Das Friedrich-Lied - 1. Buch. Henning Isenberg

Das Friedrich-Lied - 1. Buch - Henning Isenberg


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Doch was war das? Seine Beine versagten ihm ihre Dienste und er wurde sogleich wieder in seinen ledernen Armstuhl zurückgezogen. Als sei nichts gewesen, sprach er trotzdem. „Lieber Freund, habt tausend Dank für den ausführlichen Bericht, Speis und Trank. Aber ich denke, … denke, es wird … es wird das Beste sein, wenn wir uns jetzt verabschieden.“

      Sodann raffte sich Friedrich und kam schwankend zum Stehen, was Tankred mit den Worten, „Ihr seid ja betrunken, mein Lieber“, konnotierte. Friedrich wankte zu Gerhard hinüber und zog diesen aus seinem Stuhl, was ihm jedoch nur mit Conrads Hilfe gelang. Nun stehend, bedankten sich die drei Gefährten über die verwüstete Tafel hinweg bei ihrem Gastgeber und torkelten hinüber zum eigenen Lager. Tankred, der schwer in seinem Stuhle lag, hob die Hand zum Abschied. Aber da hatten die Freunde bereits den gastlichen Ort verlassen.

      7. Kapitel

       Vor langer Zeit wurde einem Eremiten durch einen Engel das wunderbare Gesicht des Joseph von Arimathia, der Jesus vom Kreuz genommen hatte, gezeigt. Dieser hatte das Blut des Heilands in einer Schale von der Tafel des Abendmahls aufgefangen. Der Eremit verfasste daraufhin die Sage vom heiligen Gral. Gral bedeutet so viel wie Schale und ist das Gefäß, welches sich von selbst füllt und welches dem Gralskönig und seinem Gefolge zu ihrer Speisung gereicht wird.

      Als der nächste Morgen erwachte, brummte Friedrichs Schädel. Doch die Arbeit wartete nicht. Cedric, Dietrichs älterster Knappe, war vor die Zelte getreten und schlug zwei Eisen gegeneinander, deren hohes Klirren ein Chaos in Friedrichs Kopf anrichtete. Cedric teilte den Knappen ihre Aufgaben zu, als sie aus den Zelten traten. Wie an diesem Morgen so richteten die Truppen Dietrichs von Cleve auch in den kommenden Tagen ihre Lagerstätte ein, bauten das Hauptlager aus oder übernahmen Wachdienste im Lager.

      Am zehnten Tag nach ihrer Ankunft, es war der zwölfte März zwölfhundertzehn, kam ein eigentümlicher Zug von Reitern in das Lager am Fuße der Burg.

      Soweit der Staub auf den Kleidern und der Dreck an den Stiefeln eine Vermutung zuließ, waren die Reiter und Rösser prächtig in frohen Farben mit mystisch verschlungenen Zeichen gewandet. Scheinbar kamen sie von weit her. Denn auch dies ließen Staub und Dreck vermuten. Trotz der äußeren Zeichen von Reise, Unsicherheit und Strapazen hielten sie sich stolz und aufrecht im Sattel. In schnellem Schritt trieben sie ihre Pferde durch die Mittelgasse auf das andere der Burg zugewandte Ende des Lagers zu. Erhabenen Wesen einer anderen Welt gleich, den Blick scheinbar teilnahmslos geradeaus gerichtet, die Welt um sie herum wohl nicht zur Kenntnis nehmend, wogten ihre edlen Antlitze an den sie Betrachtenden vorüber. Auch Friedrich sah zusammen mit Gerhard, Conrad und Dietrich die stolzen Reisenden an sich vorüberziehen.

      „

      Des Kaisers Neffe, der Graf von Toulouse“, sagte Dietrich. Als sich der aufgewirbelte Staub der Vorbeireitenden gelegt hatte, verschwand der Tross auch schon im Inneren der Burg. Und der Spuk war vorbei.

      Der Kaiser schaute aus dem Fenster. Der Frühling war erwacht und färbte die tuszischen Wälder und Hügel in kräftigem Grün. Ein sanfter Windhauch strich über sein bärtiges Gesicht. Otto kamen die Laute seiner Jugendzeit in den Kopf. In Gedanken formte er Worte mit ihrem harmonischen Klang, die er als Kind gelernt hatte. Diese verschlungenen, geheimnisvoll und schön klingenden Worte. Wie eine leichte, frische Brise vom salzigen Meer, die über Lavendelebenen herbeiweht und die Seidenvorhänge am aquitanischen Hofe hin und herwiegt. Die Sprache der Schönheit, die von der Eroberung einer angebeteten Dame und der Liebe erzählt. Der Liebe, die er nie gefunden hatte. Die ihm Beatrice nicht geben konnte. Die, kaum da er sie kannte, schon wieder dahingerafft worden war. Und auch Konstanze von Brabant, die ihm aus politischen Gründen zugeführt worden war, würde sie ihm wohl nicht geben.

