BonJour Liebes Leben .... Rose Hardt
ich alleine bin.“
Charlotte tat so, als würde sie das noch überraschen und ließ sich auf den Gartenstuhl fallen. „Und ich dachte das wäre mal ein potenzieller Heiratskandidat!“
„Heiratskandidat, das ich nicht lache“, antwortete sie und hatte nun sichtlich Mühe ihre aufgestauten Emotionen unter Kontrolle zu halten.
„Komm, erzähl schon. Ich bin ganz Ohr“, forderte Charlotte die Unglückliche auf.
Während Doro das Champagnerglas sinnierend in ihrer Hand drehte, sprachen Gesichtsmimik und Körperhaltung schon Bände. Ihre eh schon markanten Konturen verhärteten sich; das blaue Blut der Adelsdynastie strammte ihren Körper aufrecht. Wie eine unnahbare Göttin saß sie plötzlich da. Wieder einmal hatte sie ihr berühmt-berüchtigtes Panzerkorsett strammgezogen, danach konnte sie nichts und niemand mehr verletzen! –Naja, augenscheinlich jedenfalls.
Als sie sich wieder vollkommen unter Kontrolle hatte erhob sie das Glas, beobachtete die aufsteigenden Champagnerperlen und sagte mit kontrolliert ruhiger Stimme: „Nun, eines Tages rief mich Diether an und sagte, dass er dringend mit mir reden müsse. Er hätte eine wichtige Frage … war ja wohl klar welche. Jedenfalls stand er am nächsten Abend mit feierlichem Gesicht und einem Strauß Rosen vor meiner Tür …“ Kurz stoppte sie um sich nun selbst zur Contenance zu zwingen, „wie du dir sicherlich vorstellen kannst, hatte ich mir gedanklich schon ein Traumgebilde aufgebaut. Ich sah mich bereits als strahlende Braut ihm entgegengehen, alle meine Immobilienobjekte hatte ich bereits nach einem gemeinsamen Nest durchstöbert …“, kopfschüttelnd, mit einem bitteren Lächeln fügte sie an, „doch was macht dieser Windhund …?“
„Was denn?“, fragte Charlotte ungeduldig.
„Naja, meine Hoffnung hatte er zwar erfüllt, doch seine Vorstellung von einer Ehe war mit meiner nicht kompatibel!“
„AHA …!“ Wieder einmal dachte sie.
Doro überhörte geflissentlich ihre Bemerkung und im nächsten Moment überzog ein Wechselspiel von Gefühlen ihr schönes Gesicht: zuerst war es eine Mischung aus Enttäuschung und Trauer, dann Abscheu und Ekel, doch dann verengten sich ihre Augen gefährlich zu einem Schlitz. Hinter ihrer hohen Stirn war es mächtig am Brodeln. Im Geiste schien sie ihre beliebte Wutpeitsche aufzunehmen, um nun auf alles, was männlich war, draufzuschlagen. Ja auch das war Doro!
„… er sagte“, fuhr sie schließlich zähneknirschend fort, „dass ich mein Single-Leben so weiterführen könne wie bisher. Er wäre ja ein moderner Mann, ein Befürworter der offenen Ehe – was auch immer er darunter versteht. Breitgrinsend fügte er noch an, dass mein Name von Sickingen“ und um ihren Worten mehr Nachdruck zu verleihen klopfte sie mit dem Zeigefinger mehrmals auf ihre Brust, „mein Name … tzzz … ich kann‘s immer noch nicht glauben, eine Zierde auf seiner Visitenkarte wäre! Kannst du dir das vorstellen?“, empörte sie sich lautstark. „Anschließend sprach dieser Mistkerl laut und deutlich seinen Vornamen inklusive meines Nachnamens Heinrich-Diether von Sickingen aus. Ich dachte jetzt, jetzt ist er völlig übergeschnappt … grrr dieser blasierte, aufgeblähte Gockel mit seinem übersteigerten Selbstbewusstsein, dieser Möchtegern-Von-Adel-Sein … grrr“, ihre überschüssige Wut trieb sie sogleich vom Stuhl hoch und im Laufschritt um den Tisch, wobei sie adelsunfeine Flüche in den Bart knurrte. So schnell wie sie aufgestanden war, saß sie auch wieder am Tisch und erzählte, das für sie Unfassbare, weiter: „nun und als krönenden Abschluss setzte er noch einen drauf. Lapidar meinte er, dass mein Name von Sickingen geradezu prädestiniert wäre um Werbung für seine Sportfilialen zu betreiben … Naja“, sagte sie achselzuckend, „mein Traumgebilde von Hochzeit und dem ganzen Gedöns ... bla, bla … brach dann lautlos in sich zusammen.“
Charlotte legte tröstend die Hand auf ihren Arm. „Das tut mir sehr, sehr leid für dich!“ – Nun, was sollte sie auch sonst sagen.
