Die Hungrige Hexe. Cecille Ravencraft

Die Hungrige Hexe - Cecille Ravencraft


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einem nichts auf der Welt ein größeres Gefühl von Macht. Die Erhabenen setzten auf Folter, aber für Samira gab es nichts Machtvolleres, als jemanden zu verraten, der einem vertraute. Oder zumindest jemanden, den man vorher im Bett hatte, zu töten. Es machte den Sex berauschend zu wissen, dass der Bursche bald sterben würde.

       5

      Luke blinzelte träge zur Sonne herauf. Er lag in eine Decke gewickelt auf der Veranda in einem der Liegestühle. Auf dem Tischchen neben ihm standen eine Schale mit Schokoladenkeksen und mehrere Flaschen Bier.

      Er knabberte kraftlos an einem Keks und trank etwas Bier. Zwar war ihm nicht danach, aber Samira runzelte immer so empört die Stirn, wenn er nichts aß. „Ich verwöhne dich so gern, Luke“, pflegte sie zu sagen, „ich weiß doch, was für einen fürchterlichen Schweinefraß ihr im Gefängnis immer bekommt.“ Und da hatte sie verdammt recht. Er genoss das Essen, den Sex, aber auch die Umgebung. Platz. Endlich einmal genug Platz haben, denn im Gefängnis hatte man die Gefangenen schon beinahe stapeln müssen, da es doppelt so stark belegt war wie ursprünglich vorgesehen. Hier konnte er durch den großen Garten wandern oder auf der Veranda sitzen. Ab und zu bat ihn Samira um Hilfe bei kleineren Aufgaben, aber nicht oft. Leider bat sie ihn auch nicht mehr so oft um Sex wie am Anfang. Die ersten beiden Wochen waren der reinste Pornomarathon gewesen, aber jetzt kam er sich eher vor wie ein verhätschelter Schoßhund. Vielleicht lag es an den sieben Kilo, die er schon zugenommen hatte. Und das in kaum drei Monaten. Es war eine Schande. Einen richtigen Bierbauch hatte er, der Rest wurde durch die mangelnde Bewegung auch schon langsam schlaff. Und er war immer so verdammt müde und hatte grausames Kopfweh. Der Sex hatte ihn mehr und mehr angestrengt, und immer öfter hatte sie oben liegen wollen, wohl, weil er zu schwer wurde. Oder, weil der Anblick seiner schaukelnden Speckwülste ihr zu viel war.

      Auch jetzt wünschte er sich nur noch, zu schlafen. Danach war schon wieder Zeit fürs Abendessen. Er machte die Augen zu und war auch schon weggetreten. Aber er döste nur und kämpfte noch gegen den Tiefschlaf.

      Da nahm er hinter seinen gesenkten Augenlidern Bewegung wahr. Samira betrat die Veranda. Ihr silbernes Armband klirrte leise, als sie sich näher schlich und eine Tablette in sein offenes Bier fallen ließ.

      Luke war beinahe wieder hellwach. Er sah, wie sie ihm einen prüfenden Blick zuwarf, sich einen Stuhl heranzog und sich neben ihn setzte. Sie nahm sich ein Bier, aber die noch verschlossene Flasche, öffnete sie und trank.

      So war das also, sie tat ihm Drogen in sein Bier! Deswegen war er immer so müde und schlief so viel! Er hatte schon befürchtet, er sei krank. Aber wieso tat sie das?

      Vielleicht will sie nicht alleine sein und mich auf diese Weise hier halten, dachte er, aber Samira wirkte nicht einsam und verzweifelt auf ihn. Wenn er im Knast eins gelernt hatte, war es, niemandem zu trauen. Menschen waren Bestien. Und das hier war bestimmt auch eine, nur sehr viel raffinierter und attraktiver als der Abschaum, mit dem er die letzten Jahre hatte verbringen müssen.

      Das hier, überlegte er, musste wohl seine Abend- und Nachtration sein, die sich sprudelnd in seiner Bierflasche auflöste. Wenn er sie ausließ, war er morgen früh schon wieder putzmunter. Und dann würde er der Dame mal auf den Zahn fühlen.

      „Luke! Wach auf, Schatz, es gibt Essen!“ Verdammt, er war doch wieder eingeschlafen.

      „Schon gut.“ Er erhob sich ächzend und wankte zu ihr in die Küche. Es gab Hamburger, und sie hatte nicht an Mayonnaise gespart. Er aß vier Stück. Sie drängte ihn anmutig, noch einen zu essen, aber er schüttelte den Kopf. Sie trug die Restlichen murrend weg. Sie selbst aß keinen. Luke hatte sie noch nie essen sehen. Sie wartete wohl, bis er schlief. Na, bei der Figur ernährte sie sich sowieso bloß von zwei Salatblättern pro Tag.

