Die Schiffe der Waidami. Klara Chilla

Die Schiffe der Waidami - Klara Chilla


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ist nicht möglich“, flüsterte sein Gegenüber und stand wie gelähmt.

      „Jess?“ Die Frau war auf ihn zugetreten und blickte ihm forschend in die Augen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie auf das Schwert schaute. Sie presste ihre Fäuste an die Wangen und ein schrilles Schluchzen entwich ihrem Mund.

      Wie aus dem Nichts erschien Cale Stewart an der Seite von Jess und wollte sich auf den Mann stürzen. Jess hob mit letzter Kraft seinen Arm, der schwer und fremd an seiner Seite herunterhing. Schwarze Blitze zuckten vor seinen Augen. Er musste seine ganze Anstrengung darauf richten, dass seine Worte vernehmlich über seine Lippen flossen:

      “Halt, nein. ... Bring mich ... fort von hier, der ... Über - fall wird ab - gebrochen.“ Schwerfällig, aber entschlossen legte er beide Hände um den Knauf und zerrte das Schwert mit einem verzweifelten Ruck aus seinem Körper heraus. Ein unmenschlicher Schrei prallte gegen die Felswände, die hinter der Hütte wie ein Schutzwall aufragten, und wurde von dort fortgeschleudert, zurück auf das Meer, von wo die Piraten gekommen waren.

      Blitze zuckten stärker vor Jess‘ Augen, und für einen Moment verschwamm alles um ihn herum. Blut lief in einem feinen Rinnsal aus seinem Mundwinkel und tropfte von dort auf sein Hemd. Ein Hustenanfall erschütterte seinen Körper, als ein Schwall hellroten Blutes sich in den feinen, weißen Sand ergoss und ihn durchtränkte.

      Cale ergriff seinen Captain unter den Armen und richtete ihn auf. Fassungslos sprang sein Blick zwischen dem Fischer, Jess und der Frau hin und her. Fragen stürzten auf ihn ein, doch es war nicht der rechte Augenblick dafür.

      Die Frau, die trotz ihres Alters immer noch ein schönes und warmherziges Gesicht hatte, war zu ihrem Mann geeilt und hatte ihren Arm um ihn gelegt. Beide standen sprachlos Seite an Seite, während der Frau die Tränen in Strömen über das Gesicht liefen. Nicht der Angriff der Piraten machte diese beiden Menschen sprachlos, sondern die gleiche Fassungslosigkeit, die auch von Cale Stewart Besitz ergriffen hatte.

      Jess lachte verzweifelt auf, als er schwer auf seinen Ersten Maat gestützt, dem Paar den Rücken zukehrte.

      „Das ... nennt man ... dann wohl ... I - ronie des Schick - sals.“ Seine Beine gaben plötzlich vollends unter ihm nach und er stürzte haltlos in den aufstiebenden Sand. Cale beugte sich über ihn und zog sein Hemd über den Kopf. Er knüllte es zusammen und presste es, ohne große Hoffnung, auf die stark blutende Wunde.

      Von der Monsoon Treasure erklang plötzlich die Schiffsglocke, deren Schlagen schrill wie ein panischer Vogel über das Wasser zu ihnen flog.

      *

      Jintel, der mit drei Männern an Bord der Monsoon Treasure zurückgeblieben war, verfolgte besorgt das Geschehen an Land. Er konnte es nicht fassen, dass der Captain gerade von einem einfachen Fischer mit seinem Schwert niedergestreckt worden war.

      Wie hatte ein gewöhnlicher Mann, ohne große Kampferfahrung, ausgerechnet Jess Morgan so überraschen können?

      Im gleichen Augenblick vernahm er auch schon das sprudelnde Geräusch, das aus dem Schiffsinnern zu ihm heraufdrang. Eine dunkle Vorahnung bemächtigte sich seiner. Laut fluchte er: “Raul! Komm, wir sehen unter Deck nach dem Rechten. Ich fürchte, wir haben ein Leck.“ Beide Männer rannten mit Riesensätzen den Niedergang hinunter und rissen die Hauptluke auf. Sie sprangen in das untere Deck. Dort wurde das Sprudeln immer lauter und durchdringender. Sie hatten jetzt keine Zeit zu verlieren.

      „Läute die Schiffsglocke, und dann mach mit Sam und Kadmi die Lenzpumpen klar.“

      Raul nickte und beeilte sich, wieder auf das Hauptdeck zu gelangen. Jintel lief weiter in die Bilge, getrieben von der unheilvollen Befürchtung, die sich sofort seiner bemächtigt hatte und zur Eile anspornte. Als er den stickigen Raum wenige Augenblicke später betrat, fand er dort ein großes Leck, durch das das klare Wasser der Bucht in gurgelnden Sturzbächen unaufhaltsam in das Schiff drang!

