Palmer :Exit 259. Stephan Lake
sagte, „Ich mache mir jetzt die Boots zu, und wenn ich fertig bin, dann seid ihr verschwunden“ – und zog das Hosenbein hoch – “denn sonst“ – und stand auf und in derselben Bewegung streckte den Arm, in der Hand seine Achtunddreißiger – „wirds verdammt ungemütlich.“ Und grinste. „Weil, looky here, ich hab immer meinen ganz persönlichen Schutzengel dabei. Hat einen kurzen Lauf, aber glaubts mir, auf die Entfernung? Uh, da gibts nichts Besseres.“ Und versuchte, seinen Arm ruhig zu halten, verdammter Alkohol. „Drückt manchmal, je nachdem, wie du sitzt, und beim Laufen ziehts dir das Bein runter, aber hey, ich kann damit sogar ins Wasser, das Holster hält dicht. Der hat mir schon manches Mal das Fell gerettet.“
„Yeah“, sagte der an der Tür, „machen doch alle Cops, du bist da nicht der erste. Die habt ihr, um Leute zu erschießen, die ihr nicht mögt. Unsere Brüder zum Beispiel.“
Völlig ungerührt.
„Natürlich macht ihr das nicht mit euren Cop-Waffen, denn das könnte man euch ja hinterher nachweisen.“ Der Indianer sagte, „Ich wette, das Ding da ist nicht registriert.“
Er war still. Der verdammte Injun hatte ja Recht, was also sollte er auch sagen?
„Was hast du denn so Wichtiges zu tun, dass du durch unsere Berge fährst, Mann? Mitten in der Nacht?“
„Das geht dich einen Scheiß an“, sagte der Cop jetzt und legte die linke Hand unter die rechte, als Stütze, beide Arme gestreckt, genau so, wie sie es ihm in der Akademie beigebracht haben. „Ich zähle bis drei und dann seid ihr wieder im Wald verschwunden. Eins-“
Er hatte nicht vor, bis drei zu zählen, no fucking way, er hätte bei zwei einfach geschossen. Injuns. Dem Anführer eine in den schmächtigen Oberkörper, und die beiden anderen wären gerannt wie die Wiesel. Wie die Coyoten. Seine Arme schwankten vielleicht, aber treffen würde er auf jeden Fall. Auf die Entfernung?
Aber dazu kam es nicht. Er sagte ‚Eins‘, da hatte der Indianer ein Gewehr auf ihn angelegt. Der Anführer. Er musste es neben der Tür abgestellt haben.
Die beiden großen Läufe zielten genau auf seine Brust. Dieser verdammte Bushnigger. Hielt die Büchse wie ein Profi. Fest gegen die Schulter gedrückt, Daumen und drei Finger am Kolben, Zeigefinger locker auf dem Abzug; die linke Hand hielt den Lauf, still und ruhig und völlig nüchtern.
Wenn der Kerl abdrückte, würde sein Körper ein großes Loch mehr haben. Oder zwei.
Shit.
Der Cop atmete ein und wieder aus. Seine Augen waren voll Wasser von der kalten Luft und vor Müdigkeit, aber er wollte sie nicht reiben, nicht jetzt.
„Du hast es mit einem United States Police Officer zu tun, mein Junge, also lass den Quatsch. Wenn du das Ding weglegst, dann werde ich so tun, als wäre nichts passiert. Aber nur, wenn du es jetzt weglegst. Tust du das nicht, werde ich dich und deine beiden Brüder mit in die Stadt nehmen. Dann werdet ihr eingesperrt. Für eine lange Zeit. Und ihr wisst, wie es Injuns im Knast ergeht.“
Er musste sich etwas einfallen lassen, und schnell, der Revolver in seiner Hand wurde mit jeder verfluchten Sekunde schwerer.
