Sternenfrau Eve. Edda-Virginia Hiecke
ja kein Detail aus!“ bestürmte Margaret sie.
„Ich weiß nicht. Vorm Bäcker. Ich habe ihn da über den Haufen gerannt. Keine Ahnung. Ich lasse mich überraschen“, versuchte Annie die Fragen ihrer Kollegin einzudämmen. Dann ließ sie die erstaunte Margaret einfach stehen und ging die Treppen zum Schulgebäude hinauf.
Den ganzen Tag ging ihr diese seltsame Begegnung nicht aus dem Kopf. Sie ging Margaret und ihren Fragen aus dem Weg. Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren und sie war froh, als endlich Schulschluss war. Sie konnte es nicht erwarten, zu sehen, ob der Mann tatsächlich vor der Schule stand oder nicht. Nicht, dass sie daran glaubte, aber schön wäre es schon gewesen. Nun stand sie vor dem Schultor und niemand war zu sehen. War ja klar. Als ob sich für sie noch irgend jemand interessieren könnte. Enttäuscht machte sie sich auf den Weg nach Hause. Dann fing es zu allem Überfluss an zu regnen, als ob nicht schon genug Grund zum Trübsal blasen gewesen wäre. Natürlich hatte sie keinen Regenschirm dabei. Schon nach wenigen Schritten war sie bis auf die Haut durchnässt. Die Kleidung klebte auf der Haut und immer wieder musste sie Autos ausweichen, die durch Pfützen am Straßenrand rauschten. An der Ampel bei der Bäckerei erwischte eines sie dann prompt mit einem großen Schwall Wasser. Eigentlich konnte es jetzt nicht mehr schlimmer werden. Zu Hause angekommen bemerkte sie, dass der Kühlschrank leider mal wieder recht leer war. So musste sie noch einmal aus dem Haus, um einzukaufen. Was für ein Tag. Trübselig kochte sie sich eine kleine Mahlzeit und bereitete den Test vor, den sie am nächsten Tag ihren Schülern vorlegen wollte.
New York Hot Dogs
New York Hot Dogs
Um acht Uhr abends herum klingelte es plötzlich an ihrer Tür. So spät hatte sie eigentlich nie Besuch und sie erwartete auch niemanden. Vorsichtig schaute sie durch den Türspion. Da stand er mit einem großen Blumenstrauß in der Hand. Genau vor ihrer Tür. Jetzt!
„Bitte schicken Sie mich nicht wieder fort!“, hörte sie ihn durch die Tür.
„Sie sind spät!“, entgegnete sie wütend.
„Ich weiß und es tut mir auch furchtbar leid.“
„Woher wissen Sie, wo ich wohne?“, fragte sie argwöhnisch, „ich kenne sie ja noch nicht einmal!“, blaffte sie hinterher.
„Ich habe den Bäcker gefragt“, antwortete er fröhlich, „Sie sind hier aber wirklich gut bekannt!“
Also echt mal, woher weiß denn dieser Bäcker, wo ich wohne? Warum gibt der einfach so meine Adresse heraus? Mit dem werde ich mal ein Wörtchen reden!
„Seien Sie dem Bäcker bitte nicht böse. Ich habe ihn förmlich angefleht, weil ich Sie unbedingt wiedersehen musste!"
Ach du Schreck, sehe ich für den Bäcker aus, als würde ich jeden flehentlich dreinblickenden Mann in meine Wohnung lassen? Kann der Kerl etwa meine Gedanken lesen? Es machte keinen Sinn, weiter darüber nachzudenken, Annie musste sich nun entscheiden, ob sie dem Mann die Tür öffnen oder ihn lieber wegschicken sollte.
„Bitte nicht wegschicken. Geben sie mir die Chance, zu erklären, warum ich am Nachmittag nicht kommen konnte!“, war nun flehentlich bittend durch die Tür zu hören.
„Ja, lass den Kerl endlich rein, wir wollen unsere Ruhe haben!“, klang es nun aus der Nachbarwohnung.
Annie öffnete noch etwas widerwillig die Tür und bat den Fremden herein. In diesem Moment schoss es ihr durch den Kopf, dass es überhaupt nicht richtig war, einen völlig fremden Mann in ihre Wohnung zu lassen. Zu spät, er war drinnen und sah sie mit einem um Entschuldigung bittenden Blick an. Sie bemerkte, dass seine Lippen leicht zuckten. Ehe Annie sich versah, musste sie lächeln und sah, wie das Gesicht ihres Gegenübers ihr Lächeln spiegelte.
