Palmer :Exit 259. Stephan Lake
Respekt.“
„Nur in der Theorie, Kollege, nur in der Theorie. Aber eines Tages ... vielleicht. Okay, Ortiz Mountains ist Tribal Land, du musst also aufpassen, dass keine betrunkenen Injuns auf der Straße liegen.“ Beide lachten. „Eine Stunde etwa und du kommst vor Benson Trail auf dem Highway raus. Highway Vierzehn. Rechts gehts dann zurück nach Cedar Crest und ABQ, aber du fährst links weiter nach Benson Trail, Cerrillos, dann Santa Fe. Wenn du also hier nicht warten willst und auch nicht zurück nach ABQ willst, dann ist das die einzige Möglichkeit. Langsamer als die Fünfundzwanzig, schon klar, aber du sparst fünfzig Meilen.“
„Ich komme vor Benson Trail auf den Highway?“
„Yes, Sir.“
„Und ich muss wenden? Auf der Interstate?“
„Ich fahr mit, Kollege. Überhaupt kein Problem.“
Der Cop nahm eine Dose aus der Box und hielt sie ihm hin. „Danke, Kumpel, hast was gut.“
Der Patrolman grinste und nahm die Dose und hob sie zum Toast. „To Protect and to Serve, Sir.“
Sie erreichten Exit 259 und der Cop winkte und fuhr ab.
Hinein in die Ortiz Mountains, die so dunkel waren, wie er sich sein Leben nach dem Tod vorstellte.
3
Zehn Minuten in der Finsternis wackelte der Lichtkegel seines Camaro über zwei Straßenschilder: Ortiz Apache Reservation. Und darunter: Dirt Road Next 26 Miles.
Ah, no way.
Sechsundzwanzig Meilen Staub und Geröll, bei Dunkelheit, auf dieser verdammten Buckelpiste in diesen verdammten Bergen und mit seinem Camaro, der für all das so geeignet war wie ein Powerlifter fürs Ballett. Eine Stunde bis Benson Trail? Du sparst fünfzig Meilen? Sehr lustig, Patrolman. Zwei Stunden würde er zu spät kommen, mindestens. Mit viel Glück würden sie ihm kein weiteres Loch in den Schädel schießen. Und Rose konnte er jetzt auch vergessen.
Damn.
Er schaltete zurück und trank einen großen Schluck und warf die Dose aus dem Fenster und kniff die Augen und blinzelte.
Kaum zu erkennen, wo der verdammte Weg aufhörte und die beschissene Landschaft begann.
Die nächsten Meilen ein Auf und Ab, um scharfe Kurven, an Schluchten vorbei so dunkel mit Pinienwald, dass er nicht sehen konnte, ob sie zwanzig oder zweihundert Yards tief waren und auf der anderen Seite neben ihm schroffer Felsen. Zwei Mal liefen Coyoten direkt vor ihm über die Straße, und beide schienen zu lachen mit ihren heraushängenden Zungen und glänzenden Augen; ein Mal rutschte der Camaro und schlingerte, aber kein Problem, er hatte nur ein paar Dosen getrunken und vorher vom Club mit seinem Nachbarn und dem anderen, den er nicht gekannt hatte, Roger, Russell oder so ähnlich, oder Ryan?
Er konnte nicht noch langsamer fahren, sonst käme er nie an.
Acht Meilen später sah es aus, als hätte er das Schlimmste überstanden. Die Schlucht wurde breiter, der Wald lichter, zum ersten Mal seit einer halben Stunde konnte er wieder die Sterne sehen. Der runde Mond beleuchtete den Weg und den Fluss neben ihm so gut wie vorher die Laternen an der Interstate.
Dann sah er vor sich eine Senke und dahinter ein Schimmern.
Wasser.
Er bremste hart. Der Camaro rutschte und schlingerte wieder, und wieder konnte er ihn abfangen und unter Kontrolle bringen und der Camaro stand.
Als der Staub weg war, besah er sich im Scheinwerferlicht, was vor ihm lag. Die Senke schien nicht tief, aber er wusste, im Dunkeln, aus der Entfernung hinter dem Steuer, da konnte das täuschen. Und das Wasser? Schien eher ein Nebenarm zu sein, nicht der Fluss selbst. Aber ohne sicher zu sein, konnte er es nicht wagen. Nicht mit dem Camaro. War schließlich kein Truck und würde schneller absaufen als sein alter Mister, diese Null, der es fertig gebracht hat, im kniehohen Fluss aufs Gesicht zu fallen, in den Bergen hinter Denver. Beim Elektrofischen, war das zu fassen? Zwei Tage später haben sie ihn gefunden, ihn im Wasser und am Ufer ein Dutzend leere Bierdosen.
