Verlorenend. S. G. Felix
ein.«
»73. Phlogiston.
Heute habe ich meine Tochter Telscha besucht. Sie schreibt in einer Dichtergilde gerade an einem Buch über die heilende Wirkung von Pflanzen. Ich habe, als sie mir das erste Mal darüber erzählt hat, nicht daran geglaubt, dass Pflanzen wirklich irgendwelche heilende Wirkung haben könnten. Aber im Laufe der Zeit hat sie mir das Gegenteil bewiesen. Es fällt mir wohl noch immer schwer zu akzeptieren, dass sie mittlerweile erwachsen ist und ihren eigenen Weg geht. Sie ist so klug und arbeitet mit solch einer Leidenschaft.
Ich bin sehr stolz auf sie.
Ich habe ihr von dem Avionium erzählt und in welchem Dilemma ich jetzt stecke. Sie wollte mich aufheitern und sagte: ‚Wusstest du übrigens, Vater, dass vor bis etwa sechshundert Jahren die Ahnenländer jedermann zugänglich waren? Zumindest besagen dies die wenigen Alten Schriften, die aus dieser Zeit noch übrig sind. Wenn du zurück in die Vergangenheit reisen könntest, würdest du die Ahnenländer betreten können.'
Es war nicht ernst gemeint, aber ich nahm den Vorschlag ernst. Soweit ich weiß, sind Zeitreisen gar nicht möglich, aber dennoch: Es ist ein verlockender Gedanke. Ich werde gleich morgen die Bibliothek aufsuchen, um mehr über Zeitreisen zu erfahren. Mag sein, dass ich verrückt bin. Aber ich weiß ganz genau, dass ich keine Nacht mehr ruhig schlafen kann, wenn ich der Sache nicht weiter nachgehe, egal wie irrsinnig sie auch erscheinen mag.«
»88. Phlogiston.
Tage und Nächte habe ich nun Bücher gewälzt und wenige, aber aufschlussreiche Dinge erfahren:
Verschiedenen alten Legenden zufolge existierten vor mehreren hundert Jahren so genannte Dunkle Tore. Zwei Stück soll es gegeben haben. Über ihre Entstehung ist angeblich nichts bekannt. Jedenfalls nichts, das auf glaubwürdigen Fakten beruht.
Es war auch die Rede von einem Dämon, der sich hinter den Toren verbergen sollte. Ich habe keine Ahnung, was das zu bedeuten hat.
Die beiden Tore schienen tatsächlich Zeitreisen ermöglichen zu können. Und dies war die Ursache für etliche, kleinere Kriege, die unsere Vorfahren führten, weil es immer jemanden gab, der die Macht dieser Bauten missbrauchen wollte. Man entschied sich, die Tore zu verstecken, um weitere Konflikte zu vermeiden.
Sie ließen sich nur mit einem Schlüsselstein aktivieren. Auch dieser Stein wurde zusammen mit einem Buch, dem ‚Flüsternden Buch’, welches das Geheimnis der Tore enthalten soll, versteckt. Eines der beiden Tore, das Buch und der Stein gelten als verschollen. Nicht jedoch das zweite Tor. Dieses Tor soll immer noch existieren. Es gibt jedoch keinen Hinweis, wo.
Das ist alles äußert faszinierend, aber wenn ich weder weiß, wo das Zeittor ist, noch ob dieser Schlüsselstein überhaupt noch existiert, kann ich die Idee mit der Zeitreise wohl wieder vergessen.
Du meine Güte! Ich bin Wissenschaftler! Habe ich wirklich an diesen Unsinn geglaubt?
Ich denke, ich habe nur viel Zeit mit diesem Zeitreisemärchen verschwendet.«
»16. Aquanius.
Ich kann es kaum glauben!
Natürlich habe ich nicht sofort aufgegeben und habe weiter recherchiert. Dabei bin ich auf wichtige Merkmale des ominösen Schlüsselsteins gestoßen, und wenn mich nicht alles täuscht, dann halte ich den Schlüsselstein bereits in meinen Händen. Das Avionium! Alles deutet darauf hin, dass er es ist. Er wurde in den Texten als magisch und beeinflussend beschrieben. Seine Form soll der einer Pyramide ähnlich sehen, und er soll blau schimmern. Und genau das macht er auch. Und er kann die Schwerkraft beeinflussen!
