Dunkle Tiefen der Seele. Bärbel Junker
Julia. Fred war auch bei der Mordkommission“, erklärte Karla mit schwankender Stimme.
„Aha, bei der Mordkommission“, murmelte Julia. „Du hast mir nie erzählt, dass dein Freund Polizist ist.“
„Ich weiß, aber Fred wollte es dir bei eurem ersten Zusammentreffen lieber selbst erzählen. Er befürchtete, dass du ihn auf Grund seines Berufes, in dem er ständig mit Verbrechern zu tun hat, vielleicht nicht unvoreingenommen beurteilen würdest. Und das wollte er bei meiner von mir so heiß geliebten Schwester unbedingt vermeiden. Jedenfalls waren das seine Worte“, sagte Karla leise.
„Du sagtest am Telefon, dein Freund sei gestorben und nicht, dass er gewaltsam umgekommen ist.“
„Aber leider ist es wahr. Fred wurde ermordet und wir versuchen herauszufinden, von wem und warum“, kam Sven Karlas Antwort zuvor.
„Mein Gott, das ist ja entsetzlich! Und ich hatte keine Ahnung“, murmelte Julia bestürzt. „Ich dachte an eine Herzgeschichte oder so etwas.“
„Er wurde vergiftet“, flüsterte Karla und fing an zu weinen.
„Vergiftet? Schrecklich!“, flüsterte Julia erbleichend.
Sven setzte sich neben Karla und legte den Arm um sie. Seine Nähe tat ihr offenbar gut, denn ihr Schluchzen wurde leiser, und ihre Tränen versiegten. Sie schnäuzte sich und sah ihn an. „Du sagtest vorhin, du wolltest mir einige Fragen stellen. Was sind das für Fragen?“
„Sie betreffen Freds Familie.“
„Freds Familie? Wieso? Seine Eltern sind tot, das weißt du doch“, sagte Karla verwirrt.
„Ich weiß, aber da ist ja noch sein Bruder. Oder hat er dir nie von ihm erzählt?“
„Doch, aber leider nichts Gutes.“
„Hast du seine Adresse?“
„Nein. Oder doch? Warte mal, wie war das noch? Ach ja, jetzt erinnere ich mich. Vor etwa drei Wochen kam Fred spät abends noch vorbei. Er war sehr erregt und knallte wütend einen Brief auf den Tisch. „Das musst du unbedingt lesen, Karla!” rief er empört. ”Es ist einfach nicht zu fassen! Nicht nur, dass dieser charakterlose Kerl mich um Geld anhaut, nein, damit nicht genug, bringt er auch noch Familienbande ins Spiel. Spricht von Bruderliebe!
Ausgerechnet dieser Sadist, der mich als Kind bis aufs Blut peinigte, mich später verleumdete, bestahl, zusammenschlagen ließ und was noch alles, spricht von Bruderliebe! Und setzt dem allem noch die Krone auf, mit dieser Fotomontage von uns beiden. Paul und ich, glücklich lächelnd nebeneinander. Es ist einfach nicht zu glauben! Und auf der Rückseite steht seine Adresse, und seine Kontonummer fehlt natürlich auch nicht. Mein Gott, was habe ich nur getan, um mit so einem Bruder gestraft zu werden!”
„Hast du das Foto noch?“
„Ja, Fred bat mich es aufzuheben, falls er irgendwann einmal die Adresse oder ein Foto seines Bruders benötigen sollte. Er sagte wörtlich: ”Paul ist von Grund auf schlecht und wird früher oder später mit dem Gesetz in Konflikt geraten und dann können wir das Foto vielleicht noch gut gebrauchen, doch zu Hause möchte ich es nicht haben. Ich will von diesem Kerl überhaupt nichts in meiner Nähe haben!”
„Könntest du es holen?“, bat Sven.
Karla nickte und stand auf. Sie ging hinüber zu dem antiken Sekretär und kehrte mit einem Foto in der Hand zurück. Sie gab es Sven, der es kurz anschaute und an Phil weitergab.
„Dürfte ich es auch sehen?“, bat Julia. „Ich habe nämlich noch nie ein Foto von Karlas großer Liebe gesehen.“
Phil reichte es ihr mit zitternden Händen.
„Fred hasste es fotografiert zu werden“, entschuldigte sich Karla. „Der Mann links auf dem Bild ist Fred, der andere ist sein Bruder Paul“, erklärte sie.
Julia drehte das Foto um, denn Phil hatte es ihr mit der Rückseite nach oben gegeben. „Aber das sind ja Zwillinge!“, rief sie überrascht.
„Ja, eineiige Zwillinge. Man kann sie kaum auseinander halten“, bestätigte Karla.