„Ich finde schon“, meinte sie völlig entwaffnet von diesem Lächeln, „dass es an der Zeit wäre, mir Ihren Namen zu nennen!“
Er hielt ihr die Blumen hin. „Ja Sie haben Recht, verzeihen Sie. Mein Name ist David Bentin und ich bitte Sie um Entschuldigung für die nicht eingehaltene Verabredung. Als ich Sie heute morgen sah, hatte ich einen wichtigen Termin am Nachmittag völlig vergessen. Es tut mir leid!“
Dabei machte er ein so zerknirschtes Gesicht, dass es Annie schwerfiel, ihm noch weiter böse zu sein. Immerhin hatte er sich viel Mühe gegeben, sie ausfindig zu machen und wenn er kein Wüstling war, der gleich über sie herfiel, musste sie ihm das hoch anrechnen. So bat sie ihn in ihr kleines Reich und entschuldigte sich für die Unordnung.
„Nein,“ sagte er und schaute sich gründlich um, „keine Unordnung, gemütlich ist es hier.“
Er betrachtete aufmerksam ihre Büchersammlung. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Sie in ihrem Beruf genug Zeit haben, so viel zu lesen. Sie haben ja eine riesige Sammlung, schön!“
„Viel Zeit habe ich tatsächlich nicht, ich versuche aber immer wieder, mir Zeit zu nehmen, um meinen Lesehunger zu stillen.“
„Ja, das ist wichtig, in dieser schnelllebigen Zeit ist jede Sekunde, die man für sich hat, ein Geschenk.“
Sie hatte nun, während er sich weiter umschaute und sie seine gelegentlichen Fragen nach der einen oder anderen Sache beantwortete, genug Zeit, sich diesen Mann genauer anzuschauen. Er musste wohl so Anfang vierzig sein, wie sie. Er war ein klein wenig größer als sie selbst und hatte eine gute Figur. Sie bemerkte, dass seine Schlaksigkeit eher eine lockere Haltung war, die ihr sehr gut gefiel. Das rotblonde, leicht gelockte Haar fiel ihm in die hohe Stirn. Die Nase hatte diese Krümmung, als sei sie schon einmal gebrochen gewesen und sein Mund passte wohlgeformt zu einem energischen Kinn. Er war ein Mann, der wusste, was er wollte. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass er hier bei ihr war und hatte doch schon das Gefühl, dass er genau der richtige war. So schnell? Wunschdenken?
„Ich habe noch eine Flasche Rotwein, möchten Sie etwas trinken?“ fragte sie, als sie in der Küche angekommen waren.
„Ja, sehr gerne!“, antwortete er und schaute ihr dabei tief in die Augen. Nun umspielte ein sanftes Lächeln seine Lippen und Annie fragte sich plötzlich, wie es wäre, diese zu küssen. Verlegen drehte sie sich zum Küchenschrank um und holte die angesagte Flasche Wein heraus.
„Darf ich sie öffnen?“
Sie reichte ihm einen Korkenzieher und stellte gewandt zwei Gläser auf den Tisch, versorgte die Blumen in der hübschen Vase mit frischem Wasser und setzte sich. Als wäre es das normalste der Welt, nahm er Platz und schenkte ein. Nach ihrem ersten gemeinsamen Schluck Wein erkundigte Annie sich neugierig nach seiner beruflichen Tätigkeit.
„Ich habe einen Cateringservice und versorge hauptsächlich im Showgeschäft Menschen bei Filmsets und im Theater. Das war auch der Grund für mein Nichterscheinen. Ich hatte einen Termin mit einem Regisseur und seinem Stab, der hier in NYC einen Film dreht, einen wichtigen sogar. Es geht um einen umfangreichen Auftrag.“
„Oh, das hört sich nach Stress pur an!“
„Ja, das ist es. Aber es macht auch viel Spaß und ich komme viel herum. Da viele Filme auch im Ausland gedreht werden, kann ich viel reisen und sehe etwas von der Welt.“
Annie stellte sich David gerade in einer Kochschürze vor und musste schmunzeln.
„Was finden Sie denn daran so lustig?“, fragte er prompt.
„Ach, nichts.“, gab sie unschuldig blickend zurück.
„Doch doch, ich habs genau gesehen, da unten rechts hat es eindeutig in ihrem Mundwinkel gezuckt!“
Oh nein, ich merke es ganz genau, dachte Annie, jetzt erröte ich doch tatsächlich wieder, wie peinlich.
„Ja, ich bin definitiv der Meinung, dass Ihnen diese Farbe besonders gut steht. Dieses leichte Rot sollten Sie öfters haben!“ grinste er sie frech an.
Mit einem brennenden Gefühl auf den Wangen funkelte sie ihn wütend an.
„Wissen Sie, dass Ihre Augen jetzt aussehen wie das tiefblaue Meer? Das ist mir heute morgen schon aufgefallen. Wenn Sie lachen, strahlen sie in alle Richtungen!“