Die Hungrige Hexe. Cecille Ravencraft

Die Hungrige Hexe - Cecille Ravencraft


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Luke. Samira drehte sich zu ihm um. Der Mann richtete sich auf und schloss die Tür zur Speisekammer, als ob er das schon tausendmal getan hätte. Als würde er hier wohnen.

      „Luke, Schatz, das ist William. Er ist freundlicherweise rübergekommen und hat mir ein paar Einkäufe vorbeigebracht. Du bist ja krank, und ich wollte dich nicht alleine lassen für so lange Zeit.“

      William, der ein graues Jeanshemd und ein weißes T-Shirt darunter trug, nickte Luke ernst zu. Seine Augen jedoch wanderten kritisch an Luke herauf und herunter. Luke fühlte sich unter diesem abschätzenden Blick alles andere als wohl. Er nickte zurück.

      „Gute Arbeit, Samira“, lächelte William und reichte ihr die Kassenbons. Samira kicherte. Dann bemerkte sie Lukes misstrauischen Blick und erklärte: „William ist auch beim VWKG und seit ungefähr drei Jahren rehabilitiert. Da siehst du, wie gut wir arbeiten.“

      „Ach, Sie kennen Doktor Roberts“, sagte Luke und setzte sich an den Küchentisch.

      „Ja, und ob ich ihn kenne. Er hat mein ganzes Leben verändert.“ Luke musterte den jungen Mann, der kaum siebzehn sein konnte. Er wirkte sehr selbstbewusst, war hochgewachsen und schlank. In seinen Augen lag etwas Verschlagenes, das Luke aus dem Gefängnis kannte. Es erinnerte ihn an eine räudige Kanalratte.

      „Wie schön für Sie, William. Leider hatte ich noch nicht das Vergnügen, seine Bekanntschaft zu machen.“

      Samira machte allen einen Kaffee und setzte sich dazu.

      „Das werden Sie schon noch“, meinte William leichthin und nahm einen Schluck, „Doktor Roberts hat extrem viel zu tun. Man muss schon Glück haben, auserwählt zu werden.“ Jetzt grinsten Samira und William. Luke schauderte.

      „Glück? Wer hat mich denn auserwählt?“

      „Das war ich, Luke“, mischte Samira sich ein. „Wir Mitglieder suchen uns die aus, die wir bei uns aufnehmen. Keiner könnte das verlangen, wenn wir uns dabei unwohl fühlen würden, oder? Aber es ist Doktor Roberts, der die endgültige Entscheidung trifft. Da gab’s allerdings noch nie Probleme. Ich habe schon so vielen geholfen, ein ganz neues, nützliches Leben anzufangen … Doktor Roberts wird meine Entscheidung wohl kaum anzweifeln.“

      „Wie schön.“ Luke trank seinen Kaffee. Er war heiß und aromatisch und vertrieb beinahe augenblicklich die Müdigkeit.

      William erhob sich. „Ich muss jetzt los. Samira, könnte ich dich kurz unter vier Augen sprechen?“

      „Natürlich. Leg dich ruhig wieder hin, Luke.“ Sie folgte William zur Haustür. Beide gingen nach draußen.

      Da hatten sie aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht! Luke schlich ins Wohnzimmer und von dort aus in den Garten. Da konnte er alles hören, was von der Vorderseite des Hauses kam. Leider sprachen die beiden etwas leise.

      „Mr. Hart ist sich sicher, dass du weißt, wo er ist“, zischte William.

      „Mr. Hart weiß einen Scheiß. Ich gehöre nicht zu eurer Gemeinde, also soll er mich in Ruhe lassen“, fauchte Samira zurück.

      „Soll ich ihm das so ausrichten?“, fragte William hämisch. Samira schnaubte. „Mein Wort gilt immer noch mehr als das eines Verabscheuten. Erzähl ihm, was du willst, und ich bezichtige dich der Lüge. Und du weißt, was dann mit dir passiert!“ William schwieg kurz.

