...und im Luftschloss wird es kühl. Karen Grace Holmsgaard
Christian, trotzdem verstanden sich die beiden Frauen gut. Sabine freute sich. Das hatte zwei Gründe: Erstens sprach Zayba bis auf den Akzent die deutsche Sprache nach einigen Jahren deutsch perfekt und zweitens freute sie sich, dass Zayba sich wieder einmal bei ihr meldete.
„Hallo Zayba, das ist aber schön, dass du anrufst. Wie geht es Dir?“ Aufgeregt rutschte Sabine auf der Couch hin und her.
„Mir geht es super, aber Dir wohl nicht, oder? Vor ein paar Tagen habe ich Frau Spaltholz auf der Straße getroffen und die hat mir erzählt, dass du einen kleinen Unfall hattest. Und da dachte ich, du brauchst vielleicht Hilfe. Gerne würde ich Dich besuchen, was meinst du? Und selbstverständlich bringe ich auch etwas zu essen mit. Dann musst du Dich nicht anstrengen. Das ginge aber nur abends, weil ich tagsüber arbeite. Wir haben uns bestimmt eine ganze Menge zu erzählen, weil wir uns ja fast ein Jahr nicht gesehen haben, oder ist es sogar länger her?“
Sabine rechnete kurz im Kopf, überlegte und antwortete dann: „Ich würde ja meinen, eher anderthalb Jahre, bin mir aber auch nicht so ganz sicher. Ist doch auch egal. Es ist jedenfalls über drei Jahre her, dass ich Dir Deutschunterricht gegeben habe. Der ging etwas über ein Jahr und danach haben wir uns noch einige Male privat abends gesehen. Da ging dann der Deutschunterricht weiter. ‚Die Olsenbande‘, weißt du noch? Alle Filme, die es gab.“
Sabine hörte Zayba am Telefon laut lachen: „Oh ja, die drei putzigen Gesellen aus Dänemark. Eigentlich ulkig, dass sie mir den letzten Schliff in der deutschen Sprache gegeben haben. Ich kann heute noch ganze Dialoge auswendig und bin dankbar dafür. Ich denke, ich habe das mit dem Deutsch ganz gut hinbekommen, oder? Also, was hältst du von einem Besuch?“
Sabine überlegte einen Augenblick und antwortete dann: „Also morgen Abend bin ich mit Essen noch versorgt, aber wie wäre es denn übermorgen? Das wäre Donnerstag, aber ich richte mich natürlich nach Dir.“
„Aber ist doch Ehrensache“, meinte Zayba voller Enthusiasmus. „Da kann ich mich endlich mal so richtig bei Dir bedanken und wir haben uns wirklich eine Menge zu erzählen. Und das Neuste erzähle ich Dir gleich.“
Zayba machte eine kurze dramatische Pause und verkündete dann:
„Mittlerweile habe ich sogar den Führerschein bestanden. Den habe ich sogar selbst finanziert und ein kleines Auto habe ich auch, wenn auch ein gebrauchtes!“
Sabine spürte förmlich, wie stolz Zayba darauf war und erwiderte: „Also Zayba, du schaffst es wirklich noch: Vom Flüchtling zur Millionärin.“
„Nein, nein, dazu wird es sicher nicht kommen. Ich hab noch nicht einmal eine eigene Wohnung, sondern nur ein Zimmer in einer WG. Mehr ist nicht drin und der Führerschein war mir wirklich wichtiger. Ich komme auch mit dem einen Zimmer ganz gut klar. Immerhin besser als die Unterkunft im Flüchtlingswohnheim. Leider können sich nicht alle Einwohner so eines Heims benehmen und ich bin froh da raus zu sein. Das habe ich Dir ja schon einmal erzählt. Aber zurück zu unserem Treffen. Ich könnte am Donnerstag erst gegen einundzwanzig Uhr bei Dir sein. Vorher schaffe ich es wirklich nicht, mein Job verstehst du?“
„Das ist für mich kein Problem, wir können uns trotzdem Zeit nehmen, ich habe keine Termine am Freitag“, Sabine lächelte.
„Also okay, dann bis Donnerstag und wenn etwas ist, rufst du mich einfach an, bye.“
Und schon hatte Zayba aufgelegt. Sabine wechselte kurz ihre Sitzposition und griff erneut nach ihrer Illustrierten. Auf ihren Laptop hatte sie im Augenblick keine Lust. Sollte David erst einmal über ihre letzte Mail nachdenken. So schnell wollte sie keinem Mann mehr ins Netz gehen. Morgen ist auch noch ein Tag, dachte Sabine und fuhr den Laptop herunter.
