...und im Luftschloss wird es kühl. Karen Grace Holmsgaard

...und im Luftschloss wird es kühl - Karen Grace Holmsgaard


Скачать книгу
„Das wird doch hoffentlich wieder okay?“

      „Oh ja“, erwiderte Sabine, „es kann noch ein Weilchen dauern, aber das wird schon wieder werden. Ich muss am Montag wieder zu meiner Ärztin, dann erfahre ich mehr.“

      „Ich zeig Dir erst mal, was ich uns mitgebracht habe. Für jeden von uns Country Potatoes und jede Menge Grillgemüse, außerdem Rahmchampignons und Pfeffersauce. Leider habe ich nicht an ein Dessert gedacht.“

      Sabine riss die Augen auf und lachte: „Ein Glück, dass ich heute Mittag nur ein Brötchen gegessen habe. Soll ich uns eine CD einlegen und leise im Hintergrund laufen lassen?“ Zayba nickte, verschwand kurz im Badezimmer und begann danach in der Küche das Abendbrot aufzutun. Unterdessen hatte Sabine eine CD in den Player getan.

      „Afrikanische Klänge habe ich leider nicht zu bieten, aber vielleicht tut es auch eine andere Entspannungsmusik“, meinte Sabine.

      „Ist schon okay, Hauptsachen leise, du glaubst gar nicht, wie einen der Krach in Küche und Restaurant stressen kann.“

      Sabine trug Besteck und Servietten ins Wohnzimmer, Zayba folgte ihr mit zwei vollen Tellern.

      „Die Sauce und das Grillgemüse bringe ich extra, hat nicht mehr auf die Teller gepasst“, murmelte Zayba. Sie stellte die Teller ab und verschwand erneut in der Küche. Auf einem Tablett balancierte sie den Rest an den Tisch.

      „Wir müssten alles haben“, meinte Zayba und setzte sich in einen bequemen Sessel. Sabine nahm Platz, sie zog die Couch vor.

      „Das sieht wirklich lecker aus“, meinte sie und fuhr fort, „da bekommst Du aber noch Geld von mir.“

      „Ich haue Dir mit dem Messer, wenn Du mir Geld geben willst“, rief Zayba aus und Sabine musste lachen. Auch wenn Zayba schon lange in Deutschland lebte, so ganz perfekt war ihr Deutsch doch nicht. Aber sie hatte die fremde Sprache schnell gelernt. Zwar war deutlich ein Akzent zu merken, aber viele Fehler machte sie nicht. Beim Essen sprachen die beiden Frauen nur wenig, sie genossen ihr Mahl.

      Nach dem Essen trug Zayba das Geschirr in die Küche. Sabine folgte ihr und sagte: „Lass das Geschirr stehen, das wasche ich ab, wenn Du weg bist, so viel ist es nicht. Wenn Du möchtest, kann ich uns noch einen Kaffee machen und eine gute Packung Pralinen habe ich auch noch da.“

      „Super“, jubelte Zayba, „ich bin heute den ganzen Tag auf den Beinen gewesen, da kann ich was Süßes gut gebrauchen.“

      Fröhlich machte sich Sabine ans Werk und bereitete Kaffee zu. Die Packung Pralinen war schnell gefunden und die beiden Frauen ließen sich erneut im Wohnzimmer nieder.

      Sabine hielt Zayba die Packung Pralinen hin und Zayba griff zu. Dann bediente Sabine sich selbst und forderte Zayba auf: „Nun erzähl mal, wie geht es Dir?“

      „Tja“ begann Zayba, „es ist viel Zeit vergangen, seit wir das letzte Mal ausführlich telefoniert haben, ich glaub, da war ich sogar noch im Asylbewerberheim untergebracht.“ Zayba überlegte und fuhr fort: „Erinnerst du Dich, ich bin kurz vor der großen Flüchtlingskrise aus Ghana gekommen. Gemeinsam mit meinem Bruder, der zwei Jahre älter ist als ich. Weißt du noch?“

      Sabine nickte. Zayba müsste jetzt zweiunddreißig Jahre alt sein und ihr Bruder demnach vierunddreißig Jahre alt.

      Zayba nahm vorsichtig einen kleinen Schluck Kaffee und fuhr fort. „Mein Bruder ging dann nach London, er wollte nicht in Deutschland einen Asylantrag stellen, der Sprache wegen, ich hingegen stellte meinen Antrag auf Asyl hier und bekam auch eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. Keine Ahnung, warum ich nicht mit meinem Bruder nach Großbritannien gehen wollte, vielleicht war ich einfach nur zu erschöpft für einen weiteren Weg. Mein Bruder und ich standen uns immer nahe. Er ist ein großer Bruder, wie ich ihn mir gewünscht habe. Leider ist Joseph homosexuell und das wird in Ghana kaum akzeptiert. Das gilt als was Schlimmes. Mein Bruder durfte seine Liebe zu Männern auf gar keinen Fall öffentlich machen und darum mussten wir fliehen. Joseph wollte sich nicht mehr verstecken. Und Frauen geben ihm absolut nichts, leider… Ich wünsche ja, es wäre anders, aber mittlerweile habe ich akzeptiert, dass er schwul ist.“

