Schmunzelmord. Rudolf Widmann Georg
der wisse, was er wolle. Und er wollte diesen Wagen.
Die Probefahrt verlief problemlos, Schorsch und Bastian tauschten immer wieder verstohlen vielseitige Blicke, ihre Augen strahlten. Döbler fuhr, Bastian hatte auf dem linken Rücksitz Platz genommen, Schorsch saß auf dem Beifahrersitz. Das stand ihm zu, er war der Aktivere bei dem Geschäft. Und bei der Brünetten wollte keiner der beiden zurückbleiben, hauptsächlich des Stiernackens im Tanktop wegen.
Für 24.000 Euro wurden sie den Audi dann doch nicht los. Zwar hatte Döbler nicht herumgemeckert, aber er baute einen Tablet-PC auf der Motorhaube seines Mercedes auf und zeigte den beiden einige Vergleichsangebote aus den einschlägigen Verkaufsportalen. Außerdem hätte sein Auftraggeber ihm eine finanzielle Obergrenze gesetzt. Schluckend schlug Schorsch bei 21.000 Euro ein. Das Unterschreiben des vorgefertigten Kaufvertrags war nach dem Handschlag kein Thema mehr.
Die Übergabe Zug um Zug gestaltete sich für Schorsch und seinen Kumpel spannend. Der Stiernacken öffnete die Heckklappe des Daimlers, zog einen an der Rückenlehne angegurteten Alukoffer an die Ladekante, nachdem er den Gummiriemen gelöst hatte.
Schorsch hielt den Atem an. »Wie im Krimi, jetzt dürfen wir kurz in den Koffer schauen, die Scheine zählen, und dann bekommen wir den Koffer im Austausch für Wagenschlüssel und KFZ-Brief, ach nein, Zulassungsbescheinigung heißt der Lappen ja seit Ende 2005.«
Er sollte beinahe recht behalten, nur rückte der Stiernacken nicht den ganzen Koffer zu Schorsch herüber, sondern entnahm ihm eine Kunststofftasche, die sehr an einen einfachen Kulturbeutel erinnerte. Schorsch griff hinein, ließ die eng gestopften Fünfziger durch seine Finger gleiten, fuhr mit dem Daumen über den freien Rand der Geldbündel, zählte die Banderolen. Überschlagsweise stimmte der Betrag von 20.000 Euro. Zwanzig 50-Euro-Scheine zog der Bodybuilder aus einem kleinen Abteil im Innern des Kofferdeckels und drückte sie Schorsch lose in die Hand.
Ein paar freundliche Floskeln zum Abschied, dann stieg der Stiernacken hinters Steuer des Kombis, Döbler führte seine Begleitung zum Audi und hielt ihr die Beifahrertüre auf. Ganz Kavalier der alten Schule. Nachdem sie sich in den Ledersitz fallengelassen und die sittsam aneinandergepressten Beine im Fußraum verstaut hatte, lief er hinten um den Wagen herum, stieg hinters Lenkrad. Nach einer halben Minute befanden sich beide Fahrzeuge in der Ausfahrt.
Schorsch und Bastian grinsten sich an. So einfach hatten sie sich das Geschäft doch nicht vorgestellt. Nun war der Wagen weg. Dass er gestohlen war, würde Döbler erst merken, wenn er irgendwann eine Grenze überquerte oder in eine Verkehrskontrolle geriet. Der Kaufvertrag mit den Namen aus den gefälschten Ausweisen würde auch nicht auf ihre Spur führen. Oder könnte Döbler von sich aus gleich zurückkehren, um den Vertrag aus seiner Sicht nachzubessern? Seinem schlagenden Argument im Muscleshirt wären sie nicht gewachsen. Aber das würde wohl nicht passieren.
Euphorisch schritten die beiden auf den Imbisswagen neben dem Eingang zum Möbeldiscounter zu. Sie hatten den Erfolg ihres Geschäfts in einem gehobenen Ambiente feiern wollen, aber das konnten sie jederzeit nachholen. Momentan hatten sie einfach Hunger.
»Zweimal das Nackensteak in der Semmel«, bestellte Schorsch bei dem Mann mit der senfbekleckerten Schürze, »und haben Sie Pikkolos?« Obwohl dessen Gehilfe sie bediente, ignorierten sie den und betrieben Smalltalk mit dem Budeninhaber, bis sie das Bestellte in Händen hielten.
Minuten später lehnten Schorsch und Bastian mit vollem Mund an einem der drei Stehtische. Den Imbisswirt hatte Schorsch mit einem der Scheine aus dem Täschchen bezahlt.
Sie standen mit dem Rücken zum Parkplatz. Sie hatten sich nicht mehr umgedreht, seit sie Döbler bei seiner Abfahrt zum Gruß kurz zugewinkt hatten. So entging ihnen, dass der Audi und der Benz undmittelbar nach dem Verlassen des Parkplatzes von zwei Streifenwagen gestoppt wurden. Sie kamen aus einem Firmengelände auf die Straße geschnellt, die die einzige Ausfahrt von diesem Teil des Industriegebiets darstellte. Den Rückweg schnitt Döbler & Co gerade ein drittes Polizeifahrzeug ab.