Tag dreizehn
(Mittwoch)
Der nächste Tag hatte begonnen. Das übliche morgendliche Ritual, Duschen und Frühstück waren schnell erledigt. Am Vormittag stand Physiotherapie auf dem Programm, der Laptop musste warten. Am späten Vormittag kehrte Sabine zurück. Vom Bäcker hatte sie sich ein belegtes Brötchen mitgebracht. Kaum hatte sie ihre Wohnung betreten, klingelte schon die Haushaltshilfe. Sabine ließ sie ein und begrüßte sie freundlich. Die Dame kann mir gleich mal einen Kaffee machen, dachte sie, während sie ihre Schuhe wechselte. Und so bat sie die freundliche junge Frau um Hilfe.
„Klar mache ich Ihnen einen Kaffee und Du kannst so langsam mal Babsi zu mir sagen“, meinte sie, „schließlich kennen wir uns jetzt schon ein Weilchen.“
„Mach ich gerne, aber nur, wenn Du Biene zu mir sagst, schließlich werden wir noch einige Zeit miteinander zu tun haben“, Sabine lachte und hievte sich auf die Couch. Wenige Minuten später brachte ihr Babsi den Kaffee und das Brötchen.
„Lass es Dir schmecken, aber verrate mir bitte, was ich sonst noch für Dich tun kann.“
Sabine überlegte einen Augenblick und meinte dann: „Einfach mal ein bisschen meine kleine Wohnung putzen. Nicht wie zu Weihnachten, aber gründlich.“
„Geht klar, Biene“, Babsi grinste und begann eifrig zu arbeiten.
Am besten schmeiße ich gleich mal meinen Laptop an und sehe nach dem Rechten.
Für Herrn Lenz gibt es sicher etwas zu tun und vielleicht hat sich David gemeldet. Gesagt, getan! Aufgeregt öffnete Sabine ihren Facebook Account und stieß prompt auf eine Nachricht von David.
Ich vermisse Dich so, ich bete den ganzen Tag zu Gott, dass Du in Sicherheit bist und gesund bleibst. Sabine, glaube mir einfach und ich werde mein Bestes geben, Dich bald in Berlin zu besuchen, sofern ich auf die Gnade Gottes hoffen darf.
Du bist so nett und süß, liebste Sabine, ich möchte für immer und immer bei Dir sein.
Es ist mir eine Freude, dass es Dich gibt. Denn ich habe Dich gewollt. Du bist unendlich wertvoll in meinen Augen. Du bist meine große Liebe, in die ich tief versunken bin. Und in meiner Seele hast Du ein heißes Feuer entfacht!
Sabine stutze. Kam jetzt schon wieder der liebe Gott mit ins Spiel? Damit konnte Sabine so gar nichts anfangen. Und daher entschied sie sich, diese Mail gleich zu beantworten. Das konnte nicht warten!
David, nun kennen wir uns nicht einmal zwei Wochen. Daher kann ich nicht von Liebe reden. Und eines solltest Du gleich wissen: Ich bin nicht gläubig! Für mich gibt es keinen Gott. Ja David, ich mag Dich. Aber verlieben kann ich mich nur in der Realität, wenn ich Dich gesehen habe.
Was soll dieser schwülstige Unsinn, lieber David? Du kennst mich doch gar nicht!
Und ich weiß nur wenig von Dir. Ich kenne nicht einmal Deine Hobbys…
Hastig schickte Sabine die Mail auf die Reise. So etwas duldete keinen Aufschub, fand sie. Anschließend schloss sie ihren Facebook Account.
Unterdessen hatte Babsi ihre Arbeit beendet. Sogar abgewaschen hatte sie.
Sabine bot ihrer Hilfe einen Platz an. „Einen kleinen Augenblick für einen Schwatz hast du doch sicher, oder?“ Babsi stimmte zu.
„Eigentlich wollte ich nur mal ganz herzlich danke sagen, das ist alles. Und ein Weilchen werde ich auch noch auf Dich angewiesen sein. Die Orthese werde ich noch mindestens zwei Wochen tragen müssen, meine Ärztin ist noch nicht so ganz zufrieden. Warten wir erst einmal ab und dann sehen wir weiter.“
Babsi nickte. „Klar das bekommen wir hin, aber jetzt muss ich auch weiter. Für den kommenden Dienstag bin ich wieder für Dich eingeteilt. Schönes Wochenende!“
Damit verließ Babsi freundlich lächelnd die Wohnung und Sabine war wieder allein. Sie begab sich wieder an ihren Laptop. Lieber widmete sie sich den Aufgaben, die ihr Herr Lenz geschickt hatte. Schließlich wollte sie ihren Chef nicht enttäuschen. Und so vertiefte sich Sabine so in die Arbeit, dass sie fast die Zeit vergaß. Dann hatte sie es geschafft und schickte eine Mail an den Verlag. Danach öffnete sie ihren Facebook Account. Eine Nachricht von David!