Verlorenend. S. G. Felix

Verlorenend - S. G. Felix


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der Verwirrung entschloss sich Antilius, dem Bärtigen zu folgen.

      Schon kurz bevor er sich der Hinterseite der einfachen Hütte näherte, hörte er Pais in einer für ihn lächerlichen Art und Weise sprechen. »Hab ich euch ganz vergessen? Hattet ihr auch keine Angst? Jetzt bin ich ja für euch da. Jetzt braucht ihr keine Angst mehr zu haben.«

      Ein sonderlicher Anblick bot sich Antilius und Gilbert. Pais saß im Schneidersitz auf der Erde und liebkoste mit seinen Händen zwei etwa hühnereigroße Käfer, die selbst bei der mittlerweile herabscheinenden Abendsonne noch ein fluoreszierendes gelb-grünes Licht von sich gaben.

      »Ach, was für ein göttliches Bild! Der alte Pais wieder vereint mit seinen Liebsten. Seinen Würmern«, spottete Gilbert. Er konnte es nicht lassen.

      »Es sind keine Würmer, sondern Käfer!«, grunzte der Beleidigte zurück, ohne die Streicheleinheiten für die kleinen stummen Tierchen zu unterbrechen.

      »Ach, und warum heißen sie dann Glühwürmer?«

      »Lies es doch nach, du hohle Birne!«

      Gilbert wollte zum verbalen Gegenschlag ausholen, wurde jedoch von Antilius daran gehindert, indem er den Spiegel kopfüber drehte und in seiner Hosentasche verschwinden ließ.

      »He!«, beschwerte sich Gilbert und verstummte daraufhin beleidigt.

      »Tu uns bitte einen Gefallen und wirf diesen verfluchten Spiegel in den Fluss. Erlöse uns von diesem Quälgeist«, stöhnte Pais genervt.

      »Du wirst dich daran gewöhnen müssen«, erwiderte Antilius.

      Pais hörte schon gar nicht mehr zu, sonst wäre er wohl gleich wieder in Rage geraten. Stattdessen widmete er sich wieder den Riesen-Glühwürmern. »Ich habe fast vergessen, wie schön sie sind!«, schnurrte er verträumt.

      »Ich dachte, du und Brelius, ihr habt gemeinsam diese Zucht betrieben?«

      »Ja, aber kurz bevor er seine erste Tagebuchaufzeichnung machte, hatten wir einen kleinen Disput. Ich habe eine Reise gemacht, und so haben wir uns irgendwie aus den Augen verloren. Wäre ich nicht so dumm gewesen und gekränkt von dannen gezogen, dann hätte ich ihn vielleicht wieder zur Vernunft bringen können.«

      Antilius sog die kühle, trockene Abendluft ein.

      »Das ist jetzt nicht mehr rückgängig zu machen. Ich möchte, wenn es möglich ist, noch heute mit der Tochter dieses Mannes sprechen.«

      »Ich würde gern noch einen Moment hier bleiben, wenn es dir nichts ausmacht. Sie wohnt in der Dichtergilde, gleich drei Häuser hinter der Taverne, in der wir uns heute Mittag getroffen haben.« Pais wirkte auf einmal so ungewöhnlich sanft. Diese Tiere mussten ihm wirklich viel bedeuten.

      »Also gut. Ich werde allein gehen. Wir treffen uns dann wieder hier. Einverstanden?«

      »Gut. Aber ...«

      »Was?«

      »Vergewissere dich, dass du den Spiegel nicht vergisst.«

      Antilius verließ ihn und schritt entschlossen dem Meer der kleinen Häuser und der dahinter untergehenden blutroten Abendsonne entgegen.

      Er war sich absolut sicher, dass Brelius und er von demselben Mann in ihren Träumen heimgesucht wurden. Er glaubte an das, was Brelius in seinem Tagebuch berichtet hatte. Das Zeittor existierte wirklich und stellte eine Bedrohung für Thalantia dar.

      Etwas Unheimliches braute sich hier zusammen.

      Vergangenheit und Zukunft

      Während Antilius Gilberts Richtungsanweisungen folgte - den Spiegel hatte er mittlerweile in seine Brusttasche verlegt - und durch die zahllosen verwinkelten Gassen von Fara-Tindu wanderte, war er mit seinen Gedanken weit weg von diesem Ort. Er war bei sich zu Hause, als er noch ein Kind war. Wo immer dies auch gewesen sein mochte, er konnte sich nicht erinnern. Nur einzelne Bruchstücke seiner Kindheit waren noch in seinem Gedächtnis.