Die Sache wird langsam richtig aufregend. Kann es denn sein, dass mir ein solches Glück widerfahren ist, dass ich nicht nur auf das Avionium gestoßen bin, sondern auch damit auf den Schlüsselstein, der schon seit Generationen als verschollen galt? Auf welch ein Abenteuer bin ich hier nur gestoßen?«
»28. Aquanius.
Ich bin so erschöpft! Ich habe jedes Buch, jede Seite, jeden Schnipsel durchgesehen, um etwas über den Aufenthaltsort des Zeittores herauszufinden. Vergebens.
Es ist so deprimierend. Ich bin vielleicht auf das größte Mysterium dieser Zeit gestoßen und komme einfach nicht weiter. Ich will aber noch nicht aufgeben. Ich will nicht!«
»56. Aquanius.
Ich habe alles versucht und bin am Ende meiner Ideen und Kräfte. Mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als aufzugeben. Ich werde mich in der nächsten Zeit wieder meinen Glühwürmchen widmen. Sie waren bisher immer das Einzige, was mich zum Lächeln gebracht hat.«
»3. Terranus.
Ich hatte heute Nacht einen Traum. Einen Alptraum. Es war sehr merkwürdig. Er war so real.
Ich stand an einem Abgrund, an der Schlucht, die an die Ahnenländer grenzt. Ich schaute hinunter in die Tiefe. Plötzlich ertönte hinter mir eine Stimme, die sagte, ich solle nach Süden gehen. Immer wieder wiederholte sie: ‚Gehe nach Süden!’
Im Traum wollte ich antworten. Ich wollte sagen, dass ich nicht nach Süden gehen will. Ich habe Angst davor, ohne zu wissen, warum, doch ich konnte nicht sprechen.
‚Gehe nach Süden!’, befahl mir die Stimme, doch ich konnte nicht antworten. Ich hatte unerklärliche Angst davor. Ich versuchte zu schreien, aber ich blieb stumm.
‚Gehe nach Süden!’, schrie die Stimme. Ich geriet in Panik. Ich war unfähig zu antworten. Und dann, dann sprang ich. Ich sprang in die Tiefe. Ich hatte solche Angst davor, dem Befehl der Stimme zu folgen, dass ich mich lieber in die Tiefe stürzte.
Schweißgebadet wachte ich auf. Was war das nur für ein schrecklicher Traum? Nein, es war mehr als das. Was hatte das zu bedeuten? Hoffentlich träume ich ihn heute Nacht nicht wieder.«
Als Antilius der brüchigen Stimme von Brelius zuhörte, die vom dritten Terranus dieses Jahres stammte, lief ihm langsam ein eiskalter Schauer über den Rücken. Die Schlucht. Es war dieselbe Schlucht, von der auch Antilius vorletzte Nacht geträumt hatte. Er war sich dessen absolut sicher, auch wenn Brelius die Schlucht aus seinem Traum nicht näher beschrieben hatte. Und die Stimme. Die Stimme, die Brelius befohlen hatte, nach Süden zu gehen. War es dieselbe, die Antilius ermahnte umzukehren?
»Es ist dieselbe Stimme«, flüsterte Antilius so leise, dass Pais und Gilbert es nicht hören konnten.
Mit zugeschnürter Kehle hörte er sich den Rest des Tagebuchs an, das im Kristall aufbewahrt war.
»6. Terranus.
Ich zittere am ganzen Leib! Vier Nächte hintereinander derselbe Alptraum. Das kann kein Zufall sein. Was geschieht nur mit mir? Werde ich jetzt verrückt?
Ich fürchte mich.
Ich wollte es mir zwar bis jetzt nicht eingestehen. Aber sollte dieser Traum vielleicht ein Hinweis darauf sein, wo ich das Tor finden könnte? Im Süden von Truchten? Oder verliere ich einfach nur meinen Verstand?«
»10.Terranus.
Ich schlafe kaum noch. Und wenn ich einen Moment einnicke, dann beginnt der gleiche Alptraum, wieder und wieder. Und immer mehr verspüre ich den Drang, mein Heim zu verlassen und zu gehen. Nach Süden zu