Das Friedrich-Lied - 1. Buch. Henning Isenberg

Das Friedrich-Lied - 1. Buch - Henning Isenberg


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und ging in sein Zelt. Dort holte er das neu erstandene Buch aus seiner Truhe hervor. Jedes Kapitel wurde von einem schön ausgeführten Buchstaben eingeleitet. Zu Beginn waren es Affen, ein Narr oder Hasen oder Esel. Das stand wohl für die Torheiten des Perceval. Später wurden die Buchstaben mit Drachen oder Löwen, Einhörnern, Pferden oder ähnlichen Tieren ausgeführt. Alle sorgfältig koloriert. Und noch später waren es junge Mädchen und Elfen. Am Ende dann ein König oder ein Mönch. Friedrich schlug das Buch zu, schlug den Deckel wiederum auf und begann zu lesen.

       Der junge Perceval war von hoher Geburt, doch wuchs er vaterlos bei der Mutter in einem Walde auf. Dies geschah so, da die Mutter den Sohn vor den Gefahren der Welt und besonders vor den Fährnissen der Ritterschaft bewahren wollte. Als der Junge eines Tages in dem Walde fern der Mutter war, hörte er Pferde und Waffengeklirre. Er glaubte der Teufel sei gekommen, doch fürchte er sich nicht und trat aus dem Wald hervor. Als er aber fünf Ritter in glänzenden Rüstungen sah, war er so überwältigt, dass er glaubte, Engel stünden vor ihm.

       In seiner einfachen Art befragte der Tor die Ritter, was und wer sie seien und wo man sich derart rüsten lasse. Diese antworten, sie seien Ritter und hätten ihre Rüstung von dem König Arthur erhalten. Als Perceval daheim der Mutter von seiner Begegnung erzählte, fiel diese voller Entsetzen in Ohnmacht. Als die Mutter wieder zu sich kam, erzählte sie ihm von dem Vater, Gamuret von Anschowe und wie er gefallen war. Doch er kümmerte sich nicht um der Mutter Flehen und Leid, denn sein Weg war ihm schlagartig aufgetan. Als die Mutter sah, dass ihre Bedenken keinen Eindruck auf ihn machten, nähte sie ihm ein eigenartiges Gewand, so dass er bei Hofe als ein bäurischer Tor erscheinen solle, riet ihm nicht zu viel zu fragen und höflich zu Frauen zu sein.

       Als er davonritt und sich noch einmal umschaute, erblickte er, wie die Mutter auf der Brücke zusammensank; aber ohne innezuhalten trieb er sein Pferd an.

      Nachdenklich legt Friedrich das Buch zur Seite. Wie Perceval hat auch ihn die Mutter nicht gehen lassen wollen. Und wie Perceval hatte seit seiner Abreise keiner seiner Gedanken Vater noch Mutter gegolten. Bin ich selbst der Tor?

      8. Kapitel

      Wieder verbrachte Friedrich ein Nachtmahl mit seinen neuen Gefährten. Gerhard war zur Wache am Haupttor eingeteilt worden und Conrad hatte den Herzog, wie er Oheim Dietrich stets nannte, zu einer Lagebesprechung beim kaiserlichen Rat in die Reichsburg San Miniatio al Tedesco begleitet.

      Als Friedrich sich von seinen lombardischen Waffenbrüdern verabschiedet hatte, trat er auf die breite Mitteltrasse, die den einen Teil des Lagers von dem anderen trennt. Er streckte sich und schaute hinauf zum Firmament. Die Sterne funkelten am kühlen Nachthimmel. Es war zunehmender Mond.

      Als er in Richtung des Haupttores blickte, sah er, wie die Wächter gerade drei Reiter passieren ließen. Friedrich ging langsam in Richtung seiner Lagerstätte, denn er wollte wissen, wer die Reiter waren. Als sie näher kamen, hörte er seinen Namen, „Friedrich“, es war Conrad, der mit seinem Oheim und Cedric von der Besprechung beim Kaiser zurückkam. Als sie vorbei ritten, nickte Dietrich ihm zu. Er folgte den Reitern ins Lager und holte sie ein, als sie die Pferde versorgten. Dietrich war schon in sein Zelt gegangen. Als Friedrich den Freund nach dem neusten Stand der Dinge fragte, erfuhr er wie üblich, außer vielleicht, was Conrad an äußeren Eindrücken auf San Miniatio gesammelt hatte, nicht viel. Offensichtlich hatte sich Dietrich auf dem Rückweg in Schweigen gehüllt. Aber Friedrich kannte den wenig wendigen Conrad und wünschte insgeheim, der Freund wäre im Stande gewesen, seine Beobachtungen in Worte zu bringen. Auf die Frage hin, ob der Herzog ansprechbar sei und ob er zu Dietrich eintreten könne, nickte dieser und wandte sich wieder den Pferden zu. Kopfschüttelnd und verzweifelt über den sturen Westfalen ging Friedrich auf das Zelt Dietrichs zu und klopfte an den Wappenschild an der Zeltaußenwand.

