Verfluchtes Erbe Gesamtausgabe. T.D. Amrein
Erika.
An der Theke erwartete ihn Merz bereits. „Guten Tag, Herr Kommissar, gibt es etwas Neues?“
„Ja“, antwortete Reuter, „und außerdem habe ich noch einige Fragen. Darf ich Sie zum Kaffee einladen? Gerade um die Ecke gibt es ein Restaurant mit Garten“.
Merz nickte, „ja bitte“.
Als sie im Garten saßen, vor sich die Kaffeetassen, begann der Kommissar: „Ich möchte wissen, als Sie bei Mendel eintrafen, war die Gartentüre geschlossen oder vielleicht nur angelehnt?“
Merz runzelte die Stirn, „die Gartentüre? Hm, die war geschlossen. Aber warum ist das wichtig?“
„Moment“, sagte der Kommissar. „Von wo haben Sie mich angerufen?“
„Aus der Telefonzelle an der Kreuzung.“
„Dann sind Sie wieder nach draußen gegangen?“
„Ja, natürlich.“
„Haben Sie die Türe wieder geöffnet?“
„Herr Kommissar, das weiß ich wirklich nicht mehr. Vielleicht habe ich sie auch offen gelassen.“
Merz schüttelte den Kopf. „Ich war ganz durcheinander, aber auch sonst könnte ich mich an solche Kleinigkeiten nicht mehr erinnern. Da verlangen Sie zu viel von mir“.
Der Kommissar hob beruhigend die Hände, „so wichtig ist es auch wieder nicht. War aber immerhin eine Möglichkeit, dass sie sich erinnern. Wir haben auf der Klinke nur Fingerabdrücke gefunden, die wahrscheinlich von Ihnen stammen. Und auch nur außen. Es besteht die Möglichkeit, dass die Klinke abgewischt wurde. Andererseits könnte Herr Mendel sie auch gerade gereinigt haben. Das ist aber eher unwahrscheinlich.“
Merz nickte zustimmend. „Aber was bedeutet das?“
„Es muss nichts bedeuten, aber es könnte sein, das Herr Mendel Besuch gehabt hat, der seine Spuren verwischen wollte. Das ist aber wirklich nur hypothetisch.“
Merz wurde ganz eifrig. „Herr Kommissar, das ist eine wichtige Spur, ich bin sicher, Mendel ist nicht einfach so gestorben. Es passt alles zusammen.“
„Langsam“, wehrte der Kommissar ab. „Ich möchte bei den Fakten bleiben. Ich habe eine Obduktion beantragt, um Sicherheit zu bekommen, aber wenn sich nichts Ungewöhnliches ergibt, muss ich den Fall zu den Akten legen.“
Merz machte ein enttäuschtes Gesicht, „das würden Sie tun?“
„Ich muss, es gibt eindeutige Vorschriften. Aber zuerst warten wir jetzt wirklich auf die Gerichtsmedizin.“
Sie schwiegen eine Weile, dann fragte Merz, „Herr Kommissar, darf ich fragen, ob Sie mit Fritz, ich meine Herr Hauser, weitergekommen sind?“
Der Kommissar schüttelte den Kopf. „Es gibt leider nichts Neues. Der oder die Täter sind weiter flüchtig. Aber wir arbeiten auch an diesem Fall, machen Sie sich darüber keine Gedanken. Übrigens, was haben Sie für Pläne? Bleiben Sie noch in Frankfurt?“
Merz nickte, „ja, ja, ich bleibe. Ich suche weiter nach Spuren meiner Familie.“
„Viel Glück damit!“, wünschte Kommissar Reuter. Er rief nach der Bedienung, um zu zahlen.
Reuter verabschiedete sich, Merz blieb noch ein wenig sitzen. Es war ein schöner Sommertag, und sein Zimmer roch doch etwas muffig. Er ärgerte sich über sich selbst. Eigentlich nahm er sich jeden Tag vor, eine neue Strategie zu entwickeln, um nach diesem Dornbach zu suchen. Aber es wollte ihm einfach nicht gelingen. Er überlegte sich dies und das und verwarf es dann wieder.
Die Idee mit der Anzeige war gut gewesen. Er hatte neue Informationen bekommen. Aber schon war wieder jemand tot.
Schließlich ging er ziellos in der Stadt spazieren. Dass seine Schatten inzwischen auf vier angewachsen waren, bemerkte er dabei nicht.
