BonJour Liebes Leben .... Rose Hardt

BonJour Liebes Leben ... - Rose Hardt


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zu ergießen. Aus einem kleinen Seufzer heraus dachte sie, aber was … ja, was würde es nützen. Außerdem war es nie ihre Art gewesen, also warum jetzt damit anfangen.

      Während sie zurück zum Haus schlenderte sinnierte sie weiter über ihr Leben und ganz ohne ihr Wollen landete sie wieder bei Henning. „Henning“ kam es flüsternd über ihre Lippen. Damals wie heute hatte er es fertiggebracht, sie sowohl mit Worten, als auch mit Gesten zu provozieren und sie konterte in gleichen Maßen. In Erinnerungen schwelgend umspielte ein erstes Lächeln ihren Mund, doch je tiefer sie in ihrem Gedächtnis unterwegs war, desto schmerzhafter war das, was ihr dort begegnete. An der Terrassentür angelangt stoppte sie ihre zermürbenden Gedankengänge, zähneknirschend fluchte sie: „vergiss endlich diesen Weiberheld!“ Fast drei Jahrzehnte war ich mit so einem Exemplar verheiratet, das braucht keine Frau ein zweites Mal. „Wer ist denn schon Henning!“, grummelte sie verärgert vor sich hin. Angetrieben von einer nie überwundenen Eifersucht schlug sie die Terrassentür zu, gleich so, als könne sie ihre Gedanken, ihre Gefühle an ihn draußen lassen.

      Doch kaum, dass sie im Bett lag, ihre Augen geschlossen waren, war er in seiner ganzen Pracht – so wie sie ihn damals kennen und lieben lernte – wieder präsent. Sie sieht sein Gesicht vorüberziehen, sieht den Glanz in seinen dunklen Augen, hört seine Worte und wird von seiner Stimme wohlig berührt, und nein, sie konnte einen längeren Ausflug in jene Zeit nicht unterdrücken. Spontan fiel ihr wieder Rilkes Liebes-Lied ein, leise zitierte sie die erste Zeile –fast wie ein kleiner Hilferuf ihres Herzens – ins Kopfkissen:

       Wie soll ich meine Seele halten, dass sie nicht an deine rührt?

      Am nächsten Morgen saß sie am Frühstückstisch und noch immer schwebten die Träume der Nacht, eingehüllt in den bittersüßen Duft der Erinnerung, über ihr. „Es ist schrecklich, fast ein wenig ungerecht wie schnell die Zeit vergeht“, sagte sie zu Frida, die ihr gegenübersaß und routinemäßig in der Tageszeitung blätterte. Kurz lugte sie hinter der Zeitung hervor, setzte zum Sprechen an, doch dann schienen ihr die Worte zu fehlen und es blieb nur bei einem verlegenen Lächeln. Beschämt vertiefte sie sich wieder in die Tagesthemen – augenscheinlich jedenfalls, denn Charlotte bemerkte, dass sie keine Brille trug. Doch bevor sie sich weiter mit Fridas Gesundheitszustand befassen konnte läutete es an der Wohnungstür.

      Lilo öffnete die Tür und sagte mit übertriebener Höflichkeit: „Guten Morgen Herr Grafenberg. Welch‘ angenehmer Besuch und sooo früh!“

      „Guten Morgen, Lilo. Lilo wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, dass sie nicht darüber zu urteilen haben, wann ich komme oder gehe – das steht Ihnen nicht zu!“

      „Jawohl, Herr Grafenberg“, hörte sie Lilo sagen, die sich im Grund einen Deut darum scherte, was Ludger Grafenberg zu ihr sagte oder er anordnete.

      „Einen wunderschönen guten Morgen meine Damen! Ach, ist das nicht ein herrlicher Morgen“, schwärmte er euphorisch, klatschte dabei in die Hände und rieb sie genüsslich.

      „Guten Morgen“, sagte Frida, und ohne ihren Blick von der Zeitung abzuwenden streckte sie ihm ihre Hand zur Begrüßung entgegen.

      Wahrscheinlich war ihr wieder entfallen, dass er ihr Sohn ist.

      Ludger nahm ihre Hand, umschloss sie fürsorglich und sagte: „Guten Morgen Mutter. Hattest du eine ruhige Nacht?“

      Frida verzog keine Miene, stattdessen entzog sie ihm abrupt ihre Hand.

      Er erwartete auch keine Antwort von ihr, sondern wandte sich sogleich Charlotte zu. Er küsste sie links und rechts auf die Wange, schenkte ihre einen langen und schmachtenden Blick und sagte schließlich: „Ganz bezaubernd siehst du heute wieder aus … ja, ganz bezaubernd.“

      „Danke Ludger“, dabei fand sie seinen aufgesetzten Schmus heute besonders unangenehm, und gerade seit Gustavs Tod, waren seine Bemühungen um sie nicht mehr zu überhören. „Was führt dich so früh am Morgen her?“, fragte sie sachlich, um ihm keinen Nährboden für weitere Avancen zu bieten.