      „Darf ich eintreten, Herr?“

      „Wenn du mir hilfst, mich aus diesem Korsett zu befreien“, kam es aus dem Zeltinneren und Friedrich trat ein. Dietrich hatte bereits Schwert, Gehenk und den blauen, clevischen Surkot abgelegt. Nun stand er recht hilflos im Kettenhemd vor ihm. Wo ist Cedric? Doch er verkniff sich die Frage, um nicht den Eindruck zu erwecken, er fühle sich bereits zu Höherem berufen und niedriger Dienste enteilt. Als er seinem Oheim aus dem Kettenhemd geholfen und es über die große Reisetruhe in einem Winkel des großen Zeltes gelegt hatte, goss er dem Herzog zuerst Wasser aus einer Karaffe in einen Becher und danach in die große Waschschale, die auf einem extra für sie gefertigtem Holzgestell thronte. „Setz dich, Junge. Ich bin gleich so weit“, sagte Dietrich, während er sich mit dem Rücken zu seinem Neffen Wasser ins Gesicht schöpfte, „es gibt viel zu berichten, Friedrich.“ Friedrich verdrehte die Augen, an seinen wortkargen Freund Conrad denkend. „Der Kaiser hatte seinen gesamten Hofstaat versammelt. Deutsche wie Schwerin, Leiningen, Saarbrücken, Dietz, Harzbourgh, Zollern, Wirttemberghe, Baden, Kalden, Lautern, Schüpf, Münzenberghe und hiesige wie Diepold von Spoleto, Ildebrandin von Tuszien, Salinguerra von Ferrara, die Grafen von Celano, Mantua, Cortenuova, Blandrate und ein riesiges Aufgebot aus Piacenza. Ich hätte nicht gedacht, dass Otto so eine große Koalition zusammenbringen würde.“ „Habt Ihr ihn gesehen?“ „Natürlich war er da. Normalerweise wird der Rat mit den engsten Vertrauten abgehalten, sieben sind es, hinter denen wiederum sieben stehen. Doch heute war es anders. Das gesamte erste und zweite Heerschild waren versammelt. Großes steht uns bevor, Friedrich. Das Patrimonium Petri.“ Nicht dass Friedrich nicht wusste, was das Patrimonium Petri war. In diesem Zusammenhang wusste er lediglich nicht viel mit dem, was das Territoium des Papstes bezeichnete, anzufangen und schaute Dietrich fragend an. „Der Kaiser will die tuszischen Städte und Burgen, die sich der heilige Stuhl nach dem Tod Heinrich VI. einverleibt hat zurückgewinnen.“ „Das hieße aber“, überlegte Friedrich laut, „dass er dann im Krieg mit dem Papst steht oder nicht?!“ Dietrich nickte. „Das meinten auch einige der Anwesenden. Auch wenn die Streitmacht Ottos den Päpstlichen weit überlegen ist.“ „Und was bedeutet das für uns?“ „Das heißt, dass wir von Norden und Diepold von Schweinspoint von Spoleto aus in das Patrimonium einfallen werden.“ „Ja, aber damit verstößt der Kaiser gegen den Neusser Eid und alle Versprechungen, die er dem Papst bei seiner Krönung gemacht hat.“ „Als wenn das das erste Mal wäre…. Ich selbst dachte zwar, unser Riesenheer würde als Drohung ausreichen und wir würden die Waffen nicht gebrauchen müssen. Aber der Kaiser forderte eine Trustis von hundertvierzig Mann. Das kam mir schon verdächtig vor. Daraufhin war mir klar, dass wir irgendwann zu Felde ziehen würden. Und ich habe entschieden, euch besser auszubilden, als ich je zuvor ein Heer ausgebildet habe.“ Friedrich schwieg und wartete ab. „Als wir noch daheim auf deutschem Boden waren und ich mich ihm auf dem Hoftag von Speyer angeschlossen habe, da hat er den Verbündeten bereits deutlich gemacht, dass dem Romzug ein Feldzug folgen würde.“ Dietrich drang mit scharfem Blick auf Friedrich ein. „Kurz nachdem das Heer von Würzbourgh über die Alpen aufgebrochen war, erhielt ich eine weitere Botschaft. Sie enthielt den Zeitpunkt des Aufbruchs.“ „Die Kaiserkrönung“, sagte Friedrich und Dietrich nickte. „Als Ihr mich vorhin auf der Straße saht, Oheim, kam ich gerade vom Essen beim Grafen von Sartiano. „Ah, ihr kommt wohl gut mit einander aus.“ „Ja, Herr. Dieser berichtete mir, dass der Kaiser mit den sizilianischen Herzögen in Foligno ein Abkommen zur Königswahl in Sizilien getroffen hat. So wie es aussieht, will er dort einen staufischen König verjagen.“ „Richtig, das hat er gesagt. Er will alles in Italien dem Reich einverleiben und obwohl der Staufer noch im Kindesalter ist, auch diesen auslöschen, damit ihm kein Staufer mehr den Thron streitig machen kann.“ „Es hat also erst angefangen“, wunderte sich Friedrich. „So ist es, Friedrich. Du wirst dir wünschen, niemals mit mir über die Alpen gekommen zu sein.“ Cedric kam herein und setzte sich ohne Aufsehen zu erregen still auf eine Truhe. „Wie kommt Ihr darauf, Herr? Auch ich bin erst am Anfang. Ich will mir die ritterlichen Sporen verdienen und dann mit dem Kaiser ins Heilige Land ziehen. Wie mein Vater einst.“ „Wünsch dir das nicht.“ Friedrich war verdutzt, als sein Oheim die Worte sprach. Will Dietrich jetzt schon dafür sorgen, dass ich ihm in vierzig Tagen in die Heimat folge? „Ich selbst war noch zu jung, um meinen Vater auf den Kreuzzug zu begleiten, denn auch ich hatte es mir aufs Sehnlichste gewünscht, ins Heilige Land Jerusalem zu ziehen. Aber dein Vater, deine Vaterbrüder


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