      Das Fischen hatte ihm besondere Freude bereitet. Er hatte noch ein Bild vor Augen, wie er als kleiner Junge manchmal den ganzen Tag damit zugebracht hatte. Es war auch heute noch für ihn nahezu die einzige Möglichkeit, sich richtig zu entspannen.

      Nicht ganz die einzige. Die Sterne. Schon seit seiner Kindheit war er von ihnen fasziniert. Unzählige Nächte hatte er sich als kleiner Junge nach draußen ins Freie geschlichen, hatte sich auf die Wiese vor seinem Zimmer gelegt und in den endlosen schwarzen Nachthimmel mit seinen vielen kleinen Kristallpunkten geschaut, die zu ihm hinunter gestrahlt hatten. Er war, sogar wenn er heute noch als Erwachsener dieses Ritual durchführte, in der Lage, sein Zeitgefühl völlig zu verlieren. Wie paralysiert lag er stundenlang auf seinem Rücken, unter sich die kühle feuchte Erde. Der Gedanke, dass sich dort oben in diesem beängstigenden und zugleich faszinierenden Nichts noch andere Welten um eine Sonne drehten, die vielleicht fast genauso aussahen wie diese hier, ließ ihn wohlig schaudern.

      Er versuchte, diese Gedanken, die ihn von seiner Aufgabe ablenkten, beiseite zu drängen und wieder einen klaren Gedanken zu fassen.

      Leider mit wenig Erfolg.

      Gilbert lästerte die ganze Zeit über Pais: Wie »dämlich« er doch sei, und seine unverständlich naive Einstellung zu diesen »Würmern«. Jemand, der mit Würmern spiele, sei doch nicht mehr ganz richtig im Kopf. Er sei völlig »beknackt«.

      Antilius nahm davon jedoch nur Bruchstücke auf.

      »Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?«, fragte Gilbert irgendwann.

      »Was? Ja klar. Du kannst Pais nicht leiden. Das habe ich bereits mitbekommen. Vielleicht solltet ihr euch beide einmal richtig aussprechen.«

      »Das ist sinnlos! Außerdem hasse ich ihn nicht. Eigentlich kann ich ihn sogar sehr gut leiden, und ich schwöre dir, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Er will es nur nicht zugeben, und das macht mich wütend.« Gilbert kniff die Augen zusammen.

      »Aber es könnte doch sein, dass er dich wirklich nicht leiden kann.«

      »Pah! Nach allem, was ich für ihn getan habe?«

      »So? Was denn?«

      »STOP! Hier musst du reingehen!«

      Gilbert hatte Glück, dass sein Meister direkt auf die Dichtergilde zuging. So musste er nicht weitere unangenehme Details seiner Vergangenheit preisgeben. Antilius drehte seinen Kopf zur Seite, und sein Blick fiel auf eine hölzerne Schrifttafel, die über einer kleinen Tür an einer Hauswand hing. Das Haus war in einem erbärmlichen Zustand. In einem Fenster fehlten die Glasscheiben. Die Veranda war an mehreren Stellen eingebrochen.

      Etwas war einmal auf diese Tafel geschrieben worden, doch Antilius konnte es nicht mehr lesen.

      »Hier lebt sie also?«, fragte er ungläubig.

      »Es sieht so aus.«

      »Ist sie etwa ein Mitglied so einer dubiosen Sekte?«

      »Es ist die Dichtergilde, die so etwas Ähnliches ist wie eine Denkfabrik. So weit ich weiß, ist es eine von vier auf ganz Thalantia.«

      »Was wird hier genau gemacht?«

      »Nun ja, sie produziert Gedanken. Genauer gesagt, ist es ein Zusammenschluss von Schriftstellern, Wissenschaftlern und Dichtern. Sie haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die kreativsten und absonderlichsten Geschichten auszudenken, als auch neue Dinge zu erforschen und auf Papier zu bringen. Hier wird alles Mögliche geschrieben. Wer in dieses Haus eintreten will, muss all jenes draußen lassen, was ihre Kreativität stören könnte. Streit, Neid, Wut oder Hass sind in diesen vier Wänden absolut tabu«, erklärte Gilbert.

      »Na, dann sollte ich dich nicht mit hineinnehmen«, sagte Antilius trocken.

      »Aber Meister, ich verspreche, dass …«

      »Beruhige dich. Das war nur ein kleiner Scherz.«

      »Ich hätte fast gelacht«, grummelte Gilbert. Er


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