      Was er natürlich bemerkte. Leicht pikiert über ihre Reserviertheit antwortete er kühl: „Wir müssen reden! Außerdem benötige ich noch dringend einige Unterlagen für die Steuererklärung …“

      „… ja, ja! Nun setz dich erst einmal“ unterbrach sie ihn „trink‘ in aller Ruhe einen Kaffee mit uns, danach können wir immer noch über das Geschäftliche reden.“

      „Meine liebe Charlotte“, sagte er wichtigtuerisch überspitzt, „die Angelegenheit ist äußerst dringlich. Die Verlängerungsfrist läuft nächste Woche ab“, echauffierte er sich künstlich „und das Finanzamt, meine Liebe, versteht keinen Spaß …“

      „… gleich nach dem Frühstück gehen wir in Gustavs Büro“, unterbrach sie ihn erneut, „da kannst du dir die entsprechenden Unterlagen raussuchen.“

      Lilo war zwischenzeitlich mit einem Kaffeegedeck gekommen. „Für Sie, Herr Grafenberg“, sagte sie und stellte das Gedeck so unsanft auf den Tisch, dass es kurz aufschepperte – woraufhin sie auch gleich einen strafenden Blick von ihm erntete. „Kaffee steht da“, fügte sie knapp an, dabei verwies sie mit der Hand auf die Kaffeekanne, warf den Kopf zur Seite und machte sich geschwind wieder in die Küche.

      Charlotte konnte gerade noch einen Lacher unterdrücken, griff sogleich nach ihrem großen Milchkaffee und schlürfte, wohlwissend ihre Häme gut dahinter versteckt, genüsslich an dem Heißgetränk.

      Kopfschüttelnd kommentiere Ludger ihr Verhalten: „Also ich finde diese Lilo ist eine unverschämte Person. Wenn ich dir einen guten Rat geben darf, so solltest du dich von ihr trennen. Wenn es dir Recht ist, ich meine … ich will mich ja nicht aufdrängen“, sagte er sich einschmeichelnd, „so kann ich gerne für einen adäquaten Ersatz sorgen.“

      „So, findest du!“ Wieder so ein gutgemeinter Ratschlag, dachte sie leicht genervt und setzte die Tasse, gemäß ihrem Empfinden, abrupt auf.

      „Ja, meine Liebe, du bist jetzt …“ er lachte kurz auf, „wie soll ich’s formulieren …“, fürsorglich tätschelte er ihre Hand, „so ganz ohne männlichen Schutz, und solche Individuen, wie diese, diese Lilo“, sagte er abwertend, „sind bekannt dafür, dass sie ihre Grenzen überschreiten. Gerade aus meinem Berufsalltag könnte ich dir so einige Geschichten erzählen und die, die nahmen kein gutes Ende.“

      „Lieber Ludger, was würde ich nur tun, wenn ich dich nicht hätte“, spöttelte Charlotte wobei sie ihm ihre Hand entzog.

      „…dann würde es uns richtig gutgehen“, ergänzte Frida laut. Sie reckte ihren Kopf hinter der Zeitung empor, sah sich suchend um und rief: „Lilo, wo ist mein Sohn?“

      Lilo kam herbeigeilt, „Frau Frida, was ist denn los?“

      „Haben Sie meinen Sohn gesehen? Wo ist er?“

      „Ihr Sohn? Aber da ist doch ihr Sohn!“

      Alle sahen zu Ludger.

      Doch Frida schüttelte energisch den Kopf, „nein das ist nicht mein Sohn … das ist nur der Besuch und der, der möchte gehen!“ Mit Nachdruck legte sie die Tageszeitung auf den Tisch, schenkte Ludger noch einen strafenden Blick und trippelte anschießend davon.

      „Aber Mutter … ich bin doch auch dein Sohn!“, echauffierte er sich. „Ich bin doch Ludger! Ja kennst du mich denn nicht mehr?“ Sichtlich enttäuscht, dass seine eigene Mutter ihn nicht mehr erkennen konnte wurde er blass um die Nase.

      Mittlerweile war Lilo auf Frida zu gekommen um sie zu beruhigen: „Alles ist gut Frau Frida wir werden gleich einen Spaziergang zum Friedhof machen, und bei der Gelegenheit besuchen wir Ihren Sohn“, ergänzte sie hämisch grinsend. Während sie sich bei der alten Dame unterhakte sagte sie schnippisch: „und der Besuch geht wann er will! Nicht wahr Herr Grafenberg“, anschließend warf sie triumphierend den Kopf in den Nacken.

      „Eine äußerst impertinente Person“, knurrte Ludger in den Bart, „aber so was von …“ wobei die Blässe in


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