      *

      Der Kopf von Cale Stewart flog zwischen der Monsoon Treasure und der zusammengesunkenen Gestalt seines Captains hin und her. Jess hatte inzwischen das Bewusstsein verloren und lag erschreckend leblos auf dem blutdurchtränkten Sand. Seine Gedanken jagten in fieberhafter Eile hinter seiner Stirn, bevor er entschlossen seine Stimme hob:

      „Rückzug! – Sofort zurück zur Treasure.“

      Der Befehl schallte unmissverständlich über den Strand. Die Piraten ließen überrascht, aber ohne zu zögern ihre Waffen sinken und zogen sich langsam zum Wasser zurück.

      Dan und Rachid stürzten atemlos an Cales Seite und hoben voller Betroffenheit die schlaffe Gestalt ihres Captains auf.

      “Das sieht böse aus, Cale!“ Rachid pfiff leise durch die Zähne.

      Die unausgesprochene Frage hing zwischen ihnen. Die Antwort darauf schob sich wie eine dunkle Sturmwolke davor.

      „Wir müssen ihn schnell aufs Schiff bringen.“

      Die drei Männer rannten, soweit es ihnen unter diesen Umständen möglich war, mit ihrer Last auf die Boote zu. Die ersten Crew-Mitglieder zogen diese bereits in tieferes Wasser.

      Behutsam wurde Jess zwischen die Ruderduchten gebettet, bevor Cale, Dan und Rachid in das Boot stiegen. Ohne Zeit zu verlieren, ruderten sie so schnell sie konnten auf den Dreimaster zu. Bildete Cale sich das nur ein oder hatte die Monsoon Treasure eine gefährliche Schieflage? Er runzelte argwöhnisch die Stirn und schaute dann auf Jess, der inzwischen eine ungesunde graue Gesichtsfarbe angenommen hatte. Seine Augen waren fest geschlossen und kleine Schweißperlen bedeckten seine Stirn, die Cale besorgt mit seiner flachen Hand fortwischte.

      Die Überfahrt dauerte viel länger, als er erdulden konnte, und er war erleichtert als die Bordwand endlich beruhigend und greifbar vor ihnen aufragte. Die Männer drängten auf das Schiff und brachten Jess in seine Kajüte. Diffuses Licht kroch durch die Fenster des Heckkastells in das Innere. Staubteilchen badeten sich in den Lichtstrahlen, bevor sie zu Boden sanken.

      Noch bevor sie den Captain in seine Koje legen konnten, drängte sich Hong mit all seiner Autorität, die er als Feldscher ausstrahlte, dazwischen. Mit knappen Befehlen wies er die Männer an, Jess in die Koje zu betten.

      „So, und jetzt macht, dass ihr hier verschwindet. Ich brauche Ruhe!“, scheuchte er sie ohne weiteres Federlesens aus der Kajüte.

      Behutsam entfernte der Chinese das blutdurchtränkte Hemd, das Cale auf die Wunde gepresst hatte, und inspizierte diese mit ruhigem Blick. Der Blutstrom ließ kaum eine genauere Betrachtung zu, und Hong und Cale Stewart konnten sehen, wie das Leben, Tropfen für Tropfen, mit grausamer Beständigkeit aus ihrem Captain herausrann.

      *

      „Wir müssen uns sofort um die Treasure kümmern. Wenn sie sinkt, ist er nicht mehr zu retten“, stellte Cale besorgt fest.

      Er drehte sich auf dem Absatz herum und rannte in die Bilge, um das Leck persönlich zu prüfen. Der Anblick traf ihn wie ein Schlag. Wenn sie nicht sofort das Schiff an Land brachten, um dort das Leck auszubessern, war es nur eine Frage der Zeit, wann sie auf dem Meeresgrund landen würden. Die Männer an den Lenzpumpen arbeiteten mit übermenschlicher Anstrengung und würden dies auf die Dauer nicht lange durchhalten. Der Erste Maat sprang die Stufen hoch, um wieder auf das Hauptdeck zu gelangen.

      „Jintel, wir nehmen die Treasure in Schlepp und müssen sie sofort am Strand kielholen. Beeil dich, die Zeit läuft uns davon!“ Cale sah den Zweifel in den Augen des Profos schimmern. Das Leben von Jess Morgan stand auf Messers Schneide, ihm war auf natürliche Art nicht mehr zu helfen. Hong war ein Künstler, wenn es darum ging, Wunden wieder zusammenzuflicken, aber er war kein Zauberer. Er konnte nur das Unabwendbare hinauszögern, dem Tod ein paar Atemzüge mehr abringen, mehr nicht. Jetzt lag alles in ihren Händen und hing von der unglückseligen Verbindung zwischen dem Captain und der Monsoon Treasure ab. Wenn sie die Treasure an Land schafften, wenn sie es möglich machten, sie rechtzeitig zu reparieren, konnten sie auch Jess retten, der mit einer Verwundung kämpfte, die jeden normalen Mann bereits in das Reich der Toten geschickt hätte.

      „Dann werden sich die faulen Kerle hier mächtig ins Zeug legen müssen!“

      Die


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