Julia gab Phil das Foto zurück, der es vor Aufregung fallen ließ. Er bückte sich danach und stieß dabei mit Julia zusammen, die dieselbe Idee gehabt hatte. „Verzeihung“, murmelte er verlegen und legte das Foto mit bebenden Händen in seine Brieftasche. Sie muss mich für einen Pennäler halten, schoss es ihm durch den Kopf. Jedenfalls benehme ich mich wie ein unbedarftes Jüngelchen. Aber diese Frau brachte ihn einfach aus der Fassung.
„Entschuldigt mich bitte“, murmelte Julia mit blassem Gesicht und verließ mit schnellen Schritten den Raum.
„Was ist mit deiner Schwester? Ist sie krank?“, fragte Sven besorgt.
„Ihr geht es nicht gut. Sie ist äußerst sensibel, und mein Kummer geht ihr sehr nahe“, erwiderte Karla leise; und in diesem Moment kehrte Julia zurück, um sich zu verabschieden. „Du wolltest doch bis zum Abend bleiben“, protestierte Karla.
„Ich habe noch einen wichtigen Termin, den ich fast vergessen hätte“, erwiderte Julia verlegen. Sie küsste Karla auf beide Wangen und verabschiedete sich mit einem freundlichen Nicken in Richtung der beiden Männer. „Nicht böse sein“, rief sie und war weg, bevor Karla sie zur Tür begleiten konnte.
„Na, so was“, murmelte diese und nahm wieder in ihrem Sessel Platz. Kurz darauf verabschiedeten sich auch Sven und Phil und fuhren zurück zum Dezernat.
TÖDLICHE BEGIERDE!
Paul Kowalski hielt seine blutverschmierten Hände unter das laufende Wasser und überlegte angestrengt. Er hatte Mist gebaut und musste einen Weg finden, um da wieder rauszukommen. Er nahm die Nagelbürste und begann seine Finger zu schrubben.
Nicht zu fassen! Da gibt dieses blöde Stück doch tatsächlich im spannendsten Moment den Geist auf! „Verdammter Mist! Und was mach ich jetzt mit der Leiche?“, knurrte Kowalski. „Eine Scheißidee war das, die Kleine hier zu bumsen.“
Bisher hatte er seine perversen Spiele immer außer Haus getrieben. Er kannte genügend Plätze, an denen er ungestört war. Aber heute hatte ihn die Gier so plötzlich übermannt, dass er nicht mehr hatte klar denken können. Die Gelegenheit war derart günstig gewesen, dass er sich einfach nicht mehr in der Gewalt gehabt hatte.
Klingelt das kleine Miststück doch an seiner Tür für ´ne Meinungsumfrage. Meinungsumfrage! So ein hirnverbrannter Blödsinn! Aber die Süße war toll gewesen. Höchstens achtzehn; tolle Titten; lange Beine unterm knappen Minirock. Einfach geil!
Natürlich hatte er sich nicht anmerken lassen, wie scharf er auf sie war. Mit dem Versprechen ihre Fragen zu beantworten, hatte er sie in die Wohnung gelockt; und dann war es einfach gewesen.
Ein Schlag auf den Kopf; Ohnmacht, fesseln und dann Spaß. Riesenspaß! Obwohl sie sich zuerst geziert hatte. Aber das hatte er ihr schnell ausgetrieben. Und dann hatte er es ihr gezeigt! Kichernd drehte er den Wasserhahn zu. In Wirklichkeit fanden die Weiber das Bumsen doch genau so toll. Nur dass er es zugab und seine Triebe auslebte. Aber die Weiber zierten sich. Dabei war mit den Schlampen überhaupt nichts mehr los. Keine Moral und kein Schamgefühl hatten die, war´n strohdumm und geldgierig. Das sah man doch an den Titelbildern und jeden Tag im Fernsehen. Ständig nur nacktes Fleisch und dann wurden die Männer auch noch dafür bestraft, wenn sie sich aus dem großzügigen Angebot bedienten, das ihnen geradezu aufgedrängt wurde.
Da rannten diese Schlampen fast ohne Klamotten herum und wunderten sich, wenn die Männer aktiv wurden und sich nahm´, was sie kriegen konnten. Die Weiber war´n doch einfach nich´ ganz dicht.
„Nich´ die Männer müssen bestraft wer´n, sondern das geile Weiberpack, das uns dauernd anmacht“, knurrte er böse. Warum die Puppe nebenan wohl so plötzlich den Löffel abgegeben hat? Vielleicht ´ne Herzsache? Oder ob der Knebel zu fest gesessen hat?