Beide erhoben gleichzeitig ihre Gläser, nahmen einen kräftigen Schluck und spülten Diethers Unverfrorenheit mit einem Ruck herunter.
Erst nach einer ganzen Weile stieß Doro einen kleinen Seufzer des Bedauerns hervor und sagte: „Wo er doch ein so guter Liebhaber ist!“
Charlotte musste bei dieser Aussage laut auflachen und meinte augenzwinkernd: „Na, dann würde ich ihn ganz nach deinem Motto als Liebhaber behalten und sofort danach hinaus katapultieren“, daraufhin erhob sie ihr Glas und prostete ihr aufmunternd zu.
Entrüstung stand in Doros Gesicht. „Was hast du heute eingenommen? Diese lockeren Sprüche kommen dir doch sonst nicht über die Lippen?“
Achselzuckend antwortete sie: „Nun, ich habe Gustav die Kündigung ausgesprochen, und jetzt“ seufzte sie erleichtert „jetzt, fühle ich mich zum ersten Mal befreit. Zum Wohlsein!“ Anschließend kippte sie das edle Getränk in ihre Kehle.
„Wie geht das denn?“, wunderte sich Doro, „er ist doch tot!“
„Stimmt! Aber ich hatte mich noch nicht von ihm verabschiedet, im Geiste hielt ich ihn noch immer fest. Doch jetzt ist es vorbei. Er ist endlich über die Brücke ins Jenseits gezogen!“
Kopfschüttelnd, mit ungläubigem Blick entgegnete Doro: „Was du wieder redest! Gib‘s zu … du hast doch etwas eingeworfen.“
„Nein“, lächelte sie. „Die Erkenntnis ist mir gestern am späten Nachmittag auf dem Friedhof gekommen. Ausschlaggebend war eine alte Frau. Seit Gustavs Beerdigung beobachte ich sie und als ich ihr so nachsehe, wie sie, von der Last des Lebens niedergedrückt, zum Grab ihres Mannes geht, sehe ich mich, Jahre später, selbst in dieser Frau, und ganz plötzlich hat es bei mir klick gemacht!“
„Na, besser spät als nie!“ antwortete Doro wie aus der Pistole geschossen. „Sei froh, dass dieser Ehebrecher, dieser Dauerfremdgeher, der noch nicht einmal vor … ich meine, dass er endlich über die Brücke ist und dich dein Leben, leben lässt“, korrigierte sie noch schnell ihre Wortwahl – und beinahe hätte sie ihre beste Freundin auf eine Fährte gesetzt die fatale Folgen gehabt hätte.
Nach einem kurzen Nachsinnieren, fragte Charlotte schließlich: „Wie? Was soll das heißen? der noch nicht einmal vor … was willst du damit andeuten? Weißt du etwas, was ich nicht weiß … oder vielleicht wissen sollte?“
Verlegen wandte Doro ihren Blick hinaus zum Garten: „Du heiliges Kanonenrohr“, lenkte sie geschickt vom Thema ab, „was ist denn mit dem Buchsbaum passiert? Welcher Banause hat den so verstümmelt?“ Im nächsten Moment stand sie auf und ging über die Terrasse zu dem traurig aussehenden Gewächs hin.
Charlotte ließ vom Thema ab und folgte ihr. „Das? … Das war die Vertretung unseres alten Gärtners, er hatte wohl seine Schere nicht richtig im Griff. Tja auch die arme Frida war ganz entsetzt über die stümperhafte Arbeit“, seufzte sie. „Ich muss ihn anrufen, dass er den Buchsbaum wieder in seine ursprüngliche Form bringt.“
„Apropos, wie geht es Frida?“, fragte Doro mit besorgter Miene, „ich hab‘ sie seit Gustavs Beerdigung nicht mehr gesehen.“
„Die arme Frida“, antwortete Charlotte kopfschüttelnd, „ihre Krankheit wird von Tag zu Tag schlimmer. Einfach unvorstellbar! Noch vor einigen Wochen war sie mit dem Auto unterwegs, und eines Tages, ja, da fand sie den Weg nicht mehr zurück. Sie muss Stunden orientierungslos umhergefahren sein. Schließlich hatte sie ein Passant weinend im Wagen vorgefunden, die Polizei alarmiert und die, die hatte sie dann nach Hause gebracht. Nicht auszumalen was alles hätte passieren können.“
„Meine Güte“, sagte Doro zutiefst gerührt, „das ist ganz schön brutal.“
„Und wie! Es ist, als ob eine Gehirnkammer nach der anderen sich schließt. Ihre geistige Klarheit, auch ihre Sprache haben … hm … wie soll ich’s formulieren? … sie haben Löcher bekommen. Ja, so könnte man es ausdrücken.“ Nachdenklich fügte sie bitterlächelnd an, „doch dann gibt es noch diese hilflose, ja unschuldige Seite an ihr, eine Seite die man nicht übersehen kann. Verstehst du was ich meine?“
Mit zusammengezogenen