Verlorenend. S. G. Felix

Verlorenend - S. G. Felix


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meinen Kopf und drängt mich, nach Süden zu gehen. Ich bin schon zu einem Heiler gegangen. Dieser Taugenichts meinte nur höhnisch, dass ich überarbeitet sei. Ha! Ich bin nicht verrückt! Nein, ich bin nicht verrückt.«

       »11. Terranus.

       Ich halte es nicht mehr aus! Es ist, als ob tausend heiße Nadeln im meinem Kopf sind. Deswegen habe ich einen Entschluss gefasst: Ich werde reisen. Ich gehe nach Süden. Ich habe keine Ahnung, was mein Ziel sein soll, aber ich fühle, dass ich es tun muss, sonst werde ich endgültig wahnsinnig. Ich muss nur noch eine Sache erledigen, dann breche ich auf.«

       »Datum unbekannt. Früher Abend.

       Wie lange bin ich jetzt schon unterwegs? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht einmal mehr genau, wo ich bin. Ich habe das Gefühl, dass ich ständig beobachtet werde. Seit meine Reise begonnen hat, haben die Träume wenigstens aufgehört. Aber der Drang weiterzugehen, nach Süden zu gehen, wird immer stärker. Irgendetwas treibt mich.Und irgendjemand lenkt mich. Manchmal höre ich tagsüber eine Stimme in meinem Kopf, die mir sagt, ich solle mich beeilen. Sie peitscht mich vorwärts. Es ist schrecklich. Ich bin nicht mehr ich selbst. Ich habe keine Kontrolle mehr über mich. Meine Gedanken schwirren unkontrolliert in meinem schmerzenden Kopf herum. Manchmal habe ich Blackouts, die sich über viele Stunden erstrecken. Ich wandere zu einem Ziel, das ich nicht kenne.

       Die fremde Stimme beherrscht und verhöhnt mich.

       Ich bin eine Marionette.

       Ich bin verflucht.«

       »36. Terranus.

       Ich weiß nicht, wieso, aber ich glaube, dass ich mein Ziel erreicht habe. Ich bin in einer Stadt, die von hünenhaften Wesen bewohnt gewesen sein muss. Ich weiß zwar, dass ich noch nie hier gewesen bin, und dass ich noch niemals von diesem Ort gehört habe, aber ich scheine mich hier auszukennen. Es ist nicht mehr weit, sagt mir die fremde Stimme. Ich bin fast da. Was wird mich erwarten? Wieso kann ich mich nicht wehren? Ich bin schwach.

       Ich stehe jetzt davor. Träume ich? Nein, es ruht direkt vor mir und flößt mir Angst ein. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie ich in dieses unterirdische Verlies gekommen bin. Ich habe aber das Gefühl, dass ich fast ertrunken wäre. Wahrscheinlich will die fremde Stimme nicht, dass ich mich erinnere, wie ich hierher gekommen bin. Das erklärt die vielen Blackouts, die ich in den letzten Tagen hatte.

      Es ist das Zeittor. Ich stehe davor, in einer unterirdischen Kammer. Es ist ganz warm. Es zieht mich an. Es will, dass ich es benutze. Jahrhundertelang harrte es hier im Dunkeln aus und hat nur darauf gewartet, dass es jemand findet. Dass ich es finde. Ich versuche, mich zu wehren. Ich möchte fliehen, aber die fremde Stimme in meinem Kopf ist stärker als ich.

       Es frisst mich auf. Ich werde es mit dem Avionium aktivieren, das ich die ganze Zeit bei mir trage und hindurch gehen. Ob ich will oder nicht, ich kann nichts dagegen unternehmen. Die Stimme wird mir sagen, was ich tun muss. Sie befiehlt über mich.

       Noch vor kurzem war es mein größter Wunsch, es zu finden. Ich hätte mich vor Freude überschlagen. Doch jetzt möchte ich diesen Ort am liebsten verlassen. Ein jahrhundertealtes Verbot soll ich brechen. Irgendetwas, das mächtiger ist als ich selbst, befiehlt mir, es zu benutzen. Ich bin das Opfer eines niederträchtigen Spiels.

      Ich werde gezwungen, durch das Zeittor zu gehen. Ich weiß, dass es falsch ist. Ich ahne, dass ich großes Unheil heraufbeschwören werde, wenn ich das Zeittor benutze. Und trotzdem muss ich es tun. Ich kann mich nicht wehren. Denn, wenn ich es nicht mache, verliere ich unwiederbringlich meinen Verstand.

