Dunkle Tiefen der Seele. Bärbel Junker

Dunkle Tiefen der Seele - Bärbel Junker


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Fälle, wo die Täter bei ihrer Festnahme oder im Gerichtssaal Drohungen gegen ihn ausgestoßen haben. Einer von ihnen könnte sein Mörder sein. Überprüfen Sie das, Sörensen“, verlangte sein Boss.

      Sven runzelte die Stirn und heftete seine graublauen Augen zweifelnd auf den umfangreichen Aktenstapel. „Ich glaube nicht, dass wir den Täter unter den üblichen Verbrechern finden werden“, meinte er skeptisch. „Die Tötungsart passt ganz einfach nicht zu einem Profi.“

      „Und weiter?“

      „Ein Profi hätte Fred erschossen oder erstochen oder vielleicht mit einem Sprengsatz in die Luft gejagt, aber ihn doch nicht mit einem so ausgefallenen Gift wie Aconitin umgebracht, noch dazu in seiner Wohnung. Fred hätte doch keinen Ganoven hereingelassen und ihm auch noch Kaffee angeboten.“

      „Trotzdem könnte die Tat ein Racheakt gewesen sein.“

      „Aber von wem? Fred war äußerst vorsichtig und ließ so leicht niemanden zu sich herein“, wandte Sven ein.

      „Es könnte die Frau, die Schwester oder die Freundin irgendeines, von Fred dingfest gemachten Verbrechers gewesen sein.“

      „Vielleicht, aber ich glaube nicht daran.“

      „Also gut, Sörensen, da wir diese Theorie jedoch auch nicht völlig ausschließen können, werden Sie die Akten trotz Ihrer Skepsis durcharbeiten und zwar möglichst schnell. Phil Thomsen kann Ihnen dabei helfen“, beharrte sein Boss auf seinem Standpunkt. Sven klemmte sich wortlos die Akten unter den Arm und ging.

      „Verdammter Mist“, fluchte er in seinem Büro und klatschte den Aktenstapel wütend auf seinen Schreibtisch. Dann teilte er ihn in zwei gleich hohe Stapel auf und legte einen davon seinem Partner auf den Tisch, dem das Grinsen schlagartig verging. „Arbeit für dich, Phil. Zwar wird sie uns keinen Schritt weiterbringen und nur unsere kostbare Zeit stehlen, doch unser hoher Chef wünscht es so“, sagte Sven sauer.

      Mit einem undefinierbaren Ausdruck in seinen haselnussbraunen Augen sah Phil ihn an.

      „Was ist? Sitzt meine Krawatte schief oder weshalb starrst du mich so an?“, fragte Sven gereizt.

      „Nein, mit deiner Krawatte ist alles in Ordnung. Mir ging nur gerade etwas durch den Kopf.“

      „Und was, wenn ich fragen darf?“

      „Du darfst. Ich überlegte gerade, ob du schon Freds Familie benachrichtigt hast.“

      „Was denn für eine Familie?“, fragte Sven unwirsch. „Freds Eltern sind tot und außer seiner Freundin Karla kenne ich niemanden, der von seinem Ableben unterrichtet werden müsste.“

      „Und sein Bruder?“

      „Sein Bruder? Machst du Witze?“, stieß Sven hervor. „Ausgerechnet sein Bruder Paul! Der hat Fred doch nur Ärger und Kummer bereitet. Fred hat schon vor Jahren jede Verbindung zu ihm abgebrochen; und er würde ihn auch nicht auf seiner Beerdigung haben wollen. Ich nehme jedenfalls keinen Kontakt zu ihm auf. Dieser Paul ist ein ganz übles Subjekt und Fred konnte ihn nicht ausstehen“, sagte Sven erregt.

      „Kennst du Freds Bruder persönlich?“

      „Nein, aber was Fred über ihn erzählte reicht mir. Ich lege nicht den geringsten Wert auf seine Bekanntschaft. Was soll diese dämliche Fragerei eigentlich?“, knurrte Sven. „Was geht uns dieser Paul an? Anstatt über Freds unerfreulichen Bruder zu palavern, sollten wir lieber seinen Mörder suchen.“

      „Eben“, erwiderte Phil lapidar.

      „Eben?! Was soll denn das nun wieder heißen? Also wirklich, Phil, manchmal werde ich einfach nicht schlau aus dir“, nörgelte Sven. „Eben! So was Blödes aber auch.“

      „Das ist nicht so blöde wie du meinst“, verteidigte sich sein Freund.