„Mein Junge?“ Das Gesicht des Indianers immer noch regungslos. „Ich habe meinen ersten Weißen erschossen, da war ich vierzehn. Der war so betrunken wie du und kam in unseren Trailer und ist über meine Schwester hergefallen wie ein Tier. Die war elf Jahre alt. Unsre Leute haben ihn verscharrt; nicht auf unserem Land, sondern auf eurem, auf State Land. Sie haben ihn nie gefunden.“ Der Indianer sagte, „Irgendwie habe ich das Gefühl, das wird dir auch passieren.“
„Jetzt hör mal gut zu, du verdammter Bushnigger.“ Wie haben die in der Akademie noch gesagt? Arme gestreckt und ... ja, die Knie leicht beugen und ... und wenn reden nicht hilft, dann hilft schießen. Denn wer zuerst schießt, der überlebt, haben die Ausbilder immer gesagt. Er beugte die Knie, aber nur wenig, und sein Zeigefinger begann sich zu krümmen, und er sagte, „Hör gut zu, okay? Ich bin ein Cop.“ Schwankte der Revolver mehr oder weniger als zuvor? „Du erschießt heute einen Cop und morgen werden tausend Cops hier sein und-“
„Du kapierst es nicht, weißer Mann“, sagte der Indianer, „du bist hier auf Tribal Land, und bewaffnete Blancos auf Tribal Land werden erschossen.“ Und drückte ab.
„Du hast ihn erschossen, Yazzie.“
Yazzie nickte. „Sonst hätte er geschossen. Ich habs ihm angesehen. Ich hatte keine Wahl.“
„Hey, Dude, das meine ich nicht. Alles cool. Ich meine, warum hast du solange gewartet?“
Yazzie öffnete die Büchse, nahm die leere Hülse heraus und warf sie weit ins Gebüsch und nahm eine neue Patrone aus der Tasche und betrachtete sie, blies einmal darüber, weil Schmutz darauf sein könnte und weil es seine Gewohnheit war, und schob sie in den Lauf. „Ich wollte sehen, was er für einer ist. Ich wollte ihm eine Chance geben. Du musst anderen immer eine Chance geben, sogar denen, Gus. Merk dir das. Wir wollen nicht so werden wie die.“
Yazzie klappte die Büchse zu und hängte sie um die Schulter. Dann hob er den Revolver auf und steckte ihn in den Gürtel; links, weil rechts das Messer hing.
„Bushnigger“, sagte Gus, „den hab ich lange nicht gehört.“
Vom Wagen hörten sie Nez rufen. „Hey, Yazzie, Gus, kommt her.“
Als sie neben Nez standen, sagte Yazzie, „Was?“
Nez hatte den Kofferraum geöffnet.
Alle drei starrten hinein.
Und fingen an zu singen und zu tanzen.
4
Zwanzig Meilen Luftlinie entfernt, auf der anderen Seite der Ortiz Mountains
„Was hast du heute vor, Mark? Fährst du in die Stadt?“
Ruth lehnte bei ihrer Frage auf der Küchentheke in ihrem Haus und schaute aus dem Fenster, ihr Blick weit. Ihre Augen waren noch sehr gut, aber sie wünschte, sie hätte ihr Fernglas zur Hand. Ihr Nachbar war wieder bei der Arbeit.
Sie hörte Mark näher kommen und spürte seine Hand auf ihrem Hintern und hörte ihn sagen, „Was glaubst du ... Wie alt ist der?“
Sie widerstand dem Drang, die Hand wegzustoßen und sagte, „Unser Nachbar?“
„Ja, unser Nachbar. Oder wo guckst du hin?“
„Weiß nicht. Ich kann ihn von hier ja kaum erkennen. Aber er sah jung aus, oder? Als wir ihn getroffen haben?“
„Jung? Nicht im Gesicht.“
„Du meinst seine Stoppeln?“
„Graue Stoppeln. Und seine Falten.“
Sie drehte sich, so dass er sie loslassen musste, und guckte hoch zu ihm. „Falten?“
Mark war still.
„Der ist fit“, sagte Ruth. „Er gräbt seit einer Stunde Löcher in den Boden. Ohne Pause.“
Mark sagte, „Solange guckst ihm schon zu?“
„Ich guck immer wieder aus dem Fenster, mir bleibt hier ja nicht viel anderes. Aber wer so lange am Stück Löcher gräbt, hier, bei uns, die Erde ist doch hart wie Stein und hier ein Loch zu graben wäre eine Schinderei. Sagst du doch selbst immer, deswegen tust du das ja auch nie. Also, wer das macht, der ist fit. Glaubst du nicht?“
„Ich habe nur gefragt, was du glaubst, wie alt dieser Palmer ist“, sagte Mark. „Nicht, ob er fit ist.“
Ruth lächelte ihren Mann an. Sie musste vorsichtig sein und sagte trotzdem, „Ich denke bereits über die Scheidung nach.“ Dann sagte sie, „Wo gehst du hin?“
„Nach oben.“
„Du hast mir noch nicht gesagt, was