Am Abend wartete Kommissar Reuter noch auf den ersten Bericht von Hellmann und Krüger. Danach wollte er Feierabend machen. Er hatte sich vorgenommen, in einen Biergarten zu gehen.
Gegen sechs Uhr rief der junge Hellmann bei ihm an. „Herr Kommissar, wir sind den ganzen Nachmittag hinter unserem Objekt geblieben. Er ist viel herumspaziert, er scheint kein Ziel zu haben. Was uns aber aufgefallen ist, er wird schon von jemandem beobachtet. Es gibt keinen Zweifel, sie folgen ihm auch überall hin.“
„Wie bitte!“, der Kommissar war perplex. „Sind Sie wirklich sicher, Hellmann?“
„Ja, Herr Kommissar. Das heißt, Sie haben nichts damit zu tun? Wir haben gedacht, Sie kontrollieren uns.“
„Aber, nein“, wehrte der Kommissar ab. „So etwas würde ich nie machen. Hellmann, Sie bleiben dran. Was denken Sie, haben diese anderen zwei, schon bemerkt, dass Sie auch hinter Merz her sind?“
„Wenn sie nichts von uns wissen, glaube ich nicht“, lautete die Antwort.
„Gut. Versuchen Sie, ein Foto von den beiden zu machen, damit wir sie identifizieren können!“
„Das haben wir schon“, antwortete Hellmann etwas gekränkt.
„Sehr gut, dann kommen Sie sofort in mein Büro mit dem Bild. Ich werde inzwischen beim BKA anfragen ob eventuell eine Observation im Gange ist.“
Die Anfrage fiel negativ aus. Niemand wusste etwas, egal wo der Kommissar auch anfragte.
Beim Verfassungsschutz, in den eigenen Abteilungen, nichts. Es könnte natürlich auch streng geheim sein, dachte der Kommissar, aber so etwas war bisher in seiner ganzen Dienstzeit nicht vorgekommen.
Endlich traf Hellmann in seinem Büro ein. „Der Film ist schon im Labor, in fünfzehn Minuten bekommen Sie das Bild, Herr Kommissar“.
„Sehr gut, Hellmann“. Der Kommissar zeigte sich beeindruckt. „Sie sind tüchtig, für ihr Alter.“
„Danke Herr Kommissar. Darf ich eine kleine Kaffeepause machen?“
„Gehen Sie nur, ich zahle.“
„Das ist wirklich nicht notwendig.“ Hellmann verließ das Büro. Nach zehn Minuten kam er zurück, mit einigen Fotos in der Hand. Er gab sie dem Kommissar und dieser schaute sie genau an.
„Auf jeden Fall sind die zwei nicht von uns“, sagte er. Danach rief kurz bei einem Kollegen im Präsidium an: „Hallo, Rudi, bist du noch im Büro? Ich komme schnell zu dir. Bis gleich.“
Er wandte sich wieder an Hellmann, „warten Sie bitte einen Moment, ich bin gleich zurück“.
Reuter legte seinem Kollegen zwei Fotografien auf den Schreibtisch. „Kennst du vielleicht einen von denen?“
Kommissar Hirschfeld zeigte sofort auf ein Bild. „Das ist Horst Pohl, ein bekennender Neonazi. Hast du noch nichts von ihm gehört? Wir haben eine dicke Akte über ihn. Körperverletzung, Raub, Wiederbetätigung, die ganze Palette. Wie kommst du an das Bild?“
„Er observiert einen Zeugen von mir“, antwortete Reuter. „Das ergibt keinen Sinn. Mein Zeuge ist eigentlich nur als praktische Erfahrung für zwei ganz junge Beamte gedacht. Er ist nicht verdächtig, nur ein Schweizer Tourist, der nach Spuren seiner Familie sucht. Kannst du dir vorstellen, warum dieser Horst Pohl ihn observiert?“
Hirschfeld schüttelte den Kopf, „Horst Pohl lebt von allerlei Aufträgen, wie Geld eintreiben und so weiter. Es ist bekannt, dass man ihn auch für Schlägereien mieten kann. Der handelt sicher nicht auf eigene Faust.“
„Das heißt, irgendjemand muss sich ziemliche Sorgen machen, weil mein Zeuge in der Vergangenheit herumstöbert“, sagte Reuter.
„Wer würde einem bekannten Nazi vertrauen?“, fragte Hirschfeld.
„Ein anderer Nazi“, ergänzte Reuter.
„Danke, Rudi, darüber muss ich zuerst nachdenken, du hast mir sehr geholfen“.
„Keine