      „Und wieso nicht?“

      „Weil wir meiner Meinung nach den Fall von einer ganz anderen Seite anpacken sollten.“

      „Und welcher?“

      „Ich denke, dass wir uns unbedingt mit diesem Bruder befassen sollten. Schließlich ist ...“

      „Warum das denn?“, unterbrach ihn Sven.

      „Na ja, das Interessante daran ist doch, dass es sich bei diesem Bruder um einen Zwillingsbruder handelt, oder?“

      „Und wenn schon. Was ist daran so ungewöhnlich?“

      „Aber Sven, verstehst du denn nicht?

      Ein ZWILLINGSBRUDER!

      Was ist, wenn jemand Fred mit seinem Bruder Paul verwechselte?“

      Sven starrte Phil sprachlos an. „Du meinst, dieser Jemand tötete Fred versehentlich?“, fragte er bestürzt.

      „Ja, genau. Vielleicht wollte der Mörder Paul töten und verwechselte ihn mit dem armen Fred. Was hältst du davon?“

      „Das wäre ja grauenhaft“, stöhnte Sven. „Aber warum?“

      „Das warum, müssen wir noch herausfinden falls meine Theorie richtig sein sollte.“

      „Mein Gott, wäre das entsetzlich, wenn Fred für seinen miesen Bruder gestorben wäre“, flüsterte Sven.

      „Bisher ist es ja nur eine Theorie.“

      „Ja, aber sie könnte sich bewahrheiten. Deine Überlegungen sind nicht so einfach von der Hand zu weisen. Wir sollten diesen Paul aufsuchen, vielleicht hat Karla seine Adresse. Am besten fahren wir gleich zu ihr“, schlug Sven vor und hatte es plötzlich eilig.

      „Einverstanden.“ Phil fuhr sich hastig mit dem Kamm durch sein welliges dunkles Haar, fuhr flink in seine Lederjacke und reckte unternehmungslustig seinen durchtrainierten Körper. „Von mir aus kann es losgehen.“

      Sven, der ihn mit seinen fast zwei Metern um einen halben Kopf überragte, ließ ihm höflich den Vortritt.

      KARLA UND JULIA

      Dreißig Minuten später hatten sie ihr Ziel erreicht. Sven parkte den dunkelblauen BMW in einer Lücke vor dem gepflegten roten Backsteinhaus, in dem Freds Freundin eine komfortable Eigentumswohnung besaß.

      Karla freute sich über ihren Besuch und bat sie herein. Nachdem sie Sven mit einem freundschaftlichen Kuss auf die Wange begrüßt hatte, reichte sie Phil lächelnd die Hand.

      Sie wirkt heute viel gelöster und sieht nicht mehr so verweint aus, freute sich Sven und nahm ihren Arm.

      „Kommt bitte mit. Meine Schwester ist gerade zu Besuch“, sagte Karla und führte sie ins Wohnzimmer. „Liebes, ich möchte dich mit Kommissar Sörensen und Inspektor Thomsen bekannt machen“, sagte Karla und steuerte auf eine schlanke, junge Frau mit ebenholzschwarzem Haar zu, deren veilchenblaue Augen die beiden Männer aufmerksam musterten.

      „Und das ist meine Schwester Julia van Dangen“, sagte Karla weich.

      Phil starrte Julia wie hypnotisiert an. Mein Gott, ist diese Frau schön, stöhnte er innerlich und setzte sich mit weichen Knien, nachdem er sie begrüßt hatte.

      „Es ist lieb von Ihnen, Karla in dieser schweren Zeit beizustehen“, sagte Sven und setzte sich ebenfalls.

      „Ich erfuhr leider erst vor zwei Stunden von Karlas schmerzlichem Verlust, sonst wäre ich schon früher gekommen“, erwiderte Julia mit samtweicher Stimme, die Phil prickelnde Schauer über den Rücken jagte. „Leider habe ich Karlas Freund nicht persönlich gekannt. Meine Schwester wollte ihn mir zwar vorstellen, dummerweise kam jedoch jedes Mal etwas dazwischen.“

      „Wissen Sie, woran er starb?“, fragte Sven.

      „Nein. Karla wollte es mir gerade erzählen, als es läutete.“

      „Wir werden nicht lange stören“, sagte Sven. „Nur ein paar


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