Lange habe ich überlegt, ob ich es Dir schreiben soll, aber jetzt tue ich es! Erst vor kurzem erst haben sich unsere Wege gekreuzt – mir kommt es aber so vor, als ob wir uns schon ewig kennen. Ich kann meine Gefühle zu Dir kaum in Worte fassen. Wie konnte ich so lange ohne Dich existieren?
Ich weiß es nicht…
Hier muss der liebe Gott geholfen haben, denn nur er kann vollkommene Dinge schaffen. Jede freie Sekunde denke ich an Dich – und selbst in meinen Träumen hast Du Besitz von mir ergriffen. Das habe ich in den letzten Nächten immer wieder erlebt.
Du bist wirklich das Wunder, auf das ich gewartet habe! Du bist der Engel, den Gott mir geschickt hat, ich bin mir sicher! Ich hoffe, ich habe Dir gefehlt und Du empfindest etwas für mich. Dann sind wir beide auf einem guten Weg. Einem gemeinsamen Weg, der uns durch viele kleine und große Abenteuer führen wird. Ich freue mich darauf, ihn mit Dir zu bestreiten. David
Der spinnt, überlegte Sabine und entschloss sich, David wieder nicht lange auf eine Antwort warten zu lassen. Und so flogen ihre Finger über die Tastatur.
Mein lieber David!
Sehr gefreut habe ich mich, wieder von Dir zu hören und ich muss Dir recht geben, wir kennen uns nicht lange. Und wir kennen uns lediglich von einigen wenigen Fotos und Mails.
Da schon von Liebe sprechen? Viel zu früh und schon gar nicht mit mir, denn ich suche keinen Partner, ehrlich nicht. Ich habe nicht vor, mich erneut zu binden. Vielleicht hattest Du etwas getrunken, als Du mir Deine letzten Zeilen geschrieben hast, ich weiß es nicht.
Verrenne Dich bitte nicht in eine Sache, die vielleicht nie sein wird. Seit einem Jahr bin ich geschieden und ich habe mich auf mein Leben als Single eingestellt.
Und weißt Du was? Es geht mir gut dabei! Warum sollte ich jetzt wieder alles über den Haufen werfen? Denke einfach einmal in Ruhe darüber nach. Vor allen Dingen sollten wir nichts erzwingen, lieber David. Du siehst auf Deinen Fotos gut aus. Deine Hunde gefallen mir und Dein Schreibstil. Aber zu einer dauerhaften Beziehung voller Liebe gehört doch mehr, oder?
Gruß Sabine
Hastig schickte Sabine die Mail auf die Reise, ehe sie am Text etwas ändern konnte. Ihren Account bei Facebook ließ sie geöffnet, David würde sich sicher nicht so schnell melden. Und so vertiefte sich Sabine in ihre Zeitschrift.