Konnte nichts vertragen, der Alte.
Der Cop drehte den Motor ab und stieg aus. Er atmete tief die Luft ein. Es war kühler hier in den Bergen als unten in Albuquerque, wo die Sommerhitze die Leute verrückt machte und durchdrehen ließ, die Gewaltrate im Sommer um die Hälfte höher als im Winter; sechzig Prozent mehr Prügeleien, zwanzig Prozent mehr Morde, so wirkte sich das aus.
Jeder freut sich auf den Sommer. Cops nicht. Cops freuen sich auf den Winter.
Er ging durch die Senke und bis zum Wasser – ja, nur ein Nebenarm, er sah den Fluss links zwischen den Bäumen schimmern – und ging dann hinein, langsam. Seine Boots wurden nass und dann auch seine Socken, aber er wollte beides nicht ausziehen, nicht hier, nicht bei Nacht. Er ging weiter bis zur anderen Seite und wieder zurück und war zufrieden.
An der tiefsten Stelle hatte ihm das Wasser nur bis zum Schienbein gereicht. Kein Problem.
Da er gerade draußen war, machte er den Reißverschluss seiner Hose auf und erleichterte sich. Er lauschte angestrengt in die Dunkelheit. Hier gab es vermutlich Pumas, vielleicht sogar Bären, aber er hörte nichts außer seinem eigenen leisen Plätschern und dem Knacken der sich abkühlenden Karosserie.
Als er fertig war und sich umdrehte, sah er sie.
Drei Gestalten.
Sie standen bei seinem Wagen. Einer an der offenen Tür, mit dem Oberkörper bereits im Wageninneren. Die beiden anderen lehnten gegen die Haube und schauten zu ihm herüber.
Es war hell genug, er konnte die Gesichter der beiden auf der Haube gut erkennen. Jungs noch, Anfang zwanzig vielleicht; Injuns, ohne Zweifel, mit ihren langen, schwarzen Haaren und den zerrissenen Jeans.
Was hatte der Patrolman vorhin gesagt? Der Cop grinste.
„Warum liegt ihr nicht besoffen auf der Straße?“, sagte er und ging auf sie zu. Seine nassen Boots quietschten und hingen schwer an den Füßen. „Hey, Junge, wenn du einsteigst, dann muss ich dich festnehmen.“ Er hielt seine Marke hoch. „APD.“
Die Indianer reagierten nicht. Der an der Fahrertür stand wieder draußen und guckte jetzt auch zu ihm. Er stieg nicht ein, ging aber auch nicht von der Tür weg.
„Albuquerque Police Department“, sagte der Cop, „für diejenigen von euch, die noch nichts mit uns zu tun hatten. Aber ich schätze mal, das habt ihr alle drei schon. Richtig?“
Der an der Tür sagte, „Du bist hier auf Tribal Land, Mann. Ob du in irgendeiner Stadt Cop bist oder die Klos weißer Leute sauber machst, interessiert hier niemanden“, und stieg dann doch ein und wieder aus, mit drei Dosen in der Hand. Zwei warf er seinen Kumpels zu, die dritte machte er auf und blies den Schaum weg und nippte daran.
Der eine trank ebenfalls einen kleinen Schluck, der andere sagte, „Budweiser? Alle Cops trinken Budweiser“, und warf die Dose weit in die Dunkelheit. Zwei Sekunden später klatschte sie in den Fluss.
Der an der Tür starrte ihn an, und der Cop sah zum ersten Mal das Messer an seinem Gürtel. Ein Jagdmesser, die Klinge lang und breit und, kein Zweifel, sehr scharf. Denn wer nachts in solchen Wäldern herumläuft, der achtet darauf, dass seine Werkzeuge in Ordnung waren.
Der Cop dachte an seine Beretta, die im Handschuhfach lag. Er hatte sie vor der Fahrt aus dem Holster genommen, damit sie ihm nicht auf die Hüfte drückte.
„Okay, Jungs, ich spendier euch die drei Dosen. Aber jetzt macht Platz. Ich muss weiter.“
„Du fährst weiter, wenn wir dir das sagen, weißer Mann“, sagte der an der Tür.
Der Anführer, das war jetzt klar. Ein Anführer, zwei Gehilfen.
Der Anführer stellte seine Dose aufs Autodach und wischte seine Hand am Shirt ab und starrte ihn weiter an. Schweigend.