      Zayba seufzte. „Wir haben in einem kleinen Ort nahe der Stadt Navrongo gelebt, das ist nicht weit weg von der Grenze zu Burkina Faso, im Norden von Ghana. Dieser Teil von Ghana ist eher muslimisch geprägt, allerdings sind Joseph und ich nicht besonders gläubig. Wie auch immer, ständig wurde mein Bruder nach einer Hochzeit gefragt. Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis alles aufgeflogen wäre. Nicht einmal meine Eltern wissen, dass Joseph nicht auf Frauen steht. Und ich kam ihm ja auch nur durch einen Zufall auf die Schliche, wenn ich auch schon etwas geahnt habe. Ich habe ihn dann zur Rede gestellt und er bestritt nichts. Und auch bei mir wurde ständig nach einer Hochzeit gefragt. Zwar bin ich nicht schwul, aber ich wollte mir meinen Ehemann lieber selbst aussuchen. Glaub mir, es ist für Joseph und mich sehr schwer gewesen, in Ghana. Ich wollte eigentlich Krankenschwester lernen, aber das hat mein Vater nicht erlaubt. Ich sollte heiraten und Kinder bekommen.

      Schön und gut, aber ich wollte nicht den Mann, den mein Vater für mich im Auge hatte, heiraten. Wir flüchteten, ich glaube die Geschichte der Flucht habe ich Dir schon einmal erzählt.“

      Erneut nickte Sabine, unterbrach ihre Freundin nicht.

      „Wie ich schon sagte, nun bin ich in Deutschland und möchte auch weiterhin hier leben. Nach Großbritannien möchte ich nicht mehr, wer weiß wie das wird nach dem Brexit. Und mal ehrlich, merkt man mir die Muslima noch an?“

      „Nö“, erwiderte Sabine, „okay, du isst kein Schweinefleisch und trinkst keinen Alkohol, aber sonst?“

      „Am Anfang habe ich noch das traditionelle islamische Kopftuch getragen, wie man es hier in Deutschland auch oft sieht. Du weißt schon den Hidschab. Aber selbst diese Verhüllung habe ich abgelegt. Schließlich ist nicht klar geregelt, wann und wo ich sie tragen muss. Die Vorschriften dazu sind nicht ganz klar. Mein großer Bruder ist schwul, der wird mir wohl kaum Vorschriften machen und meine Eltern und Geschwister sind weit weg. Ich bin nicht streng religiös, aber ich glaube an Schicksal, ich weiß auch nicht warum. Aber jetzt bin ich ein wenig ab vom Thema.

      Du weißt, ich habe in der Flüchtlingsunterkunft hier in der Nähe gelebt. Erst der Asylantrag, dann kam die Gestattung. Und Gott sei Dank habe ich mich sehr schnell mit der deutschen Sprache angefreundet, der Olsenbande sei Dank. Das war eine gute Idee von Dir mit mir ab und zu mal so einen Film zu schauen.“

      „Das war nur ein Teil meines Planes, um Dir die deutsche Sprache zu vermitteln. Aber im Gegensatz zur Olsenbande hat mein Plan funktioniert, wie Du mir gerade bewiesen hast“, lachte Sabine.

      „Mit der Gestattung bekam ich dann auch die Möglichkeit mir eine Arbeit zu suchen“, fuhr Zayba fort, „daher arbeite ich nun in der Osteria hier in der Nähe, ist alles legal. Meinem Arbeitgeber hast Du auch das leckere Essen zu verdanken. Ja und mittlerweile habe ich meinen Aufenthaltstitel, daher hat es auch mit der Wohnung geklappt, die ich mir mit zwei Freundinnen teile. Jede von uns hat ein Zimmer, das bekommen wir gestemmt. Und mir war wirklich der Führerschein erst einmal wichtiger. Und irgendwie träume ich ja immer noch davon Krankenschwester zu werden.“ „Warum hast Du Dich nicht um ein Praktikum bemüht?“, fragte Sabine nach.

      „Habe ich gemacht, bei einem Pflegedienst, aber die alten Leutchen wollten sich nicht von einer Afrikanerin anfassen lassen. Daher habe ich diesen Traum auf Eis gelegt, das hat mich entmutigt. Dabei trug ich damals schon den Hidschab nicht mehr, weil ich den alten Leuten keine Angst machen wollte. Ich versuche, mich Eurer Kultur anzupassen, aber meine Hautfarbe wechseln kann ich leider nicht. Dabei hätte mich der Pflegedienst gerne angestellt und sich auch um eine Ausbildung für mich bemüht.“

      „Und wenn Du es hier im örtlichen Krankenhaus versuchst?“, warf Sabine ein.

      „Wenn ich in den nächsten Tagen frei habe, möchte ich mich mal im Krankenhaus vorstellen. Du hast vielleicht recht, ich sollte nicht so schnell aufgeben. Und vielleicht ist es auf Station auch noch anders, als bei einem Pflegedienst.“

      „Mach das mal“, ermutigte Sabine


Скачать книгу