      Es klopfte.

      „

      Herr, Raimund von Toulouse ist eingetroffen.“

      Otto machte mit dem Arm eine versonnene Bewegung, die eine unsägliche Traurigkeit in sich barg und dem Diener bedeutete, der Neffe, mit dem Otto seine Jugend am aquitanischen Hofe geteilt hatte, solle eintreten.

      „

      Raimund“, der Kaiser war aufgestanden und umarmte den Ankömmling, „sei gegrüßt. Es ist schön, dich wiederzusehen.“

      „

      Auch mich freut es, dich hier wohl behalten anzutreffen. Es ist schon eine Weile her…. Waren das schöne Zeiten am Hofe in Limoges, Otto. Unser leichtes Leben am aquitanischen Hofe…“

      „

      Es fehlt mir.“

      „

      Ja, so sehr. Und seit sie alles und jeden zum Ketzer brandmarken, ist auch das frohe Leben an meinem Hofe in Toulouse fast erloschen.“

      „

      Wie geht es dir in diesen schweren Zeiten, Bruder? Du warst beim Papst. Nicht wahr?“

      „

      Ja, das war ich“, sagte Raimund verdrossen.

      „

      Was kannst du berichten? Hat er den Bann gegen dich zurückgenommen?“

      „

      Nein. …Nein, das hat er nicht. Es ist verzweifelt. In dem ich mich auf die Seite der Kreuzfahrer stellte, habe ich mein Volk verraten. Ich war damals auf der falschen Seite und heute bin ich ein Ausgeschlossener. Das ganze Taktieren hat nichts geholfen.

      „

      Ich habe gehört, einer deiner Männer hat im letzen Jahr nach einer Verhandlung den päpstlichen Legaten Pierre de Castelnau erstochen. Stimmt das?!“

      „

      Ja, das ist richtig.“

      „

      Ja, konntest du das denn nicht verhindern? Hast du deine Mannen nicht im Griff?!“

      „

      Es war der Tropfen auf dem heißen Stein“, verteidigte sich Raimund. „Seit der Papst den Kreuzzug gegen die Häresie ausgerufen hat, ziehen sie gegen alle und jeden, der sich nicht zum katholischen Glauben bekennen will, im Verdacht der Häresie steht oder sich nicht unter ihre Lehnensherrschaft begeben will. Das Midi steht schon lange im Ruf, von der Ketzerei durchwandert zu werden. Papst Innozenz hat eine Kommission eingesetzt.“

      „

      Ist denn etwas daran? Ist das Midi voll von Katharern, wie man hört?“

      „

      Urteile selbst, Otto. Häresie,“ erwiderte Raimund, „wie sie die Kirche sieht, heißt Leugnung des katholischen Glaubens, Kritik der Kirche durch Verzicht auf alles Weltliche, der Kirche ihren Anspruch auf Sündenerlass nehmen. Für die Bewegung der Katharer, die bei uns in der Tat sehr verbreitet ist und sich großer Unterstützung in der ganzen Bevölkerung und beim Adel erfreut, verkörpert Gott alles. Gott ist böse und er ist gut. Sie trennen nicht.“

      „

      Heißt das, dass sie keinen Teufel, keinen Himmel und keine Hölle kennen?“

      „

      Ja. Genau wie Gott ist jeder Mensch gut und auch böse. Das Fegefeuer gibt es bei den Katharern nicht. Jeder Mensch ist göttlich und damit frei von Sünde. Das ist der Kirche der größte Dorn im Auge. Lebet ohne Sorge.“

      „

      Dadurch verliert die Kirche an Macht über die Menschen. Dass Innozenz das nicht passt, kann ich mir gut vorstellen.“

      Rainald nickte bedeutend.

      „

      Die Kirche fühlt sich in ihren Grundfesten bedroht. Die Armut und Askese, in der die Perfeci, so nennen sie ihre Priester, leben, löst Begeisterung für die Reinheit der katharischen Lehre aus.“

      „

      Pah, das steht in krassem Gegensatz zu unseren fetten Popen. Das kann ich mir


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