      „Hier, dein Bier, das hast du vorhin auf der Veranda vergessen.“ Ihr Lächeln war falsch und zu süßlich, als sie ihm die Flasche reichte.

      „Danke. Ich nehm’s wieder mit raus. Der Abend ist herrlich heute, nicht wahr?“ Er drehte sich um und ging wieder zurück nach draußen. Im Fenster konnte er ihr Gesicht gespiegelt sehen. Sie sah ihm wütend und misstrauisch hinterher.

      So schnell er konnte, goss Luke sein Bier in das Beet mit den Begonien und legte sich wieder auf den Liegestuhl. Als Samira zehn Minuten später zu ihm kam und sich eine Zigarette anzündete, hatte Luke die glasigen, trüben Augen, den „Bralocolin-Blick“ wie sie ihn nannte, und sie entspannte sich. Bald verriet sein langsamer Atem, dass er wieder schlief.

      Ich muss die Dosis wohl schon wieder erhöhen, dachte sie. Er gewöhnte sich beunruhigend schnell an das Mittel. Die erste Zeit war er noch durch das Bett genug an sie gefesselt gewesen, dass sie ihm nur eine Tablette pro Tag geben musste, und er war ausreichend ausgeknockt, nicht wegzulaufen, wenn sie nach Ryan’s Field oder Meddington fuhr, um einzukaufen. Aber schon nach der ersten Woche war es ihr sicherer erschienen, ihn die meiste Zeit zu betäuben. Denn er stellte unangenehme Fragen.

      „Wo ist denn Dr. Roberts? Wieso hören wir nichts von ihm?“

      „Nur ruhig, Süßer. Gefällt es dir nicht bei mir?“

      „Doch, und wie! Aber ich möchte mit meinem Programm anfangen!“

      „Das hast du doch längst. Ich schicke Dr. Roberts jeden Tag Berichte per E-Mail, wie du dich machst. Er ist sehr angetan und kann es kaum erwarten, dich kennenzulernen.“

      „Und wann wird das sein?“

      „Sobald Carlos mit seinem Programm weiter ist. Der Ärmste hatte einen Rückfall.“

      „So? Davon hast du mir gar nichts erzählt!“ Empört hatte er sich in ihrem Bett aufgesetzt, und sie ließ gereizt von seinem erigierten Organ ab. Die Kleine saugte glatt einen Volleyball durch ein Nadelöhr.

      „Was interessiert dich auch Carlos? Der hat mit dir doch gar nichts zu tun!“

      „Hast du den auch gebumst?“

      „Nein, und selbst wenn ich hätte, was hat das mit irgendetwas zu tun?“

      „Ich glaube langsam, du hältst mich hin!“

      „Ach ja? Ich hatte dir gesagt, dass es dauert, bis Dr. Roberts Zeit hat! Jetzt genieß einfach deinen Urlaub hier, Stress wirst du noch früh genug bekommen.“

      „Gut. Dann hol mir wenigstens ein Bier.“

      Das hatte sie getan, aber vorher ging sie im Bad vorbei und holte noch eine Kapsel aus dem Versteck. Seitdem war er nie mehr so ganz bei vollem Bewusstsein gewesen.

      Aber heute Abend … war er zuerst recht munter, fand sie. Wenigstens hatte er sein Bier ausgetrunken. Sie nahm die leere Flasche an sich und ging zurück ins Haus. Später weckte sie ihn und setzte ihn vor den Fernseher, mit einer Tüte Chips in der einen und einer frischen Flasche Bier in der anderen Hand.

      Luke wartete, bis sie den Raum verließ, dann schüttete er auch dieses Bier über das Geländer der Veranda auf den Rasen und setzte sich schnell wieder hin, die leere Flasche in der Hand. Er keuchte, denn die Anstrengung des kurzen Sprints nach draußen war schon fast zu viel für ihn. Bald darauf kam sie zurück.

      „Bier schon alle?“ Sie setzte sich neben ihn und breitete ihre Fläschchen mit Nagellackentferner, grünem Nagellack und Motivfolien auf dem Tisch aus. Ihre Nägel gestaltete sie sehr kreativ. Jede Woche neue Farben und Muster.

      Er nickte nur.

      „Magst du keine Chips?“

      „Heute nicht“, murmelte er.

      „Möchtest du lieber was anderes? Kekse? Einen Becher Eis? Schokolade?“

      „Nein, danke. Mir ist etwas übel. Ich denke, ich habe zu viel gegessen.“

      Panik wallte in ihr auf. Zuviel Bralocolin konnte tatsächlich Übelkeit hervorrufen, und wem übel war, der aß nichts mehr!

      „Dann leg dich besser hin.“ Er nickte und stieg scheinbar völlig kraftlos die Treppe zum Schlafzimmer hinauf.

      Luke legte sich nicht


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