»Prost!« meinte Bastian.
Sie stießen mit den kleinen Sektflaschen an. Richtig kalt war der Sekt nicht, aber für den Abend war der Besuch einer Party angesagt. Dort konnte man den Handel angemessen begießen, und das auf Kosten anderer.
Noch auf dem letzten Bissen kauend – Bastian stocherte mit einem Zahnstocher zwischen Zähnen und Fleischstückchen herum - strebten die beiden gut gelaunt dem schmalen Durchgang im Zaun zwischen den zwei Parkplätzen entgegen. Mit Absicht hatten sie Schorschs alten Honda vor dem Baumarkt geparkt, dessen Vorgänger bis vor einigen Jahren mit dem Biber seine Werbung betrieben hatte.
»Würden Sie bitte stehenbleiben. Polizei.«
Zu dem Gehilfen der Imbissbude, der ihnen nachgegangen war, hatten sich zwei Arbeiter gesellt, die vorher neben einem unauffälligen Lieferwagen gestanden hatten. Sie versperrten ihnen den Rückweg, nickten den drei Zivilbeamten zu, die vor Schorsch und Bastian aufgetaucht waren und deren Sprecher denen gerade seinen Dienstausweis vorhielt. Die drei hatten neben dem Durchgang an einem Blumenkübel gestanden und sich unterhalten.
»Bitte, was haben wir getan?«
»Sie wissen doch, wer Banknoten fälscht oder nachmacht oder gefälschte oder nachgemachte Banknoten in Umlauf bringt …« Der Gehilfe von der Imbissbude wedelte lachend mit dem 50-Euro-Schein, mit dem Schorsch bezahlt hatte. »Und Sie haben eine ganze Tasche davon.«
Fahrzeugpanne
»Andreas, bist du´s wirklich? Ich hab´ ja Ewigkeiten nichts mehr von dir gehört. Wo steckst du gerade?« Wilhelmine Bertram presste sich das Mobilteil ihres Telefons fester ans Ohr. An seinen Namen erinnerte sie sich, sich jedoch sein Gesicht vorzustellen, wollte ihr nicht gelingen.
»Ich komme von Koblenz, bin auf dem Weg nach Rosenheim zu einer Weiterbildung. Die ganze Woche lang …«
Frau Bertram überlegte. Es war früher Nachmittag am … am Montag, fiel es ihr wieder ein.
»… und ich hatte gedacht, du freust dich, wenn ich am Wochenende bei dir ´reinschaue. Wir können ´was unternehmen, und ich lad´ dich zum Essen ein.«
»Kind, warum hast du nicht früher angerufen? Das kommt mir alles so plötzlich.«
»Ich wollte ja früher anrufen, aber deine Telefonnummer habe ich erst heute Morgen wiedergefunden. Außerdem habe ich gerade ein Problem, ich, äh, …« Andreas druckste herum. »Also, ich bin mit dem Auto bei Freising liegengeblieben. 20 Kilometer von dir weg. Ein elektronisches Steuergerät ist kaputt. Die Werkstatt sagt, das kostet wohl um die 2.000 Euro.«
»Und so viel Geld hast du natürlich nicht dabei?« Die alte Dame hatte Recht, wer trug schon so viel Bargeld mit sich herum, wenn er gerade einmal eine Woche von zu Hause weg war? An den Gebrauch von Kreditkarten, ec-Karten und Geldautomaten dachte sie gar nicht, die zu benutzen, war sie auch nicht gewohnt.
»Stimmt«, kam es aus dem Hörer, »und mein Konto ist so gut wie blank, deshalb will ich meine Karte nicht einsetzen.«
Die Oma kam wie gewünscht von alleine auf den Gedanken. »Kind, wie kann ich dir helfen? Wieviel, hast du gesagt, brauchst du?«
»2.000, aber zweieinhalb wären mir lieber, da fühlte ich mich sicherer. Kannst du mir so viel leihen? Bis nächsten Monat.«
„Ich hab´ ungern Bargeld im Haus, nur so 100 Euro.“
»Dann warte mal bitte.«
Das Telefon blieb eine Weile stumm, Frau Bertram befürchtete schon, dass das Gespräch abgebrochen worden sei. Nach einer Weile hörte sie wieder Andreas´ Stimme.
»Du, es ist geklärt. Ich schicke dir meine Freundin vorbei, sie kann mit dir zur Bank. Stefanie heißt sie. Ich will beim Auto bleiben, weil ich Firmenunterlagen und meinen Laptop dabei habe, und der Pilotenkoffer ist etwas schwer und sperrig.«
»Ach, du hast einer Freundin? Wie schön! Wie heißt sie?«
Ȁh, ja, habe ich. Stefanie.