       Mögen mir die Ahnen vergeben.«

       »38. Terranus.

       Wie ein böser Traum sind mir die letzten Tage in Erinnerung. Ich bin jetzt wieder daheim. Erschöpft und ausgelaugt.

       Ich erinnere mich nur noch daran, wie ich durch das Tor schritt. Dann verlor ich das Bewusstsein.

       Schließlich fand ich mich hier wieder. In meinem Zuhause. Ich habe meinen Mondchronometer geprüft und festgestellt, dass zwischen meinem Eintritt in das Zeittor und meinem Erwachen nur zwei Tage vergangen sind. Unmöglich, dass ich die ganze Strecke zurück zu Fuß gegangen bin.

       Was nach meinem Eintritt in das Zeittor geschehen ist, kann ich nur vermuten. Die Tatsache, dass ich den Weg von dem Ort, an dem ich das Zeittor auffand, und meinem Zuhause in nur zwei Tagen zurücklegte, kann ich mir nicht erklären.

       Wenn ich mich doch nur entsinnen könnte!

       Ein Gutes hat die Sache jedenfalls. Dieses Gefühl, von einer fremden Macht beherrscht zu sein, ist verschwunden. Ebenso der Drang, irgendetwas tun zu müssen oder Dinge zu wissen, von denen ich zuvor nicht die leiseste Ahnung hatte.

       Seit ich wieder in meinen vertrauten vier Wänden sitze, fühle ich, wie sich die Anspannung löst. Alles scheint normal zu sein, so wie vorher, als wäre nichts geschehen. Eine trügerische Ruhe?

       Auf jeden Fall hoffe ich, dass meine Reise unbemerkt geblieben ist. Ich werde niemandem erzählen können, was mir widerfahren ist. Es würde mir ja ohnehin niemand glauben.

       Ich hoffe, der Spuk hat jetzt ein Ende. Und ich hoffe, dass ich keinen Schaden angerichtet habe.«

       »75. Terranus.

       Hat das denn nie ein Ende? Womit habe ich das nur verdient?

       Ich werde schon wieder von Alpträumen geplagt. Diesmal sind sie jedoch anders. Sie sind zwar auch bedrohlich, aber bei Weitem nicht so schrecklich wie die vorhergehenden. Außerdem sind sie unterschiedlich. Ich glaube, sie haben etwas mit den Dingen zu tun, die gerade geschehen sind, nachdem ich durch das Zeittor geschritten bin. Ich muss Dinge gesehen haben, die mein Kopf im Wachzustand verdrängt hat. Gesichter, Orte, Gespräche und Namen. Das alles sehe und höre ich in meinen Träumen, aber alles ist äußerst verschwommen. Jemand spricht auch in diesen Träumen zu mir, doch ist es nicht dieselbe Stimme wie früher. Es sind mehrere Stimmen, die gleichzeitig zu mir sprechen. Die Stimmen klingen so wie die meine.

       Es ist fast so, als ob jemand versucht, mir in meinen Träumen etwas mitzuteilen. Versucht, meine Erinnerung wiederzubeleben. Ich habe Dinge gesehen, die nicht für meine Augen bestimmt waren. Ich weiß nicht, was es zu bedeuten hat. Dass es nichts Gutes ist, fühle ich aber.«

       »77. Terranus.

       Die Träume gehen weiter. Immer mehr Information bekomme ich durch sie. Nur jedes Mal, wenn ich wieder aufwache, verblassen die Bilder, die ich gesehen habe. Eines ist aber sicher: Etwas Böses ist im Gange. Eine Verschwörung dunkler Mächte.

       Und dann sehe ich immer wieder eine Person, die mir unbekannt ist. Sie ist jedoch nicht Teil des Bösen. In meinen Träumen bekämpft sie es.

       Ich habe jetzt keine Angst mehr vor diesen Träumen. Ich muss herausfinden, was ich gesehen habe. Meine Träume sind der Schlüssel zur Wahrheit«.

      » 78. Terranus.

      Bei den Ahnen! Wenn es wahr ist, was ich in meinem letzten Traum gesehen habe, dann wird etwas Schreckliches passieren. Ich kann es mir noch nicht genau erklären, aber ich habe eine Vermutung. Es ist ein verwirrendes Spiel, das das Böse hier treibt. Es geht um Macht über ... wie soll ich es beschreiben? Macht über alles, über unser aller Leben, über den ganzen Planeten! Ich benötige vielleicht nur noch einen Traum, dann werde ich wissen, worum es hier geht. Wer für meine neuen


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