      „Er ist sich trotzdem sicher, dass du sein Versteck kennst. Und er denkt auch, dass eine der Hexen einen Zauber über ihn, oder eher sein Jahrbuchfoto, geworfen hat. Egal, wem er es vor die Nase hält, alle sehen sofort weg! Das stinkt nach einem sehr mächtigen Zauber, sagt er, nach Hexenmagie. Der Zirkel darf sich nicht in interne Probleme der Erhabenen Kinder der Lilithu einmischen, das war der Deal! Chris gehörte uns, mit Leib und Seele! Und wir wollen ihn zurück!“

      „Brüll nicht so! Der Ochse hört dich noch!“

      „Entschuldige.“

      „Ich werde den Zirkel kontaktieren, aber versprecht euch nichts davon. Wieso glaubt ihr eigentlich, dass Chris bei uns ist?“

      „Samira, hältst du uns für blöd? Meinst du, nur weil wir uns von den Außenseitern fernhalten, sehen wir nicht fern?“

      „Warum schnappt ihr euch ihn dann nicht?“

      „Weil Mr. Hart – noch – keinen Krieg zwischen euch und uns will. Er hofft auf eine friedliche Lösung.“

      „Und was redest du dann von ‚Versteck’? Dann wisst ihr doch auch, wo Chris ist!“

      „In New York, ja das ist uns klar. Aber die Stadt ist groß. Er wird wohl kaum … oder … Samira, er ist doch nicht etwa wirklich im Vehl Building, oder? Oder??“

      „Lass mich gefälligst los!“

      „Er ist tatsächlich dort, oder? Das gibt es nicht!! Soviel Dreistigkeit hätten wir euch nie zugetraut! Ich denke nicht, dass das Mr. Hart gefallen wird!“

      „Es ist mir scheißegal, ob das Mr. Hart gefällt! Ich habe weder zugestimmt noch etwas abgestritten. Ich weiß nicht, wo Chris ist!“

      „Ich glaube, das wird er dir nicht abkaufen. Ich glaube auch, dass du bald nicht mehr in Sharpurbie willkommen sein wirst.“

      “Das … das geht nicht! Ihr könnt mich nicht von euren Zeremonien fernhalten! Ich habe das Recht, daran teilzunehmen!“

      „Dann gib mir wenigstens etwas, das ihn besänftigen wird. Gib uns den Ochsen.“ Luke zuckte zusammen.

      „Nein, den kriegt ihr nicht! Aber ich mache dir einen Vorschlag … ihr, du, Mr. Hart und seine Enkelin, seid zum Barbecue eingeladen. Und der Nächste auf der Liste geht an euch.“

      „Einverstanden.“

      Zutiefst erleichtert trabte Luke ins Wohnzimmer zurück und sank auf die Couch. Was auch immer es bedeuten mochte, den Erhabenen Kinder der Lilithu übergeben zu werden, herausfinden mochte er es nicht. All das klang nicht sehr vertrauenerweckend. Wenigstens hatte Samira sich schützend – und äußerst mutig! – vor ihn geworfen, das hätte er nicht gedacht. Vielleicht bedeutete er ihr ja doch etwas?

      Mit dem Einkaufen hatte sie ihn ja schön verarscht. Wie sollte er sich jetzt nur umsehen? Er legte sich hin und schloss müde die Augen. Sollte er warten, bis sie schlief? Aber wenn sie wach wurde? Bei den vielen Pillen im Medizinschränkchen wusste er nicht, welche wohl die waren, die ihn immer so schläfrig machten, sonst hätte er ihr einfach eine gegeben. Ich Idiot, dachte er plötzlich und wäre beinahe vor Eifer von der Couch gekullert, ich weiß doch, wo regelmäßig das Zeug drin ist!

      Das nächste Getränk, das Samira ihm brachte, war wieder mit der Droge versetzt. Dann musste er nur noch dafür sorgen, dass sie es trank.

      Was trank sie überhaupt? Luke durchforschte sein Gedächtnis. Wasser trank sie, selten mal ein Bier, eine Cola, Tee, Kaffee … Genau! Nachmittags trank sie gerne einen Kaffee Latte. Und er bekam normalen Kaffee mit Milch und Zucker. Aber nicht heute.

      Ein Wagen ratterte davon, und Samira kam wieder zu ihm rein. „Zeit für ein Stück Pflaumenkuchen mit Sahne“, lächelte sie und stellte ihn vor ihm auf den Couchtisch.

      „Äh, Pflaumen- … und mein Magen? Der ist noch lange nicht in Ord-“

      „Dann hättest du vorhin keinen Kaffee getrunken. Wieso verarschst du mich?“ Ihre Augen sanken in seine, und Luke fühlte sich augenblicklich schwach, unbehaglich und hilflos.

      Verdammt. Da hatte er einen Riesenfehler gemacht.

      „Ich habe so zugenommen, da wollte ich noch ein oder zwei Tage Auszeit haben.“

      „Und gestern?“ Ihr Blick bohrte sich unbarmherzig in seine Augen.

      „Da hatte ich wirklich Magenschmerzen.“

      „Na gut. Dann iss jetzt deinen Kuchen.“

      „Ja, okay. Aber könnte ich heute mal einen Latte haben, so wie du ihn immer trinkst?


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