Die Hungrige Hexe. Cecille Ravencraft

Die Hungrige Hexe - Cecille Ravencraft


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Schatz. Kommt sofort. Leg dich wieder hin und ruh dich aus. Und iss den Kuchen!“

      „Na klar“, Luke lümmelte schon wieder auf der Couch herum, „kein Problem. Der sieht lecker aus.“ Ein Stück, locker so groß wie ein halbes Backblech, lag auf einem Teller. Man konnte es jedoch kaum ausmachen unter der Menge Sahne, die Samira darauf gehäuft hatte.

      Luke mampfte den Kuchen und horchte mit einem Ohr in die Küche. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder holte sie die richtige Tablette gleich oben aus dem Bad, aber das hatte sie vorher auch nie gemacht, weil es ja auch auffällig gewesen wäre, oder sie hatte noch irgendwo in der Küche einen Vorrat. Das erschien ihm wahrscheinlicher. Gleich, wenn sie ihm den Becher brachte, musste er die Tassen irgendwie vertauschen. Aber wie?

      Es dauerte auch nicht lange, bis sie wiederkam. Sie brachte ihm eine dampfende Tasse. Der Duft des Milchkaffees war herrlich. Schade, dass er den unmöglich trinken konnte.

      Um ihr weiszumachen, dass er ihn tatsächlich zu trinken beabsichtigte, schlürfte er ein winziges Schlückchen und verzog das Gesicht. „Noch zu heiß.“ Er stellte die Tasse auf den Tisch. Sie nickte und kam wenig später mit ihrer eigenen Tasse zurück und setzte sich neben ihn.

      Luke schluckte. Er hatte eine rote Tasse, sie eine Blaue. Vertauschen unmöglich. Scheiße. Und jetzt?

      „Oh, was ist das?“ Luke starrte an Samira vorbei in den Garten, sie folgte seinem Blick.

      „Was denn?“

      „Ich glaube, da ist vorhin jemand am Zaun gewesen.“

      „Bist du sicher?“

      „Ja, vielleicht ein Spaziergänger.“

      Sie lachte. „Da hinten sind nur noch undurchdringliche Wälder, Luke.“

      „Mag sein. Aber ich habe da ganz sicher jemanden über den Zaun lugen sehen. Dann war er ganz schnell weg. Hat sich vielleicht geduckt.“

      Samira sah ihn prüfend an, aber er spürte auch eine gewisse Unruhe in ihr. Das Gespräch mit diesem William war ja alles andere als gut verlaufen. Sie schien besorgt. Was, wenn sich diese komischen Erhabenen es sich anders überlegt hatten und jetzt doch auf eine gewaltsame Lösung setzten? Die Stimme von diesem William hatte jedenfalls sehr bedrohlich geklungen.

      Sie stand auf. „Ich sehe mal nach. Iss du deinen Kuchen.“

      „Willst du nicht, dass ich mitkomme?“, warf er scheinbar fürsorglich ein. Sie schüttelte den Kopf und ging hastig zur Schiebetür. Bald darauf stapfte sie auf dem gewundenen kleinen Kiespfad in Richtung Zaun.

      Luke hatte keine Zeit zu verlieren. Er schnappte sich Samiras Tasse und trank sie in einem Zug aus. Dann schüttete er seinen eigenen Kaffee in ihren Becher, wischte mit dem Ärmel seines Hemdes das auf, was danebengegangen war und unterdrückte ein Rülpsen. Tränen standen ihm in den Augen. Der Kaffee war verdammt heiß.

      Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis Samira wiederkam. Luke war das nur recht, so konnte sie sich nicht sehr wundern, dass er seinen Kaffee schon ausgetrunken hatte. Aber dafür war ihrer, wie sie nun klagte, nur noch lauwarm.

      „Tu ihn doch in die Mikrowelle“, riet Luke ihr beiläufig. Wenn sie ihn jetzt einfach wegschüttete und sich einen Neuen machte … Sie verzog das Gesicht. „Ach“, knurrte sie zu seiner unendlichen Erleichterung, „so geht’s noch.“ Sie leerte die Tasse in drei langen Zügen und schüttelte sich.

      „Und, hast du was gesehen? Wo warst du so lange?“, fragte er und lehnte sich schnaufend zurück, der Magen vor Kuchen aus allen Nähten platzend.

      „Da waren komische Spuren in der feuchten Erde am Zaun. Ich denke, das war nur ein Tier, aber wir sollten die Augen offen halten.“

      „Gut, machen wir.“

      Samira schaltete den Fernseher ein, und zusammen sahen sie sich die Jerry-Springer Show an. Luke begann nach zwanzig Minuten, zu gähnen. Das fiel ihm nicht schwer; der Kuchen lag in seinem Magen wie ein Wackerstein und zuzusehen, wie sich irgendwelche Rednecks gegenseitig mit Wackelpudding bewarfen, war auch nicht so das Gelbe vom Ei. Samira bemerkte seine Schläfrigkeit mit Befriedigung.

      Nach weiteren zehn Minuten schloss Luke die Augen und tat, als dämmere er langsam weg. Er hatte schon Übung darin, er öffnete die Augen wieder ein bisschen … Schloss sie wieder ... Murmelte etwas … und atmete in langen, tiefen Zügen, den Körper vollständig entspannt. Samira stand sofort vorsichtig auf und schlich die Treppe hoch. Oben ging sie ins Bad. Lukes Blutdruck stieg, als er hörte, dass sie nicht die Treppe wieder herunterkam, auch nicht ins Schlafzimmer ging … sondern weiter … zum abgeschlossenen Hexenzimmer! Ja, kein Zweifel, da drehte sich der Schlüssel langsam im Schloss und die Tür wurde fast geräuschlos geöffnet. Beinahe sofort hörte er den wütenden Schrei, und er kam nicht aus Samiras Kehle.

      Luke sprang auf und rannte so schnell er konnte die Treppe rauf. Dass Samira ihn hören konnte, war ihm egal. Er bog um die Ecke und betrat keuchend das Hexenzimmer. Dort stand Samira und starrte auf den offenen Spiegel. Der schwarze Stoff lag als unordentlicher Ballen daneben, genau dort, wo Luke ihn achtlos hingeworfen hatte. Im Spiegel war Samira, aber sie bewegte sich nicht synchron mit der, die davor stand. Sie führte jetzt ein Eigenleben. Ihre Hand hob sich, ein spitzer Nagel wies anklagend auf ihn.

      „ER!! ER WAR HIER!!! VERRAT! TÖTE IHN! ER HAT GESEEEEHN!“, kreischte sie schrill.

      Samira starrte Luke eine Sekunde sprachlos an. Dann erfasste sie alles, seinen Verrat, seine Herumschnüffelei, sein Vorgeben, die Drogen zu nehmen, und sie sprang ihn mit einem ebenso schrillen Kreischen an wie ihr Spiegelbild. Luke war darauf nicht vorbereitet. Ihre langen Nägel krallten sich in sein Gesicht und ein Knie wurde in seinen Unterleib gerammt, aber da hatte Samira sich verrechnet, denn die von ihr selbst angemästeten Speckschwarten fingen das Schlimmste ab und er knickte nicht wie erhofft vor Schmerz zusammen.

      Aber Samira war völlig außer Kontrolle. Sie schrie und kreischte, sie biss ihn in den Oberarm, sie kniff ihn und versuchte, einen Zeigefinger in sein Auge zu rammen. Luke wusste, wie stark sie für gewöhnlich war, aber heute war sie nicht in Form. Vielleicht wirkte das Mittel ja schon. Trotzdem verlor er unter diesem hasserfüllten Bombardement das Gleichgewicht und fiel hin. Sofort warf sie sich auf ihn, und ihr Spiegelbild feuerte sie kräftig an.

      „Los, zeig dem Penner, was `ne Harke ist! Gib’s ihm! Mach ihn fertig!“ Das Spiegelbild hüpfte aufgeregt auf und ab wie bei einem besonders spannenden Boxkampf. Aber Luke hatte inzwischen ihre Arme zu fassen bekommen und hielt sie fest. Samira keuchte, Schweiß rann ihr in Strömen über das Gesicht und ihre Kräfte erlahmten. Plötzlich sackte sie auf ihm zusammen, fast wie sie es im Bett immer tat, und fiel kraftlos zur Seite. Das Bralocolin hatte endlich gewirkt, und da Samira kaum halb so viel wog wie Luke und nicht an so hohe Dosen gewöhnt war wie er, war sie von einer Sekunde auf die andere völlig weggetreten und nicht nur schläfrig. Vielleicht reichte die Dosis sogar aus, sie endgültig aus dem Weg zu schaffen.

      „Verdammte Kacke! Das kann doch nicht wahr sein!“, tobte die Samira im Spiegel, „steh wieder auf! Er entkommt dir noch!“

      „So schnell nicht, du Hexe“, keuchte Luke, „erst mal werde ich mich hier umsehen. Die macht mir keinen Kummer mehr.“

      „Was hast du getan“, fauchte die Spiegel-Samira, „wie hast du das gemacht?!“

      „Ich habe ihr nur sprichwörtlich eine Dosis ihrer eigenen Medizin verabreicht“, lächelte Luke. Obwohl es ihn gruselte, trat er näher an den unheimlichen Spiegel heran. Samira starrte ihn böse an, konnte aber nichts tun.

      „Wer oder was bist du“, flüsterte er.

      „Na, ein Spiegelbild, du hirnloser Elch!“

      „Das sehe ich auch! Aber wie kommt es, dass … dass du …“

      „Dass ich ein Eigenleben habe?“

      „Ja. Genau.“

      „Wieso sollte ich dir